Mülheim. . Weil sich das Geschäft mit konventioneller Kraftwerkstechnik nicht erholt, stehen bei Siemens deutschlandweit noch mal 350 Jobs zur Disposition.

  • Nach ist das aktuellen Stellenabbau-Programm bei Siemens in Mülheim nicht abgeschlossen, da droht neues Unheil
  • Wegen der ausgebliebenen Belebung am Markt für konventionelle Kraftwerke sollen weitere 350 Stellen wegfallen
  • Wie viele davon am Standort Mülheim betroffen sein werden, müssen die Verhandlungen zeigen

Die Produktion für den Rekordauftrag aus Ägypten strebt dem Ende entgegen, am Siemens-Standort Mülheim wächst die Sorge um die Zukunft auf dem schrumpfenden Markt der konventionellen Kraftwerkstechnik. Noch ist das aktuelle Stellenabbau-Programm nicht abgearbeitet, da stehen weitere Verhandlungen zum Wegfall von deutschlandweit 350 Jobs im entsprechenden Geschäftsbereich des Technologiekonzerns an.

Ende Februar war die erste Frist abgelaufen, in der sich am Standort Mülheim 900 bis 1000 von der Personalleitung angesprochene Mitarbeiter entscheiden konnten, ob sie eines der Angebote zum freiwilligen Ausscheiden annehmen wollen. Bis Ende 2020 soll die Belegschaft auf diese Weise bekanntlich um 348 Menschen schrumpfen.

Sprecher: Offizieller Abschluss erst Ende September

Ein Konzernsprecher gab sich zuletzt zurückhaltend mit einer Zwischenbilanz. Das mache derzeit noch keinen Sinn. Der 28. Februar sei „erst der erste von drei, vier Schritten“ gewesen. Am 30. September sei der offizielle Abschluss des Verfahrens, das den Mitarbeitern etwa Angebote zur Altersteilzeit, zu Aufhebungsverträgen oder zum Wechsel in eine Transfergesellschaft macht. Und doch hat der 28. Februar Bedeutung: Wer bis zu diesem Termin seinen Abschied von Siemens ausgehandelt hatte, konnte noch in den Genuss einer Turboprämie kommen.

Die angepeilten 348 Mitarbeiter fanden sich dafür bislang nicht, laut Betriebsrat Pietro Bazzoli ist aber „der überwiegende Teil geschafft, das hätte ich im Vorfeld nicht gedacht“. Die weitaus meisten der freiwillig ausscheidenden Kollegen hätten sich für einen Aufhebungsvertrag entschieden.

Nach Ägypten keine Besserung bei Aufträgen in Sicht

Noch läuft dieses Stellenabbau-Programm, da stehen Verhandlungen an über deutschlandweit weitere 350 Stellen, die im Siemens-Bereich der Kraftwerkstechnik wegfallen sollen. Das war schon zum Interessenausgleich im September 2015 verhandelt worden für den Fall, dass sich das Geschäft nach Abwicklung des für Siemens bislang einzigartigen Ägypten-Auftrags nicht bessert – und die Besserung ist laut Bazzoli ausgeblieben. Im Juni wird die letzte Turbine aus dem Mülheimer Werk nach Ägypten verschifft, in den anstehenden Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite wird laut Betriebsrat nun die Frage zu klären sein, wie viele der 350 Stellen in Mülheim abgebaut werden. Die Belegschaft ist am Montag bei einer Betriebsversammlung informiert worden.

„Wir stecken in einer Falle“, sagt Bazzoli: „Unser Werk wird immer produktiver, gleichzeitig aber gibt der Weltmarkt immer weniger Aufträge her. Das ist ein Teufelskreis.“ Für den Mülheimer Standort sind das keine guten Aussichten. „Entweder wir steigern unsere Qualität – wir entwickeln ja zurzeit eine neue Gasturbine – und bieten mehr Service, um Marktanteile zu gewinnen“, sagt Bazzoli. „Oder wir bieten alternative Produkte an.“

Betriebsrat fordert alternative Konzepte für die Zukunft

Eine „Kompensation“ für den Aderlass am Standort wird es in naher Zukunft ja durchaus geben, wenn aus Essen das komplette Service-Werk für Generatoren und Turbinen mit rund 450 Beschäftigten zur Rheinstraße umzieht. Mülheimer Jobs rettet das zwar nicht, es stärkt aber den Standort und damit laut Bazzoli die verbleibenden Einheiten und Arbeitsplätze. Im Sommer sollen am Hafen die Bauarbeiten für eine neue Betriebshalle der dann zentralen Service-Einheit NRW beginnen, 2018 soll der Betrieb aufgenommen werden.

Die Sorgen um die Zukunft des Standortes lässt das nicht verschwinden, der konventionelle Kraftwerksbau ist weltweit enorm unter Druck. Bazzoli fordert ein starkes „Wir“ von Management, Belegschaft und der Politik, um Wege zu ebnen, die aus dem „Teufelskreis“ herausführen. Ein Runder Tisch sei nötig, um Alternativszenarien zu entwickeln und sich gemeinschaftlich dem Strukturwandel zu stellen. Von den Konzernlenkern fordert Bazzoli, „von der Marge was zu nehmen, um Freiräume zu schaffen für neue Geschäftsmodelle, Innovationen und vielleicht alternative Produkte“.