Ferdinand Schmalz konfrontiert in „Der Thermale Widerstand“ die Tradition mit Moderne in einem Kurbad. Es ist die dritte Festival-Teilnahme des humorvollen Österreichers

Als revolutionäres Subjekt lässt sich ein Kurgast kaum vorstellen, strebt er doch von Natur aus nach Ruhe und Entspannung. Und außerdem, zu gering sind die Widersprüche eines Bilderbuch-Kurgastes zum bestehenden System und zu gewaltig die materiellen Verluste, die durch die Umwälzungen der Verhältnisse entstünden, schon eher als Profiteur der Konterrevolution wäre er vorstellbar. Marx und Lenin würden wohl dringend abraten, so ist die Situation prädestiniert für Ferdinand Schmalz, der nach eigener Auskunft für sein Stück „Der thermale Widerstand“ gerade Ausschau nach der „unwiderständigsten Situation“ gehalten hat.

Hannes, der Bademeister, scheitert dann in dem Stück, in dem Schmalz virtuos Elemente aus Komödie, Krimi, Melodram und Ideendrama kombiniert, auch kläglich – stranguliert mit einem Badehandtuch. In seinem Spind hatte er eine Bibliothek der Kritiker des Neoliberalismus von Saskia Sassen bis Slavoj Zizek.

Der Autor

Schmalz ist ein Künstlername. Der 1985 in einem Dorf in der Steiermark geborene Sohn eines Arztes heißt eigentlich Matthias Schweiger. Der Künstlername ist für ihn die Brücke zu seinem Stil. „Ich habe eine sehr deftige Sprache, fette Metaphern liegen mir“, sagte er einmal im Interview. Am Essen die Probleme der Welt zu erklären, ist seine Leidenschaft, wie die Titel „Am Beispiel der Butter“ „Dosenfleisch“, mit denen er bereits zu den Stücken 2014 und 2016 eingeladen war, sowie „Der Herzerlfresser“ zeigen. Er liebt das Sprachspiel und Wortneuschöpfungen, häuft Assoziationen, Kalauer und Hexameter mit sinnlichem Behagen aufeinander. „Wie seine Landsleute Elfriede Jelinek und Werner Schwab kultiviert er eine manieristische Kunstsprache, aber seine Stücke sind zugänglicher, mit richtigen Figuren und einem Plot“, hieß es in der Badischen Zeitung. Es ist kein Zufall, dass bei „Dosenfleisch“ eine Schlagzeugerin den Beat angab. Musikalität und Rhythmus sind so wichtig, dass er sogar unterschiedlich lange Pausenzeichen in dem Text angibt. Sein Stil ist so eigenständig, dass er 2014 von Theater heute prompt zum Nachwuchsautor des Jahres gewählt wurde. Anfang des Jahres erhielt er dann den Förderpreis der komischen Literatur der Stiftung Brückner-Kühner und der Stadt Kassel. „Er schraubt so lange an der Sprache, bis sich ein ‘Neusinn’ herstellt, der Tief- und Unsinn gleichermaßen sein kann. Die Derbheit des Volkstheaters und die Feinheit der Poesie vermischt er in einer melodiösen Kunstsprache. Es gibt Spannung, Leid, Leidenschaft und immer ein politisches Anliegen“, heißt es in der Begründung. Der für ihn typische Sound ist gleich zu spüren, wenn Hannes über das Wesen der weißen Uniform räsoniert, die mehr als ein Kleidungsstück sei und man sich mit ihr Verantwortung überzieht.

Das Stück

Wellness hat Konjunktur und so wird das Thermalbad mit Sanierungsstau zum Konfliktort, wo Tradition und Moderne, Lust auf Faulheit und die Wiederherstellung der Arbeitskraft aufeinanderprallen. „Das Kurbad also nicht als Ort der Optimierung eines Körpers, eines unter Strom gehaltnen Mainstream-Körpers, sondern als Ort der ausgestellten Untätigkeit (...) eines ausgestellten Ungehorsams.“

Für Schmalz ist es auch eine Metapher für eine Gesellschaft, die es sich in einer Wohlfühlblase behaglich eingerichtet hat. Die habe längst Risse bekommen, aber wie reagiert man darauf auf politisch- rationale Weise? Roswitha, die Kurverwalterin hat einen Softdrink-Riesen an der Angel, um in die elitäre Luxusklasse der Wellnesstempel aufzusteigen – Luxusbaden für die absolute Kurelite. In seinem Verantwortungsgefühl durchkreuzt Hannes aber absichtslos diese Pläne. Die Apnoetaucherin Marie, die für den Konzern die Verhandlungen führt, aber minutenlang unter Wasser bleibt, hält er für eine Selbstmörderin und vereitelt mit seinem Rettungsversuch ihren Tauchrekord. Walter, unter Paradiesdepression leidend, soll den mit Badeverbot belegten Kollegen, der unter den Gästen agitiert, ausschalten. Schließlich flutet Roswitha selbst den Bau...

Die Inszenierung

Die Bühne erinnert eher an eine abgerockte Turnerfolterkammer als eine Badeanstalt. An blau-weißen Reckstangen blättert die Farbe ab. „Regisseurin Barbara Falter fügt ideenreich neckische Badegymnastik-Choreografien ein“, schreibt Franz Wille in Theater heute, der aber die Züricher Uraufführungsinszenierung nicht für gänzlich gelungen hält, besser immerhin als die Berliner. Anfang Mai folgt übrigens eine weitere in Graz. Für Falter (*1983) ist es die erste Inszenierung überhaupt. Seit 2013 arbeitet sie als Regieassistentin in Zürich unter anderem mit Barabara Frey, Herbert Fritsch und Sebastian Nübling. Die Untiefen auszuloten gelänge ihr nur begrenzt, dagegen plansche sie vergnügt im Seichten, heißt es.

Die Stärken

Zweifellos der Humor und die Leichtigkeit, mit der Schmalz seine Themen präsentiert, und seine Lust an der Sprache.

Die Schwächen

Alles verläuft sehr geradlinig. Es fehlt der Bruch, der Perspektivenwechsel, die andere Ebene. Für Elske Brault von Nachtkritik ist es zu gemütlich. „ Die Übertragung in die stets gut geheizte, geschützte Wellnesswelt bewirkt keine satirische Überhöhung, sondern eine lächerliche Verniedlichung der doch in Wahrheit drängenden Probleme.“

Festivalbarometer

Zur Spitze reichts nicht ganz. Das Herz des Publikums ist Schmalz aber sicher.

Promifaktor

Das Schauspielhaus Zürich hat generell ein hochkarätiges Ensemble. Von den sechs Schauspielern haben die meisten langjährige Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen. Lena Schwarz nannte Die Welt einmal eine der besten deutschen Schauspielerinnen, um die sich viele Häuser bemühten, sie aber ihr eigenes Ding in der Bochumer Rottstraße mache, während sie am Düsseldorfer und Bochumer Schauspielhaus als Gast arbeite. Das war 2008. Ebenfalls Ruhrgebietserfahrung hat Fritz Fenne, der fünf Jahre am Schauspiel Essen (bis 2010) engagiert war, ansonsten seine Stimme oft dem Radio und Hörbüchern leiht. Klaus Brömmelmeier war mal in der Regie von Michael Thalheimer ein preisgekrönter Hamlet und hat mit allerlei namhaften Regisseuren gearbeitet.

Tickets & Termine

Ringlokschuppen, Freitag, 26. Mai, 19.30 Uhr, Samstag, 27. Mai, 18 und 20.30 Uhr. Im Anschluss gibt es wie immer ein Publikumsgespräch. Die Plätze sind unnummeriert, Tickets bei der MST, Synagogenplatz, 24 Euro, erm. 14,40 Euro.