Mülheim. . Die sieben nominierten Autoren der 42. Mülheimer Theatertage stehen fest.Darunter sind allein vier Mülheim-Debütanten und eine Grande Dame.
- 142 neue zeitgenössische Stücke hat die Jury an deutschen Theatern und im benachbarten Ausland gesehen
- Sieben Autoren sind für den namhaften Mülheimer Dramatikerpreis (15 000 Euro) nominiert
- Das Land fördert das Festival mit 220 000 Euro und 30 000 Euro für die Kinderstücke
Im bedrohlichen Rauschen unsicherer Zeiten spielen die „Stücke“ in diesem Jahr auf der Folie von Gewalt. Thematisch breit gefächert, so die Sprecherin des Auswahlgremiums, Cornelia Fiedler, „ist von der Stückentwicklung über dokumentarische Ansätze bis zum grotesken Märchen alles dabei“. 142 neue zeitgenössische Stücke hat die Jury gesichtet und an deutschen Theatern bis ins benachbarte Ausland gesehen. Sieben Autoren sind für den namhaften Mülheimer Dramatikerpreis (15 000 Euro) nominiert. Die 42. Mülheimer Theatertage starten am 13. Mai und enden am 3. Juni.
Elfriede Jelinek ist zum 18. Mal dabei
Auf einen Namen haben Festival-Kenner gewartet: Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist zum 18. Mal mit ihrem Stück „Wut“ dabei. In exzessiven Wortkaskaden reflektiert Jelinek die Terroranschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris. Während die Grande Dame der „Stücke“ und vierfache Preisträgerin über die meiste Festival-Erfahrung verfügt, gibt es in diesem Jahr gleich vier Autoren, die ihr Debüt geben: Milo Rau schreibt in „Empire“ über reale Gewalt- und Kriegserfahrungen. Der dritte Teil seiner Europa-Trilogie ist ein Panorama der Umbruchs-, Flucht-, Vertreibungs- und Exilerzählungen. Viersprachig kommt sein Stück mit deutschen Übertiteln auf die Bühne.
Eine europäische Geschichte der Gewalt legt Mülheim-Neuling Konstantin Küspert in seinem Stück „Europa verteidigen“ vor. „Ein Stück mit Anspruch, Sendungsbewusstsein und Galgenhumor“, so die Jury-Sprecherin. Neben offenen Aggressionen wird auch die strukturelle Gewalt in einem kapitalistischen System nach oben befördert: Clemens J. Setz hat gleich mit seinem ersten Theaterstück den Sprung nach Mülheim geschafft. In „Vereinte Nationen“ skizziert er eine Kleinfamilie, die mit einem speziellen Geschäftsmodell reich wird und geht dabei an der Grenze zum Kindesmissbrauch.
Gesellschaft der Freunde des Verbrechens
Olga Bach, Jahrgang 1990, ist die jüngste Festival-Teilnehmerin. In „Die Vernichtung“ machen drei privilegierte junge Leute ihrem Überdruss mit brutalen Exzessen Luft, liebäugeln offen mit faschistoiden Ideologien. Ferdinand Schmalz, bereits dreimal in Mülheim dabei, schickt einen revolutionären Bademeister an den Bühnenrand. In „Der thermale Widerstand“ werden die Gesetze der Marktwirtschaft am Beispiel eines Kurbades, das zum Wellnesstempel aufsprudeln soll, außer Kraft gesetzt.
Grotesk märchenhaft geht’s bei „Mädchen in Not“ von Anne Lepper zur Sache, die damit zum zweiten Mal eingeladen ist. Sie hat das Bild einer „Gesellschaft der Freunde des Verbrechens“ entworfen, in der Mütter, Männer und Puppen zwanghaft ihr Unwesen treiben.
Gut angelegtes Geld
Die erste Woche der Mülheimer Theatertage steht vom 15. bis 19. Mai ganz im Zeichen der „Kinder-Stücke“ (Bericht in einer der nächsten Ausgaben).
Am Ende der Vorstellung des Programms im Theater an der Ruhr konnte Festivalleiterin Stephanie Steinberg noch eine schöne Überraschung verkünden: Die Internationale Übersetzer-Werkstatt, die bislang biennal lief, wird jetzt jährlich stattfinden. „Das ist eine tolle Entwicklung, die zeigt, wie weit das Festival ausstrahlt“, betonte Bernd Neuendorf, Kultur-Staatssekretär des Landes. Er reiste extra in Mülheim an, um die Wichtigkeit des Festivals und besonders der Kinder-Stücke zu unterstreichen. Dafür engagierten sich Stadt und Land stark. „Die Unterstützung des Festivals mit 220 000 Euro und 30 000 Euro für die Kinderstücke ist gut angelegtes Geld“, so Neuendorf: Ein spannendes Festival, das im Hinblick auf die drängenden Fragen der Zeit an „gesamtgesellschaftlicher Bedeutung nicht zu unterschätzen ist“.
Kooperationen mit Hochschulen
Das zeigt auch das steigende Interesse der Hochschulen. Neben mehreren Lehrinstituten aus der großen Region kam es auch zu neuen Kooperationen mit Hochschulen aus Gießen und sogar München.