Mülheim. . Seit 120 Jahren fährt die Straßenbahn durch die Stadt und erschließt Vororte. Schienenverbindungen gibt es mit drei Nachbargemeinden.
- Am Wochenende wird das Jubiläum am Hauptbahnhof gefeiert
- Den Startschuss gab die Bahn vom Kahlenberg über Rathausmarkt bis nach Oberhausen
- Alte Bahnen werden am Wochenende ausgemustert
Gleich zwei runde Geburtstage der Personenbeförderung in Mülheim sind am Wochenende zu feiern. 90 Jahre Weiße Flotte und 120 Jahre Straßenbahn. Bei der Straßenbahn denken die Stadtväter zu Beginn der 1890er Jahre bereits fortschrittlich. Sie überspringen das Kapitel Pferdebahn und steigen sofort in die „Elektrische“ ein. Dazu denken sie über die Stadtgrenzen hinaus, wollen flotte Verbindungen schaffen.
Als am 9. Juli 1897 Mülheimer Straßenbahn vom Kahlenberg über Rathausmarkt bis nach Oberhausen zum Vincenzhaus rollen, beginnt eine wechselvolle Geschichte der öffentlichen Personenbeförderung.
Vorfahrt für die „Elektrische“
Weitgereiste Stadtverordnete erleben die „Elektrische“ in anderen Städten, erkennen die Vorteile. Die Straßenbahn ist ein sauberes Verkehrsmittel – „ohne Ruß und Gestampfe wie bei der Dampfbahn und leistungsstärker als Pferdebahnen“. Schnell beschließt der Rat die ersten Linien. Die neue Strecke bekommt am Rathaus einen Abzweig zur Körnerstraße und wird 1888 bis zum Bürgermeisteramt in Heißen verlängert.
Kaum sind die ersten Straßenbahnen in der Stadt unterwegs, steigen die Mülheimer oft und gern ein. Von Beginn an beabsichtigen Planer und Stadtverordnete mit der elektrischen Straßenbahn die umliegenden Gemeinden anzuschließen. Das sollte die Kaufkraft in der Stadt bringen und die Eingemeindungen der Orte erleichtern.
Strecke nach Oberhausen ist besonders unpünktlich
Sehnen die Bewohner der Vororte vor mehr als 100 Jahre die Bahn herbei, scheint der Trend heute umgekehrt. Schon Pläne für eine neue Strecke bekämpfen viele – bloß nichts ändern. In Mülheim scheinen umweltfreundliche Straßenbahnen heute als unfein zu gelten.
Dass sie unpünktlich sind, ist dagegen nicht neu. „Die Strecke nach Oberhausen zeichnete sich, bedingt durch drei zu kreuzende Eisenbahnstrecken, durch besondere Unpünktlichkeit und immense Verspätungen aus“, steht in den Jahresberichten.
Die sechs Kilometer lange Strecke von der Bahnstraße über Eppinghofer- und Mellinghofer Straße nach Dümpten und Lipperheidebaum in Oberhausen wird im Jahr 1900 eröffnet. Bis auf das Reststück besteht sie noch heute als Linie 102. Mit dem Neubau der steinernen Schlossbrücke bekommen Saarn, Broich und Speldorf eine Straßenbahnverbindung mit der Innenstadt. Bis 1928 wächst das Straßenbahnnetz auf 44 Kilometer Länge. Gemeinschaftslinien mit Nachbarstädten sind selbstverständlich – drei bis vier Linien.
Im Zweiten Weltkrieg werden Gleise zerstört
Der Zweite Weltkrieg trifft auch Bahnen, Gleise und Oberleitungen. 1943 zerstören Bomben in einer Nacht acht Trieb- und zwölf Beiwagen sowie die damalige Hauptverwaltung gegenüber der Friedrich-Wilhelms-Hütte. Engagierte Mitarbeiter übernehmen den Wiederaufbau. Von 1954 bis 1964 ersetzen Vier- und Sechsachser den alten Fahrzeugpark – 24 Trieb- und 18 Beiwagen.
Während Oberhausen sich 1968 von der Straßenbahn trennt, wird das Netz in Mülheim leicht erweitert. Die Strecke nach Saarn wird stillgelegt. „Das war unsere größter Fehler“, blicken ehemalige Betriebsleiter und Politiker zurück.
Ab 1976 kauft Mülheim 24 M6- und M8-Wagen – eine Gemeinschaftsentwicklung mit Bochum, Bielefeld und Essen. Diese Bahnen werden am Wochenende ausgemustert. Inzwischen fährt die zweite Generation Niederflurwagen. Oberhausen hat wieder eine Straßenbahn. Mülheims Streckennetz ist um zwei Abschnitte geschrumpft, der Takt ausgedünnt.
>> WER KANN SICH AN DIE ALTE STRASSENBAHN ERINNERN?
Den runden Geburtstag feiert die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft der MVG am Samstag, 8. Juli, mit Infostand und Tram-Shop in der Passage zum Hauptbahnhof. Von 11 bis 17 werden Modelle und Fachliteratur verkauft. Ferner laufen Abschiedsfahrten mit einem Triebwagen vom Typ M6D (11 bis 15 Uhr). Solche Straßenbahnen fuhren fast 40 Jahre durch die Stadt.
Wer kann sich an tolle Touren oder nette Alltagserlebnisse mit der Straßenbahn erinnern? Wie war früher eine Fahrt von Styrum mit der Linie 1 nach Saarn? Wer hat alte Straßenbahnfotos aus dem Familienalbum und erzählt seine Geschichte dazu? Post bitte an die WAZ-Redaktion, Eppinghofer Straße 1-3, 45468 Mülheim oder als E-Mail mit JPG-Bildern: redaktion.muelheim@waz.de