mülheim. . Mit „Clowns im Sturm“ setzt das Theater an der Ruhr sein Erfolgsstück Clowns 2½ fort und beleuchtet darin die Alltagsängste in unruhigen Zeiten.
- Dreieinhalb Jahre nach Clowns 2½ findet das Erfolgsstück mit „Clowns im Sturm“ eine Fortsetzung
- Thema ist der Einfluss der Politik in der arabischen Welt und deren Wirkungen auf den Westen
- Das Stück nimmt die alltäglichen Ängste auf und ist eine Hommage an die großen Clowns vergangener Tage
Eigentlich ist im Altenheim, in dem die Clowns vom Raffelberg leben, alles so wie immer. Die Bewohner, die vor dreieinhalb Jahren erstmals von sich reden machten, werfen sich wie eh und je in Schale und haben im Frühstücksraum mit markanter Geste ihren großen Auftritt, ehe sie sich in ritualisierten Konflikten ihren Mitbewohnern zuwenden, ihnen deren Sitzplatz streitig machen oder sich über deren Gewohnheiten mokieren. Doch etwas ist anders. Asyl ist eingezogen.
Der Name signalisiert es: Er ist Türke und Moslem. Steffen Reuber spielt ihn mit falschem Bart und Gebetskette. Auch er ist eben ein Clown. Als Sündenbock ist er eine willkommene Projektionsfläche für die Ängste der anderen, die alsbald alle voller Abscheu mit den Fingern auf ihn zeigen.
Im ersten, von Publikum wie Kritik gefeierten Teil lebten die alten Clowns kaserniert und abgeschottet von der Außenwelt. Es ging darum, sie ruhig zu stellen. Der Abschied von der Welt zeigte sich im Zerreißen der Zeitung.
Ein clownesker Blick auf die Wirklichkeit
In „Clowns im Sturm“ zeigen Roberto Ciulli und Helmut Schäfer dagegen das Eindringen der Realität ins Altenheim. Die Welt hat sich seitdem stärker verändert, als man sich vorstellen konnte. Das Stück konzentriert sich aber nur auf einen Aspekt, „den des Einflusses der politischen Bewegungen in der arabischen Welt und deren Wirkungen auf den Westen“, wie es Schäfer beschreibt. Der US-Präsident spielt keine Rolle.
„Die Figuren, die wir in Clowns 2½ erfunden haben, teilen Ängste, die in der Gesellschaft bestehen und so haben wir die Möglichkeit, die Absurditäten dieser Verunsicherungen zu beschreiben, die Vorurteile, all die hysterischen Übertreibungen“, erklärt Theaterchef Ciulli, der auch wieder mitspielt. „Der clowneske Blick auf diese neue Wirklichkeit soll aus dem Sturm eine erfrischende Brise machen, die humorvoll aufklärt.“
Rucksack sorgt für Verunsicherung
Allessandro Moreschi, der in Clowns 2 ½ noch seine Mitbewohner zur Revolte aufwiegelte und den rituellen Gesang zum Haka-Tanz der Maori anstimmte, tritt posierend auf und stellt verwundert fest, dass auf seinem Stammplatz ein Rucksack steht. Lässig schiebt er diesen zunächst zur Seite, setzt sich auf sein Stühlchen und beginnt in der Zeitung zu lesen. Schauspieler Fabio Menendez stellt sich das Ticken des Zeitzünders vor, das hörbar wird, er beginnt zu zittern, die Zeitung bebt und vor lauter Angst hat er die Augen weit aufgerissen und flüchtet schließlich.
Dann kommt Bobo (Albert Bork) in suizidaler Absicht, schlingt sich den Gürtel seines Bademantels um den Hals, steigt auf das Stühlchen und in halsbrecherischer Weise noch auf die Rückenlehne, verliert die Balance und geht zu Boden. Auch er erschrickt zuerst, sieht dann aber eine Chance, umarmt den Rucksack und zählt auf italienisch, dann auf türkisch, aber nichts geschieht. Hinter dem Regenschirm von Marlene (Dagmar Geppert), der als Schutzschild herhalten muss, versuchen die Bewohner sich schließlich gemeinsam der befürchteten Bombe zu nähern. Die Auflösung ist so banal wie komisch.
Wartet nach dem Tod die Hölle oder das Paradies?
Die Ängste und Visionen führen die Bewohner in einem kollektiven Traum unter anderem in eine Moschee und auch in ein Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer, das in einen Sturm gerät, und kentert. Alle ertrinken. Doch wo wachen sie nach ihrem Tod auf, in der Hölle oder im Paradies?
Die Inszenierung ist auch eine Hommage an die bedeutenden Clowns, die von den 20er- bis zu den 50er-Jahren ihre große Zeit hatten und alle bedeutenden Maler von Picasso bis Chagall nach Paris lockten, um sie zu portraitieren. Auch die Musik ist bei „Clowns im Sturm“ wieder wichtig, „weil sie das Versagen, das Nichtgelingen zum Mittelpunkt macht. Je größer die Kunst und die Disziplin ist, um sie auszuüben, desto größer die Kluft zwischen Anspruch und Versagen“, erklärt der 82-Jährige. Musiziert wird unter der musikalischen Leitung von Matthias Flake wieder mit allerlei Alltagsgegenständen.