Mülheim. . Weggefährten und Politiker würdigen die Leistungen Helmut Kohls. Andreas Schmidt (CDU) erzählt von Begegnungen in Berlin – und im Hotel Noy.

Altkanzler Helmut Kohl ist gestorben. Erinnerungen an den ehemaligen CDU-Vorsitzenden gibt’s zahlreiche, vor allem von Menschen jenseits der 30. Auch in Mülheim wissen Weggefährten von nachhaltigen Begegnungen mit dem Kanzler der Einheit zu berichten.

So Andreas Schmidt, der von 1990 bis 2009 im Bundestag saß, Vorsitzender des Rechtsausschusses war. Schmidt: „Ich habe es gerade übers Handy erfahren. Es ist traurig, aber ihm ging es ja schon länger schlecht.“ Ein großer Staatsmann sei gestorben. „Die Wiedervereinigung wird mit seinem Namen verbunden bleiben; er wird für die Bundesrepublik als große politische Persönlichkeit in die Geschichte eingehen.“ Kohl habe die politische Landschaft geprägt wie kein zweiter. „Ich war eng mit ihm verbunden, wir haben oft zusammen Wein getrunken und persönliche Gespräche geführt“, berichtet der Rechtsanwalt (60). „In Mülheim habe ich ihn auch mal gesehen, zu einem Vortrag im Hotel Noy, da war er gerade Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz geworden.“

„Juliane, der junge Kollege möchte Wein mit mir trinken“

Vor acht Jahren sei man sich letztmalig begegnet, danach sei der Kontakt abgerissen. Vor allem die Begegnungen zu Zeiten von Kanzler Schröder – Schmidt war damals Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Spenden-Untersuchungsausschuss – sind lebendig in Erinnerung: „Ich habe mich in den Sitzungswochen montags von 16 bis 18 Uhr in seinem Berliner Büro mit ihm ausgetauscht. Er hat mich geduzt – so ein väterliches Du – und gefragt, was wir trinken sollen: Kaffee oder Wein?“ Er habe daraufhin stets geantwortet: „Ich stelle anheim, Herr Bundeskanzler.“ Und Kohl habe zu seiner Sekretärin gesagt: „Juliane, der junge Kollege möchte Weißwein mit mir trinken.“

Er habe viel erzählt: „Einmal hat er zu Gorbatschow gesagt: ,Herr Generalsekretär, lassen Sie uns mal was Verrücktes machen.’ Auf dessen Frage ,Was denn?’ hat er gesagt: ,Wir vertrauen uns.’“ Das sei eine große menschliche Leistung gewesen, die Gorbatschow beeindruckt und die Wiedervereinigung vorbereitet habe. „Daraus ist eine Freundschaft entstanden.“

„Das Leben leidenschaftlich dem Land gewidmet“

Auch von der derzeit bekanntesten Politikerin aus Mülheim, Noch-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, gab es ein Statement: „Helmut Kohl hat sein Leben und Wirken leidenschaftlich dem Wohl unseres Landes gewidmet. Er hat die Geschichte der Bundesrepublik als Bundeskanzler über viele Jahre mitgeprägt. Die Einheit Deutschlands und Europas bleiben mit seinem Namen verbunden.“

Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) würdigte Kohl am Freitag als „einen Mann, der die deutsche Geschichte mitgeprägt hat“. Der Lebensleistung mit Wiedervereinigung und europäischem Wirken sei „mit Respekt“ zu begegnen.

„Ich habe ihn immer als tragisch empfunden“

Ulrike Flach (FDP), von 1998 bis 2013 im Bundestag, erinnert sich an persönliche Kontakte. Kohl habe immer zu denen gezählt, die viel Wert darauf gelegt hätten, mit Kollegen aus anderen Fraktionen zu sprechen. „Er war immer bereit, auch Ratschläge zu geben.“ Die Leistungen für Wiedervereinigung und Europa seien allerdings getrübt durch die Spendenaffäre, in der Kohl keine Einsicht gezeigt habe. So sagt Flach: „Ich habe ihn immer als tragisch empfunden.“

Nicht nur den „großen Europäer“ und denjenigen, der die Einheit „eigenhändig und ohne Absprache“ mit dem Zehn-Punkte-Programm in die Wege geleitet habe, wird Bundestagsmitglied Astrid Timmermann-Fechter (CDU) in Erinnerung halten. Timmermann-Fechter ist just am Abend von Kohls großer Wahlschlappe 1998 in die CDU eingetreten, hat ihn danach als Lokalpolitikerin bei einer großen Kundgebung auf dem Marktplatz in Marl-Hüls als „sehr menschlich und bürgernah“ erlebt. Sie erzählt gerne, „dass Helmut Kohl an Wochenenden einfach mal zum Hörer gegriffen und Kreisvorsitzende angerufen hat, um zu hören, was los ist.“

„Ein guter Kanzler mit Ecken und Kanten“

Hans-Georg Specht, von 1994 bis 1999 CDU-Oberbürgermeister in Mülheim, würdigt Kohl als „in vielen Dingen guten Kanzler mit Ecken und Kanten“, die es benötige, um erfolgreich zu sein. Mit der Wiedervereinigung, auch mit Errungenschaften für die soziale Gerechtigkeit (wie der Mütterrente) habe Kohl sich ums Vaterland verdient gemacht. Die Spendenaffäre und der Streit um die Veröffentlichung der „Kohl-Protokolle“ sind bei Specht negativ in Erinnerung.

„Ich bin traurig, ich habe Helmut Kohl immer hoch geschätzt“, sagt Hermann-Josef Hüßelbeck, Bezirksbürgermeister links der Ruhr. Den Saarner Christdemokraten beeindruckt vor allem, dass der ehemalige Kanzler „immer zu seinem Ehrenwort gestanden hat. Bei Kohl hat das Wort noch etwas gegolten“, betont Hüßelbeck. Er meint, der Kanzler habe in den 1980er Jahren mal einen Wahlkampfauftritt auf der Eppinghofer Platte, dem Kurt-Schumacher-Platz, gehabt.

„Mit Ellenbogen den Weg freigemacht“

„Dass ein Mann, der im Leben alles erreicht hat, was er erreichen konnte, am Ende so krank war, ist kein schönes Schicksal“, sagt Arnold Fessen. Der CDU-Bezirksbürgermeister aus Mülheims Nordosten sieht Helmut Kohl als harten politischen Strategen. „Er war im Sternzeichen des Widders geboren und hatte Ellenbogen, mit denen er sich den Weg freimachte. Man muss wohl so kalt sein, wenn man im Bund an der Spitze steht.“ Herzliche Züge habe Kohl wohl zu wenige gezeigt, worunter auch seine Familie gelitten habe, sagt der Heißener.

Für CDU-Ratsmitglied Werner Oesterwind war Helmut Kohl „eine große Persönlichkeit, die die CDU vorangebracht hat“. In seiner Jugend sei er sein politisches Vorbild gewesen. „Ich bin schon traurig, dass der Kanzler der Deutschen Einheit verstorben ist.“ Trotz der Spendenaffäre müsse man anerkennen, „was Kohl geleistet hat“.

„Ein Glücksfall für die Deutsche Einheit“

Dem kann sich Eckhard Capitain, finanzpolitischer Sprecher der Christdemokraten, nur anschließen: „Kohl war ein Glücksfall für die Deutsche Einheit.“ Trotz früherer Spötteleien in den Medien – wie die Bezeichnung „Birne“ – habe er sein ernsthaftes Ziel nie aus den Augen verloren und beharrlich verfolgt. Als junger Christdemokrat habe er selbst Helmut Kohl im Wahlkampf anlässlich der Wahlen 1994 in Essen auf dem Kennedyplatz begleitet. „Da habe ich selbst das erste Mal für den Stadtrat kandidiert.“ Besonders imponiert hat Capitain, „wie Kohl für die konservative Haltung eingetreten ist“.