Mülheim. . Frühling, das ist die „Herzzeit“: Kerstin Rüdiger und Hartmut Traub haben Zeilen der Liebe aus dem Briefwechsel berühmter Paare ausgewählt.
- Der Frühling ist die Zeit der großen Gefühle, die Zeit der Liebesbriefe
- Kerstin Rüdiger und Hartmut Traub stellen die schönsten Zeilen aus den Briefen berühmter Paare vor
- Inspirationen aus Zeiten, in denen die romantischen Schriftstücke noch per Post kamen
Der Frühling ist die Zeit der großen Gefühle. Aus den Liebesbriefen berühmter Paare haben Kerstin Rüdiger und Hartmut Traub schon bei den „Herbstblättern“ im Medienhaus gelesen. Für diese Zeitung hat das Ehepaar bewegende Momente aus dem Briefwechsel zwischen der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und dem Lyriker Paul Celan sowie den russischen Literaten Sofia und Leo Tolstoi ausgewählt.
Paul Celan: Mohnblumen als Symbol der Liebe
Für Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist der Frühling – Mai und Juni 1948 – eine Zeit, die für ihr ganzes Leben wichtig war. Sie nennen diese Zeit ihrer großen Liebe die „Herzzeit“. Um diese intensive Liebesgeschichte herum ist eine große Zahl von Briefen und Gedichten entstanden. Diese Erfahrung aus dem Frühling, als sie sich in Wien begegneten, wurde für sie noch dadurch verstärkt, dass sie sich kurz nachdem sie so glücklich zusammen waren, trennen mussten. Paul Celan hatte nur eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung für Österreich.
Für Paul Celan ist die Mohnblume, mit ihrem intensiven Rot und ihren zarten Blättern, die Blume, die für die Liebe steht, die er in Gedichten beschreibt und die er in Massen Ingeborg Bachmann geschenkt hat. In seinem Gedicht „Mohn“ schreibt er: „Du mußt der Macht des heißen Mohns vertrauen, / der Stolz verschwendet, was der Sommer bot / und lebt, dass er am Bogen deiner Brauen / errät, ob deine Seele träumt in Rot.“
Die Liebe inspirierte den Schriftsteller
Ingeborg Bachmann verwendet dieses Bild in einem Antwortbrief an Paul Celan: „Du Lieber, […] deine Karte ist richtig angeflogen kommen, mitten in mein Herz, ja, es ist so, ich habe dich lieb, ich hab es nie gesagt damals. Den Mohn habe ich wieder gespürt, tief, ganz tief. Du hast so wunderbar gezaubert, ich kann es nie vergessen“.
Wie wichtig die „Herzzeit“ mit Ingeborg Bachmann für Paul Celan auch als Schriftsteller war, schreibt er ihr in einem Brief, kurz nach dem sie sich in Köln wiedersahen. Der Brief enthält das Gedicht, in dem von der Herzzeit die Rede ist. Im Brief heißt es: „Weißt Du, daß ich jetzt wieder sprechen und schreiben kann […] Durch dich Ingeborg, durch Dich. […] Ein Wort von Dir – und ich kann leben.“
Leo Tolstoi: Die Jugend seiner Braut reizte ihn
Die Liebesgeschichte von Sofia und Leo Tolstoi ist komplex und schwierig. Das liegt einerseits daran, dass sie fast 50 Jahre verheiratet waren und Höhen und Tiefen einer Beziehung und die einer großen Familie durchlebten. Anderseits spielte der Altersunterschied eine Rolle. Sofia war 18, als sie Tolstoi heiratete, und er hatte mit 34 Jahren schon ein bewegtes, ja ausschweifendes Leben hinter sich. Auch war er zu diesem Zeitpunkt schon ein erfolgreicher Schriftsteller. Die Erwartungen an die Beziehung waren sehr unterschiedlich.
Leo Tolstoi reizte und bezauberte die Jugend seiner Braut. Kurz bevor er ihr einen Heiratsantrag machte, schreibt er: „Ich bin verliebt, wie ich nie geglaubt hätte, dass man verliebt sein kann. Ich bin von Sinnen, ich erschieße mich, wenn das so weiter geht [...] Morgen gehe ich hin, sobald ich aufgestanden bin, und sage alles, oder ich erschieße mich.“ Auch Sofias Erwartungen zeigen Spuren einer romantischen Liebe. Sie wäre gerne mit Leo „irgendwo hingefahren, um dort eine Weile zu leben, wie Jungvermählte.“
Eine Beziehung, die zur Freundschaft wird
Daraus wurde aber nichts. Sie unterwirft sich sehr früh den Erwartungen ihres Mannes. Schon im Jahr ihrer Hochzeit vertraut sie ihrem Tagebuch an, „es ist schwer, denn ich denke seine Gedanken, blicke auf alles mit seinen Augen, bemühe mich, werde doch nicht wie er. Aber verliere mich selbst.“ Ihre Beziehung ist auf Dauer eher eine Beziehung der Freundschaft und des Respekts in der Zusammenarbeit bei Herausgabe von Tolstois Werken oder der vor allem von Sonja organisierten Haushaltsführung mit 13 Kindern und der Verwaltung eines Guts.
In den Briefen versichern sie sich stets ihrer gegenseitigen Liebe. Noch zum Ende ihrer Ehe schreibt Leo an Sofia: „Wie ich Dich von Jugend an liebte, so liebte ich Dich immerwährend, ungeachtet der verschiedenen Ursachen für die Abkühlungen meiner Gefühle, und liebe Dich noch“. Sofias letzter Brief endet mit den Worten: „Ich küsse Dich, mein alter Freund, der mich einst liebte. […] Meine Seele ist so sehr erfüllt von Liebe und Demut gegen Dich, dem Wunsch, es möge Dir wohl ergehen und Du mögest glücklich sein. […] Gott sei mit Dir, schone deine Gesundheit.“