Mülheim. . Christian Lindner machte Wahlkampf-Stopp am Wasserbahnhof und wirbt für bessere Schulen im Land. Ideen, wie es bezahlt werden soll, hat er.

Ob das noch die ,gute alte’ Partei der Lobbyisten und Besserverdiener ist, wird sich mancher Gast am Mittwoch im Franky’s Wasserbahnhof wohl gefragt haben. „Warum hat die FDP den Online-Versandhandel begrüßt“, wundert sich eine Mülheimer Apothekerin, die seitdem über Einnahmeverluste klagt. FDP-Landeschef und -Bundesvorsitzender Christian Lindner muss jetzt wagen, was Politiker im Wahlkampf schwach aussehen lässt: differenzieren.

Kein Verbot für den Online-Handel, „die Menschen sollen entscheiden, wo sie Medikamente bestellen“, meint Lindner. Aber auch die Einnahmen von Unternehmern will er sichern – und deren Wohlwollen zur Partei. Deshalb gibt’s als Balsam auch den Vorschlag einer inländischen Preisbindung gegen die Rabatte von Apotheken aus dem Ausland.

Lindners Auftritt „unplugged“ verspricht nicht ohne Grund politische Rohkost ohne Traraa und ganz nah beim Publikum. Ein Terrain auf dem sich der FDP-Chef sichtbar wohlfühlt und dabei markig manövriert zwischen liberalen, sozialen und rechtspopulistischen Themen. Das kommt auch bei den gut 70 Gästen an. So bekommt der „Wunderheiler Martin“, der die SPD wieder zum Leben erweckt habe, fürs Rückrudern bei Hartz IV eins ab: „Schulz will so sein wie die Franzosen“, nur hätte Frankreich unter Francois Hollande eben massiv abgewirtschaftet, warnt der Bundesvorsitzende.

Humanitärer Schutz soll nur auf Zeit gewährt werden

Die Kanzlerin bekommt einen Watschen für ihre Flüchtlingspolitik „zu Lasten der Kommunen“. Der Einfluss von AfD und Rechtspopulisten ist allerdings auch bei der FDP zu spüren: Eine 15 000 Mann starke Grenzpolizei soll die EU-Grenzen sichern, die „Kontrolle über die Zuwanderung“ müsse „zurückgewonnen“ werden, humanitärer Schutz soll nur auf Zeit gewährt werden. Und auch nach Afghanistan will Lindner Flüchtlinge abschieben, in Gebiete, die befriedet sind.

Was aber hilft gegen die Schere von Arm und Reich, gegen Bildungsungleichheiten? Mehr Lehrer, höhere Schulpauschalen. Das Geld für diesen Umbau will Lindner sich durchaus von Kapitalanlegern holen, etwa mit einer gleichen Besteuerung von Arbeit und Vermögen. Und von global operierenden Unternehmen: „Das Gerechtigkeitsproblem sind nicht der Mittelstand und große Unternehmen, es sind Apple, Google und Facebook.“