mülheim. . Die Industriekonferenz beschließt ein 33 Punkte umfassendes Paket zur Stärkung des produzierenden Gewerbes. Innovationen sollen gestärkt werden.
- In drei Arbeitsgruppen sind Vorschläge zur Stärkung des Standortes erarbeitet worden
- Die Vernetzung von Hochschule und Wirtschaft sowie der Breitbandausbau sind zentrale Themen
- Die Verlagerung des Vallourec-Ausbildungszentrums zu verhindern, ist ganz aktuell
Für Ulrich Scholten „ist es ein guter Tag für den Industriestandort Mülheim“. Der Oberbürgermeister kommt am Donnerstag gerade aus dem Ratssaal, wo er am Vormittag mit 37 Teilnehmern die Industriekonferenz abgehalten hat. Die Probleme ,vor allem in der Stahlbranche, hatte vor knapp einem Jahr Stadtspitze, Unternehmerverband, IG Metall und Wirtschaftsförderung alarmiert und viele Akteure an einen Tisch gerufen, um Wege aus der Krise aufzuzeigen. Seitdem haben drei Arbeitskreise zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten gearbeitet und nun die Ergebnisse der Stärkungsinitiative, ein 33 Punkte umfassendes Programm mit klar zugeordneten Projektverantwortlichen, Zielen und Terminen, vorgestellt.
Der Bau der Styrumer Tangente ist sehr wichtig
Hohe Priorität hat der Bau der Styrumer Tangente, denn erst durch diese Straße können auf dem Mannesmann-Areal größere Gewerbeflächen erschlossen werden. Doch bis es soweit ist, werden die 20er-Jahre schon begonnen haben. Das klingt ernüchternd. Mit den Vorbereitungen müsse aber eben schon jetzt begonnen werden. Neben dem Flughafen ist dies das größte zu erschließende Flächenpotenzial. Die letzte freie Fläche hat die Wirtschaftsförderung gerade erst vermarktet.
Und bei gut 160 Anfragen im Jahr mit leeren Händen dazustehen, ist bitter. „Wir haben zehn Flächen mit einer unzureichenden Nutzung identifiziert. Mit den Eigentümern werden wir in diesem Jahr Gespräche führen und gemeinsam überlegen, ob die Qualität gesteigert werden kann“, kündigt Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier an.
Es gibt viele kleine Hebel, um den Standort zu fördern
Die Situation scheint derzeit weniger dramatisch als noch vor einem Jahr, den Beteiligten ist aber auch bewusst, dass viele Entscheidung überörtlich getroffen werden, die Unternehmen mit den Auswirkungen der Globalisierung zu kämpfen haben und die Weichen in Konzernzentralen gestellt werden. „Deshalb die Hände in den Schoß zu legen, wäre der falsche Weg“, betont Hanns-Peter Windfeder, Vorsitzender des Unternehmerverbandes.
In der Diskussion sei klar geworden, dass es den einen Hebel zur Förderung des Industriestandortes nicht gebe, aber viele kleine. „Da muss man oft ins Detail gehen. Das macht Mühe, das mit viel Akribie und Einsatz zu verfolgen und daran hapert es dann oft“, so Windfeder. Die Anstrengung lohne sich aber.
Die IG Metall freut sich über das Bekenntnis
Das Bekenntnis der Stadt zur Industrie, anstatt wie viele andere auf Dienstleistungen zu setzten, erfreut den IG-Metall-Chef Volker Becker-Nühlen, der darin auch ein wichtiges Signal an die Belegschaft sieht. Es soll aber auch keine industrielle Nutzung im traditionellen Sinne sein.
Wissensbasierter Industriestandort lautet das schon häufiger formulierte Ziel, was die Stärkung von zwei Bereichen bedeutet: die systematische Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, wobei der Aufbau eines Innovationszentrums an der Hochschule Ruhr West vordringlich erscheint, und der forcierte Breitbandausbau, damit unzureichende Internetverbindungen nicht zum Stadortnachteil werden.
Industriekonferenz kämpft ums Ausbildungszentrum
Innovation erfordert auch die Stärkung der Aus- und Weiterbildung, so dass Projekte vom U 25-Haus bis zur Hochschule angeschoben werden sollen. Im Fokus steht aber ein aktuelles Problem: die drohende Verlagerung des Vallourec-Ausbildungszentrums mit rund 200 Lehrlingen nach Düsseldorf. Gespräche sind bereits geführt worden. Wenn es nicht gehalten werden kann, dann sollen zumindest die Nachteile für den Ausbildungsmarkt abgefedert werden.
Der Verlust dieses Ausbildungszentrums wäre für die Stadt ganz klar ein Standortnachteil, weil die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung sich beruflich in einer anderen Region orientieren. „Es in der Stadt halten zu wollen ist kein Kirchturmsdenken“, betont Scholten, der zuversichtlich ist, dass bald eine Lösung getroffen wird.
Die Beziehung zwischen Verwaltung und Wirtschaft ist ein weiteres Thema der Stärkungsinitiative. „Es ist aber nicht so, dass wir hier den Karren aus dem Dreck ziehen müssen, wir bewegen uns auf einem hohen Niveau“, versichert Windfeder. Besser gehe es aber immer.
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Rund 70 Unternehmen sind in der Stadt im produzierenden Gewerbe tätig. Rund 17880 Beschäftigte sind dort laut Stärkungsinitiative tätig. Das ist etwa ein Drittel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Zu den Unternehmen zählen unter anderem Gerstel, Gothe, Menerga, Schauenburg, Turck und Siebtechnik. Mit 1555 Millionen Euro erwirtschaftet das produzierende Gewerbe fast ein Drittel der Bruttowertschöpfung am Wirtschaftsstandort Mülheim.
Durch weltweite Überkapazitäten in der Stahlbranche, Konkurrenz aus den Schwellenländern und die Energiewende steht die Wirtschaft unter einem großen Anpassungsdruck, die Arbeitskräfteabbau und Strukturveränderungen zur Folge haben. Die Industriekonferenz ist der festen Überzeugung, dass Mülheim eine Zukunft als prosperierender Industriestandort hat. „Dafür spricht der starke gesellschaftliche Zusammenhalt, der auch in der Initiative zum Ausdruck kommt.“