Mülheim. . Neun Kinder und fünf Betreuer aus dem Raphaelhaus wollen im Sommer auf dem Jakobsweg wandern. Ihre Wallfahrt bereiten sie jetzt schon vor.

Ein freistehendes Haus auf der Kleiststraße, ein halbes Dutzend Jungs springt durch den Garten. Hier lebt eine Außenwohngruppe des Raphaelhauses: Kinder, für die kontrolliertes Austoben dringend geboten ist. Auch mit erlebnispädagogischen Angeboten sollen sie eingefangen und gestärkt werden, eine besondere Aktion steht in den Sommerferien an: Gemeinsam mit fünf Betreuern wollen sie pilgern. Ganz klassisch beschreiten sie den Jakobsweg.

„Die Idee, einmal den Jakobsweg zu gehen, ist uralt“, sagt Christian Weise, Leiter des Raphaelhauses, „aber nie umgesetzt worden.“ Nun sind die Flüge für insgesamt fünf Erwachsene und neun Kinder gebucht. Am 17. Juli jettet die Gruppe nach Santiago de Compostela, fährt dann mit dem Zug weiter nach Sarria, rund 110 Kilometer vom Wallfahrtsort entfernt. Denn mindestens 100 Kilometer müssen Pilger zu Fuß zurückgelegt haben, um die begehrte Urkunde (La Compostela) zu erlangen.

Sieben Jungen in der Außenwohngruppe

Mit diesem Ziel brechen die Mülheimer auf. Die Außenwohngruppe Heimaterde, zu der momentan sieben Jungs im Alter zwischen acht und 14 gehören, geht vollzählig mit. Zwei Mädchen aus anderen Wohngruppen gesellen sich dazu.

Sechs Tage sind für den Jakobsweg angesetzt, mit Etappen zwischen 15 und 20 Kilometern, für die alle Teilnehmer mit Wanderschuhen ausstaffiert werden und mit Rucksäcken, in denen jeder seine eigenen Getränke und Wechselsachen trägt. Unterkünfte wollen sie vorbuchen, Notfallzelte werden zwar auch mitgeführt, aber Sozialpädagoge Kevin Huch klingt zuversichtlich: „Generell sind die Jungs sehr lauffit.“

Unvorbereitet schickt man sie allerdings nicht auf die Reise. Eine Tageswanderung im Münsterland ist zuvor geplant, um die neuen Schuhe einzulaufen. Außerdem wollen sie den Film „Dein Weg“, der sich auf dem Jakobsweg abspielt, gemeinsam schauen, um die Kinder auch spirituell auf die Wallfahrt einzustimmen.

Messe in der Kathedrale von Santiago de Compostela

Wenn sie ihr Ziel erreicht haben, die Kathedrale von Santiago de Compostela, wollen sie dort eine Messe besuchen, „das Pilgerdasein feiern“, so Kevin Huch, und einmal übernachten. Für die zweite Ferienwoche haben sie ein Haus an der Atlantikküste gemietet, um sich am Strand von den Strapazen zu erholen. Allein die An- und Abreise dürfte bei einigen aus der Gruppe den Puls nach oben treiben, denn zum überwiegenden Teil sind die Kinder noch nie in ihrem Leben geflogen.

Finanziert wird die Pilgertour aus Eigenmitteln des Raphaelhauses, teilweise werden auch Spendengelder verwendet. Die Reise sei offen gewesen für alle ihre Kinder und Jugendlichen, erklärt der Einrichtungsleiter. „Jeder hätte mitfahren können. Aber den meisten ist es wohl zu anstrengend.“

>>>JUNGENGRUPPE LEBT IM EHEMALIGEN PFARRHAUS

Im ehemaligen katholischen Pfarrhaus an der Kleiststraße lebt eine sogenannte Jungen-intensivgruppe: Hier werden Acht- bis Zwölfjährige betreut, die ausgeprägte Verhaltensaufälligkeiten aufweisen und/oder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind. Beispielsweise Kinder, die an ADHS leiden oder etwas Traumatisches erlebt haben.

Um den Jungs zu helfen, achten die Betreuer besonders auf einen strukturierten Tagesablauf. Darüber hinaus gibt es verpflichtende Angebote wie Sport, Erlebnispädagogik, Verhaltenstraining oder Werken.