Mülheim. . August Thyssen baute vor 125 Jahren den Styrumer Wasserturm. Nach der Stilllegung kommen der Denkmalschutz – und eine Ausstellung.
- Als August Thyssen 1892 den Grundstein für einen Wasserturm in Styrum einmauert, ahnt er nicht, was im Jahr 2017 sein wird
- Aktuell feiert Mülheims Industriedenkmal 25. Jubiläum als Wassermuseum, dabei schien ein Abriss einst nah zu sein
- „Heute wäre so ein teures Projekt im Unternehmen wohl nicht mehr durchsetzbar“, heißt es bei der RWW
Als August Thyssen 1892 den Grundstein für einen Wasserturm in Styrum einmauert, ahnt er nicht, dass der rote Ziegelzylinder als Industriedenkmal erhalten bleiben und weiterleben wird. Zum 100. Geburtstag wechselt er vom Wasserspeicher zum Wassermuseum mit einer interaktiven Erlebniswelt. Bei seiner Eröffnung im April 1992 zählt der Aquarius zu den modernsten Museum der Welt.
Seit 125 Jahren ist der Wasserturm ein Blickfang im Styrumer Süden. Er entsteht, weil das städtische Wasserwerk August Thyssen für sein Eisenwerk kein Wasser zur Verfügung stellen, nicht abhängig von einem Großabnehmer sein will. Darum lässt der Industriebaron an der Ruhr sein eigenes Wasserwerk bauen. Die Aktiengesellschaft Oberhausener Wasserwerk (AOW) fürchtet, das neue Werk könnte ihm mit seinen Brunnen im wahrsten Wortsinn das Wasser abgraben, weil es nur wenige hundert Meter ruhr-aufwärts entstehen soll.
Protest des Nachbarwasserwerks hält Thyssen nicht auf
Der Protest des Nachbarwasserwerks, das vorwiegend die Stadt Oberhausen beliefert, hält ihn nicht auf. Thyssen antwortet: Er könne „erforderlichenfalls die Stadt Oberhausen und die staatliche Eisenbahn jederzeit mit der gewünschten Menge Wasser versorgen.“
Das Regierungspräsidium schließt sich der Auffassung Thyssens an. Er erhält jedoch die Auflage, das meiste Wasser aus der Ruhr zu nehmen. Er muss es nach Gebrauch oberhalb seines Wasserwerkes wieder dem Fluss zurückgeben – aber höchstens 50 Grad Celsius heiß. 1897 fallen in Styrum und Umgebung zahlreiche Brunnen trocken. Die Verkettung der Ereignisse ist unverkennbar.
Der eiserne Speicherbehälter fasst 500 000 Liter Trinkwasser
„Weil die Dampfmaschinen damals zu wenig Druck für den Wassertransport durch dicke Leitungen erzeugen können, entsteht neben dem Styrumer Schloss der Wasserturm“, hat Andreas Macat, Leiter des Aquarius Wassermuseums, in Bauprotokollen gefunden. Der eiserne Speicherbehälter unter dem spitzen Turmdach fasst 500 000 Liter Trinkwasser. Mit Pumpen wird es in den Behälter gehoben.
Der Eisen- und Stahlproduzent August Thyssen wird so auch zum Wasserlieferanten für die benachbarten Hüttenwerke und die Styrumer. Er baut eine 15 Kilometer lange Transportleitung nach Bottrop, schließt seine Thyssen-Zechen in Gladbeck und die Gewerkschaft Deutscher Kaiser bei Hamborn an sein Wasserversorgungsnetz an.
Fünf Millionen Kubikmeter liefert das Thyssensche Wasserwerk jährlich
Der Styrumer Wasserturm ist vorrangig ein Brauchwasserspeicher für die Industrie. Die kleinen Mengen für umliegende Haushalte fallen kaum auf. Fünf Millionen Kubikmeter liefert das Thyssensche Wasserwerk jährlich an Zechen und Hüttenwerke – für den Industriellen eine weitere Einnahmenquelle.
Als sich 1912 die RWW (Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft) gründet, gehören dazu das Mülheimer Wasserwerk an der Dohne, das Oberhausener und das Thyssen-Wasserwerk in Styrum. Die RWW erbt ebenfalls den Wasserturm und liefert weiter Betriebswasser an Thyssen, später Mannesmann. Die Großrohrproduzenten bleiben sichere Wasserabnehmer.
1964 zeigt der Turm Altersschwächen und braucht eine Stütze
1964 zeigt der Turm Altersschwächen und braucht eine Stütze. Er erhält eine 19,5 Meter hohe Betonmanschette, weil die Ziegel und der Wasserbehälter drohen, auseinanderzubrechen. Dieser helle Ring gibt dem Turm ein neues Erscheinungsbild.
Unter dem Wasserspeicher existiert bis 1967 im Turm auch eine Wohnung. Als die letzten Bewohner aus ihrer treppenreichen und fast eckenlosen Wohnung ausziehen, wird es still um den Styrumer Wasserturm. 1982 hat er ausgedient, die RWW legt den Wasserspeicher still. „Damals erfolgt die Umstellung der Pumpen von Dampf- auf den leistungsstärkeren Elektrobetrieb“, beschreibt Andreas Macat. „Der Wasserspeicher war überflüssig.“
RWW will den Turm verkaufen – für eine Deutsche Mark
Viele Wassertürme fallen in dieser Zeit. Auch die RWW will sich vom Styrumer Wasserturm trennen. Die Betonmanschette zeigt Risse. Stücke brechen heraus und fallen in umliegende Gärten. Der Turm bekommt ein Fanggitter. Die RWW möchte ihn sogar verkaufen – für eine Deutsche Mark.
Mit dem Wechsel an der Spitze der RWW – von Heinrich Risse zu Gerd Müller – beginnt ein Umdenken. „Es waren die Anfänge, als Industriebauten plötzlich als wichtige und erhaltenswerte Zeitzeugen eingestuft wurden“, erklärt Andreas Macat und führt als Motor Karl Ganser an. Für die Stadt entwickelt Müller mit politischen Strategen die Idee zur Landesgartenschau. Aus dreckigen Industriebrachen sollen blühende Parks entstehen sowie ein Fuß- und Radweg von Saarn (Kloster) nach Styrum (Schloss). Dazu setzt das RWW seinen Glanzpunkt mit Aquarius Wassermuseum.
Sanierung des Wasserturms kostet einige Millionen
Die Sanierung des Wasserturms kostet einige Millionen Deutsche Mark. Die multimediale Ausstattung des Wassermuseums kommt hinzu. „Heute wäre so ein teures Projekt im Unternehmen wohl nicht mehr durchsetzbar“, resümieren Andreas Macat und Ramon Steggink, Leiter der Kommunikation bei der RWW..
Die Münchener Firma „Interaktion“ inszeniert vor 25 Jahren den „Weg des Wassers“ über 14 Etagen. Die Besucher können selbst eingreifen und ausprobieren, wie stark beispielsweise Regenfluten sind, erfahren, welche Folgen Trockenheit hat oder warum Menschen wann Durst haben. Kinder wollen oft gar nicht mehr mit dem Forschen aufhören.
>> 35.000 Besucher kommen jährlich
Vor seiner Eröffnung steht der Aquarius mit dem Haus der Geschichte in Bonn bei einem Wettbewerb in Paris auf einer Stufe. Für „das videounterstützte Kommunikationskonzept“ und für „die beste interaktive Lösung“ oder als „beste multimediale Erlebniswelt“ erhält das Wassermuseum renommierte Preise. Wie mit dem wegweisenden Flockungs- und Ozon-Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung Mitte der 1970er Jahre übernimmt die RWW auch mit dem Aquarius eine Pionierrolle.
Darum eröffnet Gerd Müller eine Woche vor dem Start der Landesgartenschau 1992 sein Wassermuseum – was den Müga-Machern gar nicht passt. Ein bisschen August Thyssen wirkt da mit.
Nach mehreren Modernisierungen und Updates kommen pro Jahr immer noch rund 35 000 Besucher, um vor allem spielerisch über Wasserreinhaltung zu lernen. Am Sonntag, 2. April, steigt ab 13 Uhr die Party zum 25. Aquarius-Geburtstag bei freiem Eintritt.