Mülheim. . Der Vorstoß von Schulministerin Löhrmann, pensionierte Pädagogenfür den Schuldienst zu reaktivieren, kommt für Ex-Lehrer Peter Leitzen zu spät.

  • Einge Mülheimer Schulen beschäftigen schon Pensionäre
  • Seiteneinsteiger sind ebenfalls gefragt
  • Ex-Lehrer Leitzen würde wieder unterrichten

Als er die Zeitung gestern Morgen aufschlägt, kann Peter Leitzen nur schmunzeln. „Aha, jetzt werden also Pensionäre gesucht, um den Lehrermangel aufzufangen.“ Ein Hauch von Genugtuung schwingt beim Telefonat in seiner Stimme mit. Er selbst hat am Gymnasium Broich unterrichtet, ist inzwischen aber im Ruhestand. Unfreiwillig. „Wir haben damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich noch weiter unterrichten kann.“

Schüler, Eltern und Schulleiter wandten sich an die Bezirksregierung. Ein Jahr durfte Leitzen nach etlichem Hin und Her noch dranhängen, beim zweiten Antrag war aber Schluss. Begründung: „Weil der Lehrernachwuchs dann keine Stellen bekommt.“ Ein schwaches Argument, wie sich jetzt zeigt.

Durfte nicht länger am Gymnasium in Broich unterrichten: Peter Leitzen.
Durfte nicht länger am Gymnasium in Broich unterrichten: Peter Leitzen. © MÜLLER, Oliver

„Ich war hochmotiviert, wollte nicht in Pension“, sagt der Lehrer für Philosophie, Sozialwissenschaften, Pädagogik und Politik. Das war im Jahr 2014.

Jetzt also die Rolle rückwärts. Um die fehlenden Lehrer in Nordrhein-Westfalen zu kompensieren, will Schulministerin Sylvia Löhrmann pensionierte Pädagogen wieder in den Schuldienst locken.

„Jetzt haben sie also gemerkt, dass es vielleicht keine schlechte Idee war.“ Der inzwischen 68-jährige Leitzen kann dem Vorstoß nur Gutes abgewinnen. „Ich kenne einige Kollegen, die zumindest in geringer Stundenzahl gerne ihr Wissen weitergeben würden.“

Nicht in allen Fächern wird gesucht

Es werde ja keiner gezwungen, aber die, die Interesse haben, hätten so vielleicht die Möglichkeit dazu. „Aber“, relativiert er, „es muss ja auch berücksichtigt werden, in welchen Fächern Lehrer fehlen.“ Er vermutet, dass es sich größtenteils um naturwissenschaftliche Unterrichtsfächer handelt.

Die werden teilweise auch schon von sogenannten Seiteneinsteigern besetzt. Auch die sollen laut Landesregierung in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen.

Die einen finden Sylvia Löhrmanns Vorstoß gut, andere sehen ihn eher skeptisch. An den Mülheimer Schulen ist man insgesamt geteilter Meinung.

„Beruf muss attraktiver werden“

„Ich kann dieser Rückholaktion nicht viel Gutes abgewinnen“, sagt beispielsweise Wolfgang Dahmen, Schulleiter der Realschule Broich, an der es derzeit aber auch keinen Lehrermangel gibt. Er fände es weitaus besser, den Beruf des Lehrers attraktiver zu gestalten und damit junge Leute für diesen Job zu begeistern. „Ein Pensionär, der eine 5. Klasse unterrichtet? Das passt doch irgendwie nicht“, findet er. Mit Seiteneinsteigern habe er aber nur gute Erfahrungen gemacht. Derzeit unterrichten drei von ihnen an der Realschule. „Eine macht sogar ein berufsbegleitendes Referendariat.“

„Gehe nicht davon aus, dass sich viele melden“

Weniger euphorisch ist Ingrid Lürig, Schulleiterin der Willy- Brandt-Gesamtschule. „Mit Seiteneinsteigern kann es gut klappen; oder auch nicht.“ Lehrer, die über die Altersgrenze von 65 Jahren hinweg unterrichten, gebe es an ihrer Schule zwar auch. „Meistens machen sie dann aber nur das Schuljahr zu Ende.“ Denn: „Der Lehrerberuf ist inzwischen auch körperlich sehr anstrengend.“ Lürig geht nicht davon aus, dass sich viele Pensionäre melden. „Es sollten lieber schulinterne Springer-Stellen für junge Pädagogen geschaffen werden.“

Sehr zufrieden mit dem Einsatz von erfahrenen Kollegen ist allerdings Ulrich Stockem. Der Schulleiter des Otto-Pankok-Gymnasiums beschäftigt derzeit sogar einen Lehrer im Pensionierungsalter. „Wenn derjenige mit dem Kollegium und der Schulphilosophie vertraut ist, halte ich das für eine gute Sache, um kurzfristig Engpässe abzufangen.“ Trotzdem ist er sich sicher: „Pensionierte Lehrer zurückzuholen, kann für die Zukunft nicht der richtige Weg sein.“

>>> IMMER NOCH MOTIVIERT FÜR DEN SCHULDIENST

Langeweile?“ Peter Leitzen lacht. Nein, die habe er auch im Ruhestand nicht. Der pensionierte Pädagoge hat noch immer einen Lehrauftrag an der Universität Duisburg/Essen.

„Und motiviert bin ich immer noch“, sagt er. Ob er auch mit 68 Jahren noch mal in den Schuldienst eintreten würde? „Wenn es ein ernst gemeintes Angebot wäre, ja!“