Mülheim. Belastungen und Anforderungen an Schulen sind deutlich gestiegen. Gesamtschulen fordern zumindest eine Lehrerausstattung nach einem Sozialindex.

  • Für die Gesamtschulen reichen die personellen Ressourcen bei weitem nicht mehr aus
  • Wenn sich nichts ändert, sehen die Schulen die Inklusion auf der Kippe
  • Gefordert wird, dass die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigt wird

Ändert sich nichts, steht die Inklusion von Schülern vor dem Kippen. Ändert sich nichts, wird die Belastung des Lehrpersonals weiter zunehmen, das Ziel, jedes Kind optimal zu fördern, nicht erfüllt werden können. Die Gesamtschulen sehen sich am Limit. „Die personellen Ressourcen reichen bei weitem nicht mehr aus, um alle Aufgaben, Erwartungen und Anforderungen zu erfüllen“, sagt die Schulleiterin der Willy-Brandt-Schule, Ingrid Lürig. Rund 350 Vertreter von Gesamtschulen aus dem ganzen Land trafen sich am Mittwoch in der Schule in Styrum.

Die Gesamtschule in Styrum, einem sozial benachteiligten Stadtteil, steht stellvertretend für viele. 1007 Kinder und Jugendliche werden unterrichtet, 440 von ihnen haben einen Migrationshintergrund, 180 stammen aus einer Familie, die Hartz IV bezieht. Die Zahl der Flüchtlingskinder, die als Seiteneinsteiger erst einmal die deutsche Sprache lernen müssen, steigt wie die der Kinder mit Behinderungen.

Jedem Kind gerecht werden

Über allem steht das Ziel, jedem Kind gerecht zu werden. Bei allem Engagement, die Zweifel wachsen, dass dies unter den Bedingungen noch gelingen kann.„Wir bräuchten dringend eine personelle Ausstattung, die auch den Sozialindex an der jeweiligen Schule berücksichtigt“, betont Ingrid Lürig. Eine Gesamtschule in Styrum sei etwas anderes als ein Gymnasium in Bonn, sagt Behrend Heeren, Landesvorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule.

Klassengrößen mit 30 bis 32 Kindern gelten immer noch als normal. Dort, wo behinderte Kinder mit unterrichtet werden, sinkt die Klassengröße geringfügig auf 26. Längst nicht immer sei ein Förderlehrer mit im Unterricht, meistens seien die Lehrkräfte auf sich alleine gestellt.

Zwei Sozialarbeiter für 1007 Schüler

Es fehlt an vielem: Für 1007 Schüler stehen der Schule künftig zwei Sozialarbeiter zur Seite. Man freut sich und weiß zugleich, was die Quote von 1 zu 500 bedeutet. „Wir bräuchten auch mehr Schulpädagogen, mehr Integrationshelfer. Es fehlt an vielen Stellen. Heeren nennt gerne Beispiele aus Schulen in Schweden – eine andere Welt. Auch wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auflistet, was das Land an Geld und Stellen in die Schullandschaft zuletzt gepumpt hat, vor Ort kommt das Signal an: Es wird an allen Ecken und Enden gespart. Das Hemd ist einfach viel zu kurz.

116 Schüler nimmt die Gesamtschule in Styrum zum neuen Schuljahr wieder auf, jeder Zweite hat in der Vergangenheit das Abitur gemeistert. Ein stolzer Wert. Ingrid Lürig ist überzeugt, dass er unter besseren Bedingungen steigerungsfähig ist. 70 Prozent der Kinder, die keine Empfehlung für ein Gymnasium nach der Grundschule hatten, haben das Abitur an einer Gesamtschule gemacht.

Dass jetzt auch noch die Gemeindeprüfungsanstalt Sparpotenziale bei der personellen Ausstattung von Schulsekretariaten sieht, macht manche an den Schulen sprachlos. Eher sei dringend notwendig, dass Lehrer von klassischen Verwaltungsaufgaben entlastet würden. Eine alte Forderung, die unerfüllt blieb. Oder, fragt Heeren: „Muss ein Oberstudienrat für Chemie auch noch die Reagenzgläser nach Schulschluss spülen?“

>>> Diskussion über mehr Gesamtschule

An den drei Gesamtschulen wurden in diesem Jahr 527 von 1304 Kindern, die die Grundschule im Sommer verlassen, angemeldet. Erneut können nicht alle diese Schulform besuchen. Sowohl die Willy-Brandt-Schule als auch die Gustav-Heinemann-Schule müssen viele Kinder aus Kapazitätsgründen ablehnen.

Mehr Gesamtschule ist nach der letzten Ratssitzung im Gespräch, möglicherweise als Dependance an der Bruchstraße. Heeren hält die Erweiterung des Angebotes durch eine vierte Schule für sinnvoll, sieht in einer Dependance jedoch keine gute Lösung. Die Schulverwaltung soll Möglichkeiten prüfen.