mülheim. . Eva Timm und Isabel Naendorf sind Lesepatinnen. Die Liebe zur Literatur verbindet Generationen. Und sie macht auch nicht vor Grundschülern halt.
- Eva Timm (90) und Isabel Naendorf (18) sind Lesepaten des Centrums für bürgerschaftliches Engagement
- Sie lesen regelmäßig in Grundschulklassen und Kitas Geschichten vor. Die Kinder sind jedes Mal begeistert
- Das Vorlesen hilft besonders Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund, ihren Wortschatz zu vergrößern
Gelesen hat sie schon immer viel. Schwarten wie Ken Folletts „Kinder der Freiheit“ zum Beispiel, die sie gerade erst ausgelesen hat. Und ihren Enkeln vorgelesen hat sie natürlich auch: Pixiebücher, Häschenschule, Grimms Märchen, was man so liest. Seit ein paar Monaten liest Eva Timm nun auch wieder vor. Die 90-Jährige geht jeden Dienstag mit ihrem Rollator für eine Stunde in die Kita Fiedelbär.
Ehrenamt ist für sie nichts Neues, 26 Jahre lang war sie Grüne Dame und zehn Jahre beim DRK. Sie nennt sich selbst einen „Kindernarren“. Die Begeisterung von ihrer neuen Tätigkeit ist ihr anzumerken. Wenn sie davon erzählt, wie sie ins Medienhaus geht und doch mit mehr Büchern rauskommt, als sie vorgehabt hat, weil die so gut sortiert sind und sie die Bücher selbst begeistern; wie die Kinder ihr zuwinken, wenn sie in die Kita kommen; wie sie sich um sie scharen, um die Bilder zu sehen und dass sie schwierige Wörter auslässt, weil diese die Migrantenkinder noch nicht verstehen können.
„Wann kommst du wieder?“
Sie liest immer für zwei kleine Gruppen mit drei, vier Kindern, aber ein kleiner türkischer Junge, der bleibe gleich die ganze Stunde dabei. „Wann kommst du wieder?“, fragen die Kinder ungeduldig, da sieht sie, es scheint ihnen zu gefallen. Wenn sie eine Geschichte zwei Mal liest und sie bei der Wiederholung variiert, dann protestieren die Kinder, weil die Geschichte doch ganz anders gehe. Die Kinder, mit denen sie manchmal mit Hilfe von Gummibärchen zählen übe, plappern auch ganz von alleine, berichten was sie selbst erleben.
Eva Timm ist eine von 50 Lesepaten des CBE und mit Sicherheit die älteste. Lesepaten vermittelt das CBE von Beginn an in seiner 15-jährigen Geschichte. Vorlesen ist aber nicht so einfach wie man es sich vorstellt. Kinder wollen gefesselt werden. „Dass Schlimmste, was man tun kann, ist den Text runterzuleiern“, warnt Timm und weiß, dass Tierbücher immer gut ankommen. Bilder seien wichtig.
Für jede Figur muss es eine andere Stimmfarbe sein
Die Aufmerksamkeitsspanne von kleinen Kindern ist nicht groß, Ablenkungsmöglichkeiten zahlreich vorhanden, so dass das CBE eine Schulung anbietet, damit das Engagement nicht in einer Enttäuschung mündet. Das CBE möchte auch Paten an die Kitas und Grundschulen vermitteln, die qualitative Mindestanforderungen erfüllen. Die Kinder lassen sich durch Fragen oder direkte Ansprache in das Geschehen einbeziehen, die Vorleser können mit Karten, Puppen oder anderen Hilfsmittel hantieren, um den Vortrag lebendiger zu gestalten, wie CBE-Chef Michael Schüring rät.
Und natürlich müsse man auch beim Lesen der Stimme bei unterschiedlichen Personen jeweils eine andere Färbung verleihen. Dass die Kinder zu erzählen beginnen, komme nicht von ungefähr. Man versuche ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und Sprachanlässe zu schaffen, damit sie die Sprache lernen.
Vorleseprobleme gibt’s auch im Leistungskurs Deutsch
„Durch das Vorlesen vergrößert sich auch der Wortschatz gerade von Kindern mit Migrationshintergrund“, betont Projektleiterin Anna-Maria Allegrezza, um nur einen von mehreren Nebeneffekten zu nennen. In einer Zeit, in der sich alle Generationen zunehmend mit elektronischen Medien beschäftigen, ist es ihr ein wichtiges Anliegen, Liebe zu den Büchern zu vermitteln.
Isabel Naendorf ist 18, Abiturientin an der Luisenschule und eine Vertreterin der digitalen Generation. Im Leistungskurs Deutsch habe sie mit Schrecken erlebt, dass einige ihrer Mitschüler mit dem Lesen ungewohnter Wörter (es handelte sich um Goethes Faust) Schwierigkeiten hatten. Das hat sie bewogen, sich als Lesepatin zu engagieren. Auch sie liest einmal wöchentlich, allerdings nachmittags an der Grundschule Trooststraße. Einige ihrer Mitschüler, so glaubt sie zumindest, würden dieses Engagement belächeln.
Literatur vermittelt Geborgenheit
Sie spricht von einer wuseligen Truppe, da könne es auch schon mal über Tische und Bänke gehen, so dass sie bestimmt und streng auftreten müsse, was sie zuvor nicht so eingeschätzt habe. Literatur vermittle ihr Geborgenheit, es sei ein schönes Gefühl in die Charaktere einzutauchen. Deshalb hält die 18-Jährige auch gerne einen Buchdeckel in den Händen, was auch zu einer entspannenden Leseatmosphäre beitrage.
Als Kind habe sie alles von Astrid Lindgren gemocht, Pippi vor allem, die so frei und enthemmt ihren Kindheitstraum lebt. Harry Potter war so spannend, dass sie es nicht mehr abwarten konnte, bis ihre Eltern ihr die nächsten Episoden vorlasen und so machte sie sich holpernd selbst an die Lektüre.