Mülheim. . Nach viel Lob in den Medien über die Reis-Installation wird Kritik aus Bürgerschaft laut: Ist das Kunst oder schon „Lebensmittelverschwendung?
- Viel nationales und internationales Lob gab es bislang für die Installation aus Reis „Of all the people in the world“
- In Mülheim allerdings gibt das Reiskorn den Anstoß zu ersten kritischen Tönen aus der Bürgerschaft: Lebensmittelverschwendung
- Künstlergruppe Stan’s Café weist den Vorwurf der Verschwendung zurück: „Legen großen Wert darauf, dass Reis nicht weggeworfen wird.“
Viel nationales und internationales Lob gab es bislang für die Installation aus Reis „Of all the people in the world“, die derzeit im Rahmen des Kunstfestivals Impulse im Ringlokschuppen zu sehen ist. „Es vermittelt sich auf höchst anschauliche Art ein Gefühl für Relationen, die oft überraschen“, lobte etwa die Süddeutsche. In Mülheim allerdings gibt das Reiskorn den Anstoß zu ersten kritischen Tönen aus der Bürgerschaft: Was darf Kunst? Gibt es Grenzen?
Acht Tonnen Reis – jedes steht für einen Menschen. Je nach Fragestellung wiegt die Birminghamer Künstlergruppe „Stan’s Café“ die Körner ab, schichtet die Menge auf Papierflächen, um so abstrakte Statistiken greifbar zu machen. Doch was geschieht im Nachhinein mit dem Lebensmittel Reis? Ist das Medium der Kunstinstallation treffend oder unsensibel gewählt? Handelt es sich sogar um Lebensmittelverschwendung?
Keine Verschwendung
Und darf die Installation dann noch als Kunstwerk beworben werden? Craig Stephens, Mitglied der Künstlergruppe Stan’s Café, weist den Vorwurf der Verschwendung zurück: „Wir legen bei jeder unser bisherigen Shows – Mülheim ist unsere 63igste Station – großen Wert darauf, was mit dem Reis geschieht, dass er nicht weggeworfen wird. Der Reis wird größtenteils als Lebensmittelspende, Tierfutter oder für weitere Installationen verwendet.“
Für den Kern, die größeren Haufen, bleibe der Reis in den Säcken und könne daher direkt als Lebensmittel gespendet werden; in Mülheim sind das etwa drei bis vier Tonnen und damit etwa die Hälfte der genutzten Menge. Die andere Hälfte soll, verspricht Stephens, zu alternativer Energie in einer Biogasanlage verwertet werden.
Keine Provokation
Die bewusste Entscheidung für Reis – und nicht etwa Kies oder Sand – haben die Künstler nach langer Recherche getroffen, es sei wie kein anderes Medium derart beständig und gleichförmig. „Außerdem sehen die Reiskörner dem menschlichen Wesen ziemlich ähnlich und besitzen als etwas Organisches auch einen individuellen Wert“, erläutert Stephens.
Manchen Besucher der Installation mag die Entscheidung für Reis dennoch provozieren – ist die Provokation hier ein notwendiges Mittel der Kunst, um zu den Besuchern durchzudringen?
Die Künstler widersprechen: „Es geht uns nicht um Provokation. Wir möchten Menschen ermöglichen, die abstrakten Statistiken, die uns täglich über Nachrichten andere Wege erreichen, real und sinnlich zu begreifen.“
Wir nehmen die Kritik ernst
Im Angesicht der ganz unterschiedlichen Hügel soll dem Betrachter etwas klar werden, das er andernfalls nur abstrakt weiß. „Es macht doch einen großen Unterschied, wenn wir sie direkt sinnlich erfahren können“, sagt Stephens. Eine Verschwendung können die Kunstaktivisten daher nicht erkennen, „das Anliegen der Kritik steht uns im Gegenteil sehr nahe“, meint Stephens, denn „unsere Welt hat ein immenses Verteilungsproblem. Hier liegt das Ungleichgewicht, auf das wir auch mit unserer Arbeit aufmerksam machen möchten.“
Ob am Ende die Mülheimer Tafel die knapp vier Tonnen Reis annehmen kann? Auf Anfrage zeigt sich eine Mitarbeiterin verdutzt nicht nur wegen hygienischer Bedenken: „Wie sollen die geliefert werden?“
>> WIE IST IHRE MEINUNG?
- Kunst soll provozieren, sie muss es gelegentlich, um Menschen zu erreichen. Doch wo sehen Sie die Grenzen der künstlerischen Freiheit?
- Die Künstler von Stan’s Café wollen auf diese Weise auch auf die ungleiche Verteilung von Nahrung aufmerksam machen. Wie ist ihre Meinung? An: redaktion.muelheim@waz.de