Mülheim. . Jonas und Gabi Vetter leisten Entwicklungshilfe in Niger. Dort mangelt esan fast allem. Nachhaltige Projekte sollen die Not lindern

  • In Niger, einem der ärmsten Länder der Welt, lebt die Mülheimer Familie Vetter seit 2015
  • Als Entwicklungshelfer arbeiten sie bei nachhaltigen Hilfsprojekten mit
  • Hitze und Hunger und fehlende Bildung machen den Nigrern zu schaffen

Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. Hunger und Hitze machen den Menschen dort schwer zu schaffen. Ein funktionierendes Bildungs- oder Gesundheitssystem gibt es nicht – dafür eine unglaublich hohe Geburtenrate (6,9 Kinder pro Familie). Viele Gegenden gelten laut Auswärtigem Amt als äußerst gefährlich. Jonas und Gabi Vetter haben sich von all dem nicht abschrecken lassen. Anfang 2015 gingen sie mit ihren Kindern Jakob und Nora (heute sechs und vier Jahre alt) nach Westafrika, um dort als Entwicklungshelfer zu arbeiten.

Jonas Vetter, der der Christus Gemeinde Mülheim angehört, schon seine Zivildienstzeit in Afrika verbrachte und nach dem Studium als Pastor in Weil der Stadt (Schwaben) arbeitete, kam über seine Gemeinde mit den deutsch-nigrischen Eheleuten Renate und Yacouba Seydou in Kontakt. Diese bauten gerade ein Hilfswerk auf, das Hosanna Institut du Sahel (HIS). Nach zwei Besuchen in Niger beschlossen der ehemalige Otto-Pankok-Schüler und seine Frau (früher beim CVJM tätig) einen Auslandseinsatz zu wagen. Sie zogen nach Niamey, der Hauptstadt von Niger, und arbeiten seither im HIS mit.

Gekocht wird in großen Töpfen auf dem Feuer.
Gekocht wird in großen Töpfen auf dem Feuer. © Vetter

Aufklärung über Radio- und Fernsehstation

Die Hilfsorganisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, nachhaltige Projekte in dem unterentwickelten Land einzustielen und durchzuführen. Dazu gehören der Bau von Brunnen, landwirtschaftliche Projekte, Näh-Schulen, Schulstipendien, Ausbildungsinitiativen, die Unterhaltung einer Buschklinik und eines Behindertenzentrums ebenso wie einer Radio- und Fernsehstation für Niamey. „Über diese Medien können wir die Leute erreichen. Es gibt Musik und aufklärende Clips zu medizinischen, sozialen oder ethischen Themen“, berichtet Jonas Vetter. Auf lange Sicht wolle man weitere Sendestationen – draußen im Busch – gründen.

„Es ist wichtig, in lokale Projekte zu investieren, nur so kann man den Leuten hier langfristig Hoffnung geben, die Nöte verringern“, meint das Ehepaar Vetter. Als Ausländer müsse man versuchen, sich anzupassen und die „Denke“ der Einheimischen zu verstehen. „Man sollte sich im Land so bewegen, wie sich die Menschen dort bewegen“, sagt Gabi Vetter. Langsam werde man dann vertraut mit dem Fremden und entwickele ein Gefühl dafür, was man machen könne und was nicht. Die 35-Jährige trägt in der Öffentlichkeit beispielsweise immer einen Rock und zuweilen auch ein Kopftuch, ihr 33-jähriger Mann ein langes Gewand.

Gabi und Jonas Vetter mit Nora und Jakob in Niamey.   
Gabi und Jonas Vetter mit Nora und Jakob in Niamey.   © Vetter

Die meisten Leute kommunizieren in ihrer Stammessprache

In Niger sei ganz viel anders als in Deutschland: Neun Volksstämme gibt es im Land – mit unterschiedlicher Kultur und Sprache. Darunter auch Nomaden wie die Tuareg. Zwar ist die Amtssprache Französisch (Niger war mal französische Kolonie), die meisten Leute kommunizieren aber in ihrer Stammessprache wie etwa Haussa oder Zarma – sogar in der Stadt. „Ich lerne seit einem halben Jahr Zarma, aber Grammatikbücher gibt es nicht“, erzählt Jonas Vetter.

Was der Mülheimer Familie aber als Erstes auffiel, als sie nach Niger kam, war die große Hitze. Monatelang ist es 40 Grad heiß. Der Norden des Landes grenzt an die Sahara. „Man braucht zumindest im Schlafzimmer eine Klimaanlage, um mal abzukühlen“, sagt Gabi Vetter. Selbst in Niamey können sich das aber nur wenige Leute leisten. Wer etwas Geld hat, nutzt Ventilatoren. Auffällig auch: die vielen bitterarmen Menschen überall im Land. „Eigentlich müsste man allen helfen, aber das geht ja nicht. Damit müssen wir tagtäglich leben. Das ist nicht ganz einfach zu ertragen“, sagt Jonas Vetter. Die Armut zieht auch Kriminalität nach sich: Die Vetters brauchen für ihr Haus einen Nachtwächter.

Ein Großteil der Nigrer sind Analphabeten

Ein Großteil der Nigrer sind Analphabeten (etwa 85 % der Frauen), obwohl man in den letzten Jahren auch Schulen auf dem Land gebaut hat – „allerdings nur Grundschulen“, berichten die Vetters. „Es müssten mehr Lehrer ausgebildet werden, die Klassen kleiner sein“, sagen sie. Ihre eigenen Kinder besuchen eine internationale Schule in der Hauptstadt. In der Freizeit geht es meist zum Spielplatz und Pool der US-Botschaft. Oder in die Dünenkette vor der Stadt, wo man toben und picknicken kann.

Woran sie sich nicht gewöhnen können in Niger? „Die frühe Mädchen-Heirat, polygame Ehen, den niedrigen Status der Frau – obwohl die Frauen hier die meiste Arbeit machen“, so Gabi Vetter. Als schön empfinden sie, dass Niger so multikulturell ist (auch wenn 99% Muslime sind) – und dass der zwischenmenschliche Kontakt und die Gemeinschaft so wichtig sind: „Wenn du jemanden auf der Straße triffst, wird erst mal geredet, egal ob du es eilig hast oder nicht.“ Freunde haben sie schon einige gefunden – und kürzlich einen Entschluss gefasst: Sie wollen ihren Aufenthalt in Niger um drei Jahre verlängern.