Mülheim. . Sven Simon hat eine Schatzkammer im Keller: Im Archiv der von Axel Springer Junior gegründeten Agentur lagern Fotos der Weltgeschichte.

  • DerSohn des Verlegers Axel Springermachte sich in den 60ern als Sportfotograf Sven Simon einen Namen
  • 1960 gründete er eine Agentur für Sportfotografie, deren Sitz seit 2004 in Mülheim ist
  • In dessen Archiv lagert unter anderem das Sportfoto des Jahrhunderts aus Wembley

Es ist kühl und dunkel in diesem Kellerraum und es riecht nach Fotopapier. Regalbretter biegen sich beinahe schon unter der Last der Ordner, die sie tragen. Viele hundert Hefter stehen auf diesen rund 50 Quadratmetern dicht an dicht. Einer wertvoller als der andere. Was hier lagert, sind Schätze auf Negativ-Filmen und Dias. Hier im Archiv von Sven Simon.

Seelers signierter Abzug hängt an der Wand im Büro

Stolz holt Franz Wälischmiller den Ordner mit der Nummer eins aus dem Regal. Seite sechs, Negativ 18: Da ist es, rot umkringelt, sticht das Schwarz-Weiß-Bild aus der Reihe hervor. Uwe Seeler schleicht mit hängendem Kopf vom Platz. Ein Bild, das die bittere Niederlage der Fußballnationalmannschaft 1966 in Wembley einfängt wie kein zweites. Das Sportfoto des Jahrhunderts. Geschossen von einem, der die Sportfotografie in den 60er Jahren prägte: Axel Springer Junior alias Sven Simon. „Das Bild hat ihn berühmt gemacht“, erzählt Franz Wälischmiller, heutiger Geschäftsführender Gesellschafter der Foto-Agentur, die Springer Junior in den 60ern gegründet hatte. Ein von Uwe Seeler signierter Abzug des weltbekannten Lichtbilds hängt noch immer an der Wand des Büros, das seit 2004 in Mülheim ist.

Franz Wälischmiller gewährt Einblick ins Foroarchiv.
Franz Wälischmiller gewährt Einblick ins Foroarchiv. © Oliver Müller

Aber das Sportfoto des Jahrhunderts ist längst nicht die einzige Berühmtheit, die sich im Archiv der Fotoagentur befindet. Wälischmiller geht durch die schmalen Gänge zwischen den Regalen, in denen die Ordner chronologisch sortiert sind. Grün für „Sport“, weiß für „Sonstiges“. „Die Gewichtung liegt bei ungefähr 70 zu 30 Prozent“, erklärt der 62-Jährige. Er schlägt einen Weißen auf: Romy Schneider mit Mann im Garten. Gleich mehrere Seiten dokumentieren das Privatleben der Schauspielerin. Weiter geht es durch die Reihen, wieder ein weißer Ordner: Willy Brandt. Nicht nur den weltberühmten Kniefall von Warschau 1970 hat Sven Simon in seinem Archiv, sondern auch die Russland-Reise von Helmut Schmidt wurde von Springer Junior abgelichtet und zeigt ebenfalls private Einblicke in das Leben des späteren Kanzlers.

Alle Fotos unter einem Namen

„Axel Springer Junior hat sich einen anderen Namen gesucht, weil er nicht unmittelbar mit seinem Vater in Verbindung gebracht werden wollte, aber natürlich braucht man gute Kontakte, um solche Fotos zu machen“, erzählt Wälischmiller, der betont, dass nicht nur Springer Junior allein gute Fotos gemacht habe. „In unserer Agentur galt lange die Devise, dass alle Fotos ausschließlich unter dem Namen Sven Simon veröffentlicht werden“, sagt der 62-Jährige, der seit 1995 zusammen mit Frank Hoermann die Geschicke der Agentur leitet. Wer genau welches Foto gemacht habe, ließe sich im Nachhinein nicht mehr genau eruieren.

Franz Wälischmiller zeigt stolz Bilder von Uwe Seeler, Pelé, Franz Beckenbauer, Ludwig Ehrhard, Willy Brandt und David Ben-Gurion..
Franz Wälischmiller zeigt stolz Bilder von Uwe Seeler, Pelé, Franz Beckenbauer, Ludwig Ehrhard, Willy Brandt und David Ben-Gurion.. © Oliver Müller

Klar ist aber, dass Weltereignisse in schwarz-weiß und Farbe dokumentiert im Archiv lagern. Wie beispielsweise Bilder der Olympischen Spiele 1972 in München. Die jubelnde Ulrike Meyfarth auf der Hochsprungmatte, Heide Rosendahl mit Weitsprung-Gold und Schnappschüsse von Schwimm-Star Mark Spitz sind nur einige von hunderten Bildern, die dort entstanden sind.

Bestverkauft: Der jubelnde Pelé von 1970

Auch bei Fußballweltmeisterschaften war und ist Sven Simon zugegen. Das bestverkaufte Bild der Agentur hängt in Din-A2-Größe an der Bürotür: Der jubelnde Pelé von 1970. „Das ist der schönste Jubel, den ich von ihm kenne“, sagt Wälischmiller, der vor 36 Jahren als Volontär bei Sven Simon begonnen hat. Noch heute fliegt er für die Agentur um die Welt und veröffentlicht unter anderem Bilder und Bildbände von großen Sportereignissen. „Aber auch bei der Bundesliga sind wir noch immer vor Ort“, erzählt er und blättert in einem, der vielen Ordner.

Ein bisschen scheint er der Zeit von damals hinterher zu trauern. „Die Qualität der Fotos hat abgenommen, denn Bilder sind inzwischen Massenware. Immer und überall verfügbar und nur wenige wahren im Internet die Bildrechte“, sagt er. „Die Technik und das Internet haben vieles erleichtert, aber die schöneren Bilder gab es damals.“

Simon verließ die Agentur in den Siebzigern

Der Sohn des Verlegers Axel Springer hat sich als Sportfotograf Sven Simon einen Namen gemacht und für seine Arbeit zahlreiche Preise gewonnen. Die Agentur hat Simon aber bereits in den 70ern wieder verlassen und wurde Chefredakteur der Welt am Sonntag. Im Alter von 38 Jahren beging Springer Junior in Hamburg Selbstmord. Die Motive konnten aber nie ganz geklärt werden.

Der Fotograf Günter P. Müller, der die Agentur Sven Simon von den 70ern bis 1995 leitete, war laut Franz Wälischmiller nach Springer einer der wichtigsten Fotografen der Agentur.