Mülheim. . Die Goldene Kette, das Stadtwappen und das Goldene Buch sind die Insignien Mülheims. Die Amtskette macht aus dem Träger einen Würdenträger.
- Die Mülheimer Amtskette wiegt 1,016 Kilogramm und ist aus 585er Gold. Ihr Wert: unbezahlbar
- Der Oberbürgermeister trägt die Amtskette bei offiziellen, besonderen Anlässen etwa zehn-, zwölfmal im Jahr
- Das Goldene Buch ist nicht nur für bedeutende Gäste gedacht, auch wichtige Anlässe werden vermerkt
Der Hüter der Mülheimer Amtskette bleibt wie immer diskret im Hintergrund. Doch man kann sicher sein: Protokollchef Robert Stevenson lässt das Prunkstück auch am Hals des autorisierten Trägers, das immer der amtierende Oberbürgermeister/die Oberbürgermeisterin der Stadt ist, nicht aus dem Auge. Die Amtskette ist ja nicht irgendein Schmuckstück, sie ist ja nicht nur Zierrat. Wenn der erste Bürger einer Stadt sie trägt, repräsentiert er damit die ganze Bürgerschaft.
Die Amtskette gehört auch nicht zum Mülheimer Tafelsilber. Über ihre Veräußerung gab es wohl in neuerer Zeit keine politischen Anträge, aus ihrem Erlös die Mülheimer Schuldenlöcher zu stopfen. Sie ist auch nicht nur aus Silber, sie ist aus 585er Gold. Bei einem Gewicht von 1,016 Kilogramm kann man sich den Metallwert selbst ausrechnen.
Doch was ihren ideellen Wert angeht, so ist die Amtskette unbezahlbar. Deshalb darf sie die Stadt auch nicht verlassen: Außerhalb Mülheimer Stadtgrenzen ist sie nicht versichert, erklärt Robert Stevenson. Dass die Amtskette also zusammen mit Oberbürgermeister Ulrich Scholten auf Dienstreise geht, ist undenkbar. In anderen Städten wird das oft lockerer gehandhabt.
Was wichtig ist für die Entwicklung der Stadt
Dass die Kette aus dem Träger einen Würdenträger macht, weiß OB Scholten aus Erfahrung. „Die Amtskette hat auch eine Wirkung auf den Träger“, schmunzelt der Oberbürgermeister. „Man steht ganz automatisch gerade, um die Akkuratesse nicht zu verändern.“ Man stelle sich nur vor: Ein offizielles Foto mit dem Stadtoberhaupt, und das Stadtwappen an der Amtskette hängt schief – eine mittlere Katastrophe für jeden verantwortungsvollen Protokollchef.
Denn es geht ja nicht in erster Linie darum, mit Gold und Edelstein zu protzen: Die Kette stellt ja bildhaft dar, was wichtig ist für die Entwicklung der Stadt, Mülheims Geschichte, und was die Siedlung an der Ruhr einst groß gemacht hat.
Zehn-, zwölfmal im Jahr trägt der OB die Amtskette
Etwa zehn-, zwölfmal im Jahr trägt der Oberbürgermeister die Amtskette, bei offiziellen, besonderen Anlässen wie einer Preisverleihung oder hochrangigem Besuch. Wenn sich ein Gast in das Goldene Buch der Stadt Mülheim eintragen darf, trägt der Oberbürgermeister immer seine Amtskette.
Die übrige Zeit im Jahr wird die Kette sicher in einem Tresor im Rathaus verwahrt. Auch das Goldene Buch der Stadt, das nicht umsonst so heißt, wird weggeschlossen: Auch hier bestehen Buchrücken und -deckel aus vergoldetem Silber, oder es ist wie beim Nachfolger – mit echtem Gold verziert. Denn das erste reich mit Edelsteinen geschmückte Goldene Buch der Stadt, das von 1908 bis 1999 verwendet wurde, hat längst keine leeren Seiten mehr. Es wurde 1999 durch ein neues Exemplar ersetzt, das etwas moderner daherkommt: Auf dem Ledereinband liegt erhaben ein großes Relief des Stadtlogos Mülheims : Das doppelte „M“ das eine Brücke symbolisiert, die sich im Wasser der Ruhr widerspiegelt. Natürlich aus purem Gold.
Prominente Namen, herausragende Ereignisse
Was könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, Papst Johannes Paul II., Willy Brandt, NOK-Präsident Willi Daume oder Max Planck mit, sagen wir mal, den Swing-Legenden Max Greger, Paul Kuhn, Hugo Strasser und dem Großadmiral Alfred von Tirpitz gemeinsam haben? Sie alle stehen im „Goldenen Buch der Stadt“, wurden als Ehrengäste an der Ruhr vom Oberbürgermeister oder der Oberbürgermeisterin empfangen. Der oder die spätestens, wenn die Prominenz aus Politik, Kunst, Wissenschaft, Sport oder Kirche sich in das edle Buch eintragen sollte, zuvor die Goldene Amtskette umgelegt bekam.
Das erste Goldene Buch der Stadt wurde 1914 vom Webereibesitzer Carl Roesch, der ehrenamtlicher Beigeordneter war, gestiftet. Es wiegt fast 15 Kilogramm, misst 45 mal 37 Zentimeter und ist rund 10 Zentimeter dick. Seinen Buchdeckel (aus reinem Silber schwer vergoldet) zieren 58 Halbedelsteine. Mittig ist ein gerüsteter Ritter abgebildet, drumherum symbolisieren vier Abbildungen Mülheims wichtigste Wirtschaftszweige: eine Aak für die Ruhrschifffahrt, eine Mühle, wie es damals viele gab, sowie ein Förderturm und eine Hochofenanlage für Kohle und Stahl.
1999 stiftete Tengelmann-Chef Haub den Nachfolger
Die 377 Pergamentseiten waren nach 85 Jahren voll – ein wertvolles Gästebuch und Zeitdokument der Stadt ist so entstanden.
1999 stiftete Tengelmann-Chef Erivan Haub der Stadt den Nachfolger. Die 300 Seiten aus handgeschöpften Bütten mit vergoldetem Kopfschnitt tragen auf jeder Seite das Stadtwappen als Golddruck; der Einband ist aus dunkelgrünem Kalbsleder. Die Buchdeckel zieren das von Peter Torsten Schulz in den 1970ern entwickelte Stadtlogo, das stilisierte, doppelte „M“ aus 785er Gold. Das Buch wiegt etwa 32 Pfund.
Das Goldene Buch ist nicht nur für bedeutende Gäste gedacht, auch für Mülheim wichtige, zeitgeschichtliche Anlässe werden darin vermerkt. So werden auch nach Ende der Ratsperiode eines gewählten Stadtrates wichtige Entscheidungen, die in dieser Zeit getroffen wurden, im Goldenen Buch schriftlich dokumentiert. Die Seiten sind meist kalligraphisch kunstvoll gestaltet.
Nicht jeder Besucher der Stadt von gewisser Bedeutung darf sich auch ins Goldene Buch (was immer im Beisein des OB samt Amtskette stattzufinden hat) eintragen. Es gibt auch noch ein normales „Gästebuch“ für wichtige Personen. Inzwischen, so die Stadt, sei man beim zwölften Gästebuch angekommen.
Kohle, Stahl und das Wappen der Stadt
Die Mülheimer Amtskette ist eine mehrgliedrige, schwere Goldkette, die in fünf der sechs Schmuckelemente auf wichtige Faktoren in der Geschichte der Stadt verweist. Hauptteil ist der zwölf Zentimeter große, auffällige „Anhänger“, die Kassette mit dem Wappen der Stadt. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene reizt es, die Kette an dieser Stelle zu berühren, wie eine Auswahl von Fotos zeigt.
Darüber sind wie kostbare Steine zwei Schmuck-Elemente in Schwarz und Silber gefasst, die symbolisieren, was Mülheim groß gemacht hat: Kohle und Stahl. Die nächsten beiden Symbole, die sich schon nahe der Schulter befinden (und die daher oft unter dem Revers von Sakkos oder Blazer verschwinden), zeigen eine Ruhraak mit silbernem Segel auf der einen Seite, auf der anderen die Buchstaben EMM.
Die Ruhraaken waren Plattbodenschiffe, die früher für den Transport von Kohle auf dem Fluss verwendet wurden. Ruhraufwärts wurden die Ruhraaken, unterstützt durch Segel, von am Ufer laufenden Pferden mit langen Leinen auf dem Leinpfad getreidelt (daher auch Treidelpfad). Das Ziehen von Schiffen wird als Treideln bezeichnet.
EMM steht für die Stifterin der Kette, die Rheinstahl Eisenwerke Mülheim/Meiderich (zuvor Friedrich-Wilhelms-Hütte, FWH). Das Unternehmen gab die Gestaltung der Kette bei der renommierten Goldschmiedin Prof. Elisabeth Treskow in Auftrag. Treskow (1898-1992), die dafür rund 1000 Stunden benötigte, gestaltete auch die Meisterschale des Deutschen Fußballbundes.
Erster Kettenträger war Oberbürgermeister Heinrich Thöne. Da seither unterschiedlich große Männer und Frauen die Amtskette trugen, musste sie vom Juwelier immer mal wieder angepasst werden. Dabei bleibt die fünfreihige Amtskette selbst unverändert, nur die Einstell- und Haltekette wird gekürzt oder gelängt. Die Haltekette kann man nur von hinten sehen. Von hinten sieht man auch das Rückenschild, das die alte Friedrich-Wilhelms-Hütte um 1850 zeigt: Ruhr und rauchende Schlote sind aus Silber.
Das Stadtwappen und der Herr zu Broich
Das Mülheimer Stadtwappen findet sich an vielen Stellen im Rathaus, am prachtvollsten kommt es in Farbe, etwa auf einer Flagge, zur Wirkung. Das 1880 eingeführte Wappen basiert auf einer Vorlage des steinernen Wappens am Hochschloss von Broich, welches, erläutert die Stadt auf ihrer Internetseite, einst Graf Wilhelm Wirich, Graf zu Daun-Falkenstein und Herr zu Broich (1613 bis 1682), dort anbringen ließ. Ergänzt wurde die ehemalige Adelskrone durch eine symbolisierte Stadtmauer. Die letzte gestalterische Änderung erfolgte 1938 durch den Mülheimer Künstler Daniel Traub.
Das Wappenschild ist zweimal längs und einmal quer geteilt, dadurch entstehen sechs Felder. Graf Wilhelm Wirich zeigte in seinem Wappen, welche Territorien er besaß oder beanspruchte. Das einzige direkt auf Mülheim bezogene Feld zeigt den Broicher goldenen Schild in Rot (unten Mitte). Der rechts oben stehende Limburger Löwe (doppelschwänziger, roter Löwe) hat Bedeutung für die Mülheimer Geschichte, da Lucardis, Erbtochter von Broich, 1371 Dietrich von Limburg heiratete. Das rote Schräggitter in Gold steht für Daun (Eifel). Falkenstein wird durch das silberne, achtspeichige Rad versinnbildlicht. Oberstein durch den schreitenden Löwen und drei schwarze Balken sowie Reipoltskirchen in der Pfalz durch das sechsspeichige Rad mit vier Tatzenkreuzchen.
Das Stadtwappen ist ein Hoheitszeichen, für das allgemeine Richtlinien gelten. Diese sehen eine Verwendung des Wappens grundsätzlich nur für städtische Angelegenheiten vor.
Vorgängerin der Amtskette wurde eingeschmolzen
Die Amtskette des Oberbürgermeisters wurde am 6. November 1961 im Rathaus vom EMM-Direktor Alexander Wiedenhoff an den amtierenden OB Heinrich Thöne überreicht. Der Stadtrat war aus diesem Anlass extra zu einer Feierstunde zusammengekommen.
Viele Jahrzehnte hatte es in Mülheim keine Amtskette mehr gegeben. Wie es das Mülheimer Jahrbuch von 1962 beschreibt, hatten die Ratsherren im Mai 1908, die Stadt Mülheim bestand seit 100 Jahren, eine Amtskette aus 18-karätigem Gold für den Oberbürgermeister beschlossen, die im Jahr darauf überreicht werden konnte. Die Kette im Renaissance-Stil trug mittig das Stadtwappen und an einem Anhänger aus Dukatengold ein Bildnis von Kaiser Wilhelm II. Lange erfreute sie das Stadtoberhaupt nicht: In den Nöten des Ersten Weltkriegs wurde sie eingeschmolzen.