Mülheim. . Die Grundschullehrerinnen Simone Schick und Anne Schachner habenein Patenmodell „Einfach Deutsch lernen“ entwickelt und wurden ausgezeichnet.

  • Zwei Mülheimer Lehrerinnen sind für ein Lernmodell mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden
  • In der Grundschule üben Viertklässler mit i-Dötzchen ohne Deutschkenntnisse erste einfache Sätze
  • Das Patenmodell ist über Mülheim hinaus gefragt; Anfragen kommen aus ganz NRW

Wenn die Blase drückt, dürfen die Vokabeln nicht fehlen. „Entschuldigung, wo ist die Toilette?“ Aus dem Leben gegriffen ist dieser Satz, ebenso wie ein klares „Nein, ich möchte das nicht“ oder ein freundliches „Hallo, ich heiße…“ Es sind alltägliche, aber essenzielle Sätze wie diese, die Simone Schick und Anne Schachner ins Zentrum ihres Konzepts „Einfach Deutsch lernen“ stellten.

Die beiden Grundschullehrerinnen entwickelten es speziell für Kinder ohne Deutschkenntnisse, die an der Schule an der Trooststraße unterrichtet werden. Das Besondere dabei: Beigebracht werden ihnen diese Sätze – sowie Redewendungen und Vokabeln samt dazugehörender Artikel – von anderen Kindern. Dieses „Sprachpatenmodell“ wurde nun von der Cornelsen Stiftung Lehren und Lernen mit dem ersten Preis „Zukunft Schule“ ausgezeichnet.

Bisher gibt es wenige gute Methoden

Anfang 2015 erfuhr Simone Schick, dass nach den Sommerferien drei Kinder ohne Deutschkenntnisse ihre erste Klasse besuchen würden. „Akademiker-Kinder“ waren das, berichtet die Lehrerin, „die Eltern sind am Max-Planck-Institut beschäftigt.“ Auf diese für sie neue Situation wollte sie sich vorbereiten und recherchierte nach Methoden, um die Kinder in den Unterricht zu integrieren. „Ich habe geguckt, was es da so gibt – und war enttäuscht, dass es nichts gibt.“

Also wurde sie selber aktiv und kam gemeinsam mit ihrer Kollegin Anne Schachner, die nach den Ferien eine vierte Klasse unterrichten würde, auf die Idee, das Patensystem an der Grundschule Troost-straße zu nutzen. Dabei helfen Viertklässler den i-Dötzchen, sich in der neuen Schule und der neuen Situation zurechtzufinden.

Kurzes, intensives Training

15 Minuten täglich, so die Grundidee der zwei Pädagoginnen, setzen sich nun die Sprachpaten mit ihrem Patenkind zusammen und üben mit ihnen in einem „kurzen, intensiven Training“. Ganze Sätze lernen die zugewanderten Kinder so, führen „Minidialoge“ nach festen Vorgaben. Letzteres, betont Simone Schick, hat sich in der Praxis als wichtig erwiesen: „Wir haben gemerkt, dass die Sprachpaten einen festen Rahmen brauchen, in dem sie selbstständig arbeiten können.“ Deshalb entwickelten die beiden Lehrerinnen Arbeitsmaterialen. Impulskarten beispielsweise, die den Sprachunterricht bildlich einordnen. Die Sprachpaten werden zudem in einem vierstündigen Training geschult. All das entstand nach und nach aus der Praxis und gemeinsam mit den Paten, sagt Anne Schachner und ergänzt: „Als dann die Flüchtlingskinder kamen, waren wir vorbereitet.“

Auch Paten etwas lernen – Geduld etwa

Inzwischen werden auch Eltern geschult, die Sprachpaten für geflüchtete Eltern sind. Der Verlag an der Ruhr hat die von Anne Schachner und Simone Schick entworfenen Materialen veröffentlicht. Simone Schick hat zudem bereits Sprachpaten an anderen Schulen ausgebildet. Nicht nur aus Mülheim und angrenzenden Nachbarstädten, sondern aus ganz NRW kommen Anfragen. Natürlich wird dies durch gezielten Deutschunterricht ergänzt. Die Sprachpaten übernehmen das „Wortschatztraining“, die Lehrer die Grammatik.

Ihr System, betont Simone Schick, basiert aber „auf moderner Didaktik“ und bezieht auch Lehrmethoden aus England ein. Anne Schachner ist überzeugt, dass auch die Paten etwas lernen – und wenn es nur Geduld ist.