Mülheim. . Handyverträge, Kreditkarten oder Versicherungen: Die Beraterinnen kennen viele zweifelhafte Fälle. Spezielle Schulungen sollen vorbeugen.
- In der Mülheimer Verbraucherberatung meldeten sich 2016 vermehrt geflüchtete Menschen
- Fehlende Sprachkenntnisse werden bei Handy- oder Versicherungsverträgen oft schamlos ausgenutzt
- Flüchtlinge gelten ebenso wie ältere Menschen als „verletzliche Verbraucher“, die besonders geschützt werden sollen
Kürzlich hat die Mülheimer Verbraucherzentrale ihren Jahresbericht vorgestellt. 2016 seien vermehrt auch geflüchtete Menschen in die Beratungsstelle gekommen, heißt es. Bei ihnen führten oft fehlende Sprachkenntnisse zu vielerlei Missverständnissen. „Nicht selten wird dies auch schamlos ausgenutzt“, so Christiane Lersch, Leiterin der Beratungsstelle.
Vielen Flüchtlingen sei etwa der Unterschied zwischen Prepaid- und Postpaid-Verträgen nicht klar. So hätten Mitarbeiter von Telefonshops ihnen ein kostenloses Smartphone oder Tablet versprochen und sie damit in Verträge mit einer 24-monatigen Laufzeit gelockt. Anderen wurden Vergünstigungen versprochen, die nicht im Vertrag standen. Die Beratungsgespräche in den Shops fänden zwar häufig in der jeweiligen Muttersprache statt. Die seitenlangen Verträge seien aber auf Deutsch. „Die Flüchtlinge wissen oft nicht, was sie da unterschreiben und vertrauen dem Verkäufer blind“, erklärt Christiane Lersch. „Wir raten dazu, immer eine Begleitperson mitzunehmen, die Deutsch spricht.“
Drückerkolonnen auf Kundenfang
Ähnliche Situationen gebe es auch beim Thema Energie. Die Beratungsstelle berichtet von Drückerkolonnen, die Kunden direkt aus Flüchtlingsunterkünften akquirieren. Auch hier werde die Unerfahrenheit ausgenutzt, um Verträge an den Mann zu bringen, die nicht günstiger sind als die Grundversorgung und ungewöhnlich lange Laufzeiten aufweisen. Gegen vier auffällig gewordene Anbieter hat die Verbraucherzentrale NRW laut eigenen Angaben inzwischen Klage eingereicht.
Ein weiteres Problemfeld seien Prepaid-Kreditkarten. Flüchtlinge berichten der Verbraucherzentrale vermehrt von Anbietern, die eine Kreditkarte versprechen, auch „wenn der Finanzrahmen mal in Schieflage geraten ist“, oder damit werben, dass sie keine Schufa-Auskunft einholen. Sie vermitteln aber nicht, dass man solch eine Karte selbst mit Geld aufladen muss. Viele Flüchtlinge können dies nicht leisten, so dass sie für eine Karte zahlen, die sie nicht nutzen. Die Anbieter kassieren vorab eine Bearbeitungsgebühr von 50 Euro und fordern dann nochmals einen Betrag in gleicher Höhe für die Karte.
Einzig erforderlich ist eine Haftpflichtversicherung
Auch Versicherungsvertreter unterbreiteten zum Teil zweifelhafte Angebote. So habe ein Makler einem Familienvater eine Sterbegeldversicherung mit einer monatlichen Rate von etwa 25 Euro verkauft. Dieser unterschrieb den Vertrag im Glauben, „etwas Gutes für seine Kinder zu tun“. Die Versicherung hätte im Sterbefall aber erst zwei Jahre nach seinem Tod gezahlt, zudem wäre die Summe kaum höher gewesen, als das, was er über die Jahre eingezahlt hatte. „Die einzige Versicherung, die geflüchtete Menschen kurzfristig benötigen, ist eine Haftpflichtversicherung“, erklärt Lersch.
Bei der Verbraucherzentrale gelten Flüchtlinge ebenso wie beispielsweise auch ältere Menschen als „verletzliche Verbraucher“. Um sie zu schützen, arbeitet die Beratungsstelle mit Flüchtlingsorganisationen, Sozialarbeitern und ehrenamtlichen Helfern zusammen.
Beratung immer mit Dolmetscher
Bei Beratungsgesprächen an der Leineweberstraße stellt das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) zum Beispiel Dolmetscher, um Verständnisprobleme zu minimieren. Desweiteren geht die Verbraucherzentrale regelmäßig in Deutschkurse für Flüchtlinge und bietet Präventionsschulungen zum Umgang mit Handyverträgen, Mietverträgen oder Energiethemen an.