Einkaufen soll zum Erlebnis werden. Friedrich von der Höh hat sich ein Konzept ausgedacht: Im Heißener Ruhrgebietsladen gibt es alles rund um die Region

„Glück auf“ - wenn die Türklingel bimmelt, dann heißt Friedrich von der Höh neue Kunden mit dem Bergmannsgruß willkommen. Mancher mag stutzen, das ältere Ehepaar nimmt es ganz selbstverständlich und erwidert seinerseits ebenfalls: „Glück auf.“ Ganz wichtig, dabei lächeln die Zwei. Hier scheint das Konzept aufzugehen, das sich von der Höh für seinen Laden ausgedacht hat. Seine Kunden sollen nicht einfach nur Produkte kaufen, eine bestimmte Atmosphäre gehört mit dazu. „Die Leute wollen etwas erleben.“ Eine Erfahrung, die viele Einzelhändler machen. Hauptkonkurrent ist für sie heute das Netz. Fast alles kann auch im Online-Handel bestellt werden. Damit der Kunde tatsächlich noch den Laden betritt, muss ihm ein Mehrwert geboten werden, der Einkauf soll zum Ereignis werden. Von der Höhs Kalkulation: Das Ruhrgebiet ist eine Marke, die auf dem Markt zu verkaufen ist.

Das war nicht immer so. Er kann sich noch an Zeiten erinnern, in denen sich Bewohner der Region etwa im Urlaub nicht unbedingt stolz zum Pott bekannt haben. Ein Wendejahr war sicherlich 2010: Im Kulturhauptstadtjahr hatte der heute 60-Jährige die Idee für den Laden.

Ursprünglich hat von der Höh in einer ganz anderen Branche gearbeitet: Für pädagogische Verlage hatte sein Unternehmen die Bücher ausgeliefert. Ein Hauptkunde war der in der Stadt ansässige Verlag an der Ruhr. Als der aber Teil des Cornelsen Verlages geworden war, musste die Lücke irgendwie gefüllt werden. „Wenn jemand aus Paris wieder nach Hause kommt, dann bringt er seinen Lieben einen kleinen Eifelturm mit. So etwas gibt es auch nach einem London-Urlaub. Warum existieren solche Geschenke nicht aus dem Ruhrgebiet?“ Die andere Frage, die ihm umgetrieben hat: Gibt es hier einen Markt für solche Produkte mit besonderem lokalen Flair? Seine Erkenntnis schon nach kurzer Zeit: Ja, denn es gibt immer öfter Touristen, die den Pott besuchen. „Zum Beispiel Gastschüler, die für ein Jahr in Deutschland sind. Da kommen oft die Gasteltern und suchen nach einem passenden Willkommensgeschenk.“ Der Großteil der Kunden stammt freilich aus der Region selbst.

Die Erfahrungen, die von der Höh mit ihnen gemacht hat, sind auch für andere Einzelhändler interessant. Denn diese Kunden suchten nicht einfach nur nach bestimmten Produkten. Die könnten sie ja mittlerweile eben tatsächlich leicht im Netz bestellen. „Die Menschen suchen im Einkauf das Ereignis“, so bilanziert von der Höh. Für diesen Erlebnischarakter sorgen in seinem Beispiel drei Faktoren: Atmosphäre, Kommunikation und Tradition.

Was sorgt für richtige Pott-Atmo? Von der Höh hat zu der Frage keine tiefgreifenden Reflexionen angestellt, sondern ist seiner Intuition gefolgt. „Ich bin selbst ein Ruhrpottmann“, sagt er. Und als solcher glaubt er auch zu wissen, was andere Ruhries anspricht: Der Förderturm, der auf dem Parkplatz steht, die Lore vor dem Eingang oder auch das Grubenfahrrad, das im weiträumigen Laden neben einer Puppe in Bergmannskluft postiert wurde - das alles soll dem Laden Seele verleihen. Wie überhaupt das Geheimnis der Ruhrgebiets-Identität keine Frage ist, die Volkskundler lösen, sondern die Praxis. Zu dieser Identität gehört das, was die Menschen dafür halten.

Was aber die Menschen über ihre Heimat denken, das erfährt der Händler im Gespräch. Deswegen hat Kommunikation so eine wichtige Bedeutung für das Konzept. Beispiel Trinkbecher, der Aufdruck: Revierweib. Ist das nicht etwas zu drastisch? „Der Vorschlag kam von einer Kundin. Wir hatten schon einen Becher, da stand ,Reviermädchen’ drauf. Die Dame war so Anfang 50 und meinte, dass sie kein Mädchen mehr sei, sondern eben ein Revierweib.“ Der Vorschlag wurde gleich umgesetzt.

Und wie hat von der Höh den Faktor Tradition in sein Laden-Konzept eingebaut? Der 60-jährige suchte sich in der Region verwurzelte Familienunternehmen als Partner. Mit der Brennerei Bovenkerck aus Hamminkeln hat er eine eigene Schnaps-und Likör-Linie kreiert. Das Café Cordes aus Oberhausen liefert die Kohle-Schokolade. Und mit dem Heißener Hof hat von der Höh ein Currywurst-Rezept entwickelt.

Strukturwandel - der gehört auch zum Ruhrgebiet und das Stichwort passt auch zur Geschichte des Ladens. Die Verlagsauslieferung - hinter dem Ladenlokal befindet sich ein großes Lager - ist immer noch Teil des Unternehmens. Aber der Ruhrgebietsladen ist zur zweiten tragenden Säule geworden. Und er ist ein Beispiel für innovativen Einzelhandel mit dem Revier im Revier.