Was sollte man bei der Suche nach einem ambulanten Pflegedienst beachten? Ein Gespräch mit der Pflegefachkraft Saskia Kühle, Teamleiterin beim Sozialamt für den Bereich Pflege zuständig ist
Was tun, wenn ein Angehöriger oder man selbst Pflege daheim benötigt? Aktuell betrifft das in Mülheim 1300 Menschen. Weitere 1800 Mülheimer müssen stationär gepflegt werden. Tendenz steigend. Denn schon heute ist ein Drittel der Mülheimer 60 Jahre und älter. Im Gespräch mit der Lokalredaktion gibt die Gesundheits- und Sozialökonomin, Saskia Kühle, die als Teamleiterin beim Sozialamt für den Bereich Pflege zuständig ist, praktische Hinweise für Menschen, die auf der Suche nach einer für sie geeigneten ambulanten Pflege sind.
Wie viele ambulante Pflegedienste gibt es und wie finde ich den richtigen?
Aktuell haben wir in Mülheim 30 ambulante Pflegedienste. Mit einem Blick ins Internet kann man sich eine erste Übersicht verschaffen. Einfach „Mülheim;ambulante;Pflegedienste“ bei google eingeben und schon wird man auf zahlreiche Adressen stoßen. Außerdem bieten die AOK, der Sozialverband VDK und die Verbraucherzentrale NRW auf ihren Internetseiten Checklisten, die bei der Auswahl des passenden Pflegedienstes helfen. Eine persönliche und neutrale Beratung bieten die kommunalen Pflegestützpunkte.
Gibt es denn konkrete Auswahlkriterien?
Weil jeder Pflegefall sehr individuell ist, muss man erst mal für sich selbst klären, was man von einem Pflegedienst erwartet. Soll er wohnortnah sein und das persönliche Umfeld gut kennen? Legt man Wert auf eine kontinuierliche Bezugspflege oder kommt man auch mit wechselnden Pflegekräften zurecht? Was soll die Pflege kosten? In welchem Rhythmus, in welchem Umfang und zu welchen Tageszeiten soll gepflegt werden?
Was macht einen guten Pflegedienst aus?
Neben Pflegehelfern muss ein ambulanter Pflegedienst examinierte Alten- und Krankenpflegekräfte haben. Einfache Pflegeleistungen, wie etwa Augentropfen, Blutdruck- und Blutzuckermessungen oder die Gabe von Medikamenten können problemlos von Pflegehelfern bewältigt werden. Wenn es aber um das Zusammenstellen von Medikamenten, das Wechseln von Verbänden, Infusionen, Katheterisierung, Stomaversorgung oder die Überwachung von Patienten geht, die beatmet werden müssen, darf diese Pflege nur von examinierten Pflegefachkräften geleistet werden. Aus Sicht der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist es entscheidend, dass sie für alle ihre Fragen einen kompetenten Ansprechpartner haben und dass die Zusammenarbeit mit dem behandelnden Hausarzt reibungslos funktioniert.
Was kann man machen, wenn es mit dem ambulanten Pflegedienst nicht klappt?
Man sollte mit dem ambulanten Pflegedienst seiner Wahl immer eine kurze Kündigungsfrist von maximal einer Woche vereinbaren, damit man im Notfall schnell zu einem anderen Pflegedienst wechseln kann. Bei gravierenden Pflegemängeln, die auch im Dialog mit dem Pflegedienst nicht behoben werden können, können Betroffene den Medizinischen Dienst der Pflegekassen anfordern, der danneine seiner Pflegefachkräfte zur Begutachtung raus schickt.
Was kostet die ambulante Pflege?
Das hängt natürlich vom Umfang der ambulanten Pflege ab. Durchschnittlich berechnen ambulante Pflegedienste 25 Euro pro Arbeitsstunde.
Wer soll das bezahlen?
Man sollte bei seiner Kranken,- bzw. Pflegekasse einen Pflegegrad beantragen. Dann schickt der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine seiner Pflegefachkräfte raus, um vor Ort die Pflegebedürftigkeit zu überprüfen. Wichtig ist, dass man bei diesem Gespräch alle Arztberichte und alle Medikamente des Pflegebedürftigen parat hat. Abhängig vom Pflegegrad, kann man das Pflegegeld oder Pflegesachleistungen oder eine Kombination aus beidem beantragen.
Was ist der Unterschied zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen?
Das niedriger veranschlagte Pflegegeld bekommen Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen. Die höher veranschlagte Pflegesachleistung wird direkt an den jeweils beauftragten Pflegedienst gezahlt?
Von welchen Beträgen sprechen wir hier?
Beim Pflegegrad 1 wird nur ein Pflegegeld von monatlich 125 Euro gezahlt. Beim Pflegegrad 2 können monatlich 316 Euro Pflegegeld oder Pflegesachleistungen in Höhe von 689 Euro in Anspruch genommen werden. Beim Pflegegrad 3 sind das ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 545 Euro oder Pflegesachleistungen in einer monatlichen Höhe von 1298 Euro. Wird der Pflegegrad 4 erreicht, können monatlich 728 Euro Pflegegeld oder Pflegesachleistungen in Höhe von 1775 Euro in Anspruch genommen werden. Und im höchsten Pflegegrad 5 beträgt das monatliche Pflegegeld 901 Euro und die entsprechenden Pflegesachleistungen 1995 Euro.
Was kann man machen, wenn dieses Geld nicht ausreicht, um den tatsächlichen Pflegebedarf abzudecken und die eigenen Einkünfte für eine private Pflegefinanzierung zu gering sind?
Dann kann man eine Hilfe zur Pflege beantragen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das monatliche Netto-Einkommen den doppelten Sozialhilfesatz von monatlich 818 Euro. nicht überschreitet. Bei dieser Summe werden auch Miete oder Kosten für Hausrats,- Haftpflicht- und Sterbeversicherung berücksichtigt. Wer Hilfe zur Pflege beantragt, muss auch seine Vermögensverhältnisse offenlegen. Für Sparguthaben gilt eine Schutzgrenze von 2600 Euro. Eine Sterbeversicherung ist bis zu 2500 Euro und eine Bestattungsvorsorge bis 5000 Euro geschützt.
Welche Hilfe gibt es für pflegende Angehörige, die urlaubs- oder krankheitsbedingt ausfallen?
In diesem Fall kann man bei der Pflegekasse jährlich 1612 Euro für eine Verhinderungspflege durch einen ambulanten Pflegedienst oder eine stationäre Pflegeeinrichtung beantragen.
>>> Beratung und Unterstützung
Fachlich kompetente und neutrale Beratung in Pflegefragen, bieten die kommunalen Pflegestützpunkte an der Bülowstraße 104 und bei der AOK an der Friedrich-Ebert-Straße 65
Weitere Auskünfte bekommen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unter der städtischen Rufnummer 455 3515