Das Archäologiemuseum in Münster und das Karl-Ziegler-Gymnasium starten ein Forschungsprojekt zur Mülheim-Mumie. Wo ist deren Kopf bloß abgeblieben?

  • Das Archäologiemuseum in Münster und das Karl-Ziegler-Gymnasium starten ein Forschungsprojekt zur Mülheim-Mumie
  • Kooperation wurde bei einem Besuch einer Mülheimer Delegation in der Ausstellung vereinbart
  • Schüler sollen Zeitzeugen ausfindig machen, sie befragen und deren Aussagen im Diskurs prüfen

Wo ist der Kopf der Mumie abgeblieben? Können Zeitzeugen erhärten, dass es einst tatsächlich Unternehmer-Ikone Hugo Stinnes höchstselbst war, der die Mumie der Biologie-Sammlung des Karl-Ziegler-Gymnasiums geschenkt hat? Diesen und weiteren spannenden Fragen um die mysteriöse Mülheim-Mumie, die mit einer Ausstellung im Münsteraner Archäologiemuseum plötzlich wieder in Erscheinung getreten ist, werden die Karl-Ziegler-Schüler in einer Kooperation mit den Ausstellungsmachern nun nachgehen.

Mumie ging 1978 als Dauerleihgabe nach Münster

Die Kooperation kam zustande bei einem Besuch einer Ziegler-Delegation bei der Ausstellung, die sich als wahrer Publikumsmagnet entpuppt hat und die Mülheim-Mumie als zentrales Ausstellungsstück präsentiert. Die Klasse 5d mit ihrem Lehrer Christoph Mengede, Oberstufenschüler, Geschichtsreferendare und Schulleiter Martin Teuber waren auf Einladung der Ausstellungsmacher nach Münster gefahren, um die Mumie, die 1978 als Dauerleihgabe des Mülheimer Gymnasiums nach Münster gegeben worden war, selbst in Augenschein zu nehmen – und mit ihr quasi ein Teil Schulgeschichte wiederzuentdecken.

Noch Wochen nach dem Besuch sind die Fünftklässler tief beeindruckt, sind kaum zu bremsen, wenn sie nach ihrem Rendezvous mit der rund 2700 Jahre alten Mumie aus Ägypten befragt werden. „Die ist fast zerfallen“, sagt Fabienne. „Man konnte Schulter und Zehen sehen, weil sie nicht mehr ganz mumifiziert war.“ Die Füße seien zerstört, weil der Mumiensarg im Karl-Ziegler-Gymnasium einst senkrecht gelagert gewesen sei, weiß Marie zu berichten. Die Frau sei mit 30 Jahren verstorben, weiß Yusuf.

Syrer hat „schon größere Mumien gesehen“

Amro, der aus Syrien stammt, erzählt: „Die Mumie war so klein.“ In einer Stadt in Ägypten habe er mal viel größere gesehen, so lang „wie zwei Tische“. . . Im Museum, erzählt Vera, sei das Kopfkino angesprungen, „das war komisch und gruselig“. „Cool“, sagt Dunja. So manche Selfies mit Mumie sind entstanden. Alle sind sich einig: „Es war gruselig – und interessant. . .“

Da auch die Ausstellungsmacher aufmerksam verfolgt haben, was Zeitzeugen nach einem Aufruf in dieser Zeitung zur Mumie zu berichten wussten über Lagerung, Umgang und Herkunft des altägyptologischen Relikts, verabredeten sie vor Ort gleich ein Kooperationsprojekt mit dem Gymnasium, das mit Beginn in der kommenden Woche starten soll.

Oral-History-Projekt im Zusatzkurs Geschichte

Schulleiter Stefan Teuber wird dann einen Zusatzkurs Geschichte der Stufe 12 übernehmen und dort ein Oral-History-Projekt initiieren: Ziel ist es, Zeitzeugen aufzuspüren, die etwas zur Mülheimer Zeit der Mumie zu berichten wissen – oder auch darüber, wie die Mumie überhaupt in die Stadt gelangt ist. Bislang gibt es da zwei Vermutungen: Entweder als Gastgeschenk für den weit gereisten Industriellen Stinnes oder über einen seinerzeit verbreiteten Mumienhandel, bei dem sich Stinnes-Gattin Cläre, die bekanntermaßen ein Faible für Exotisches hatte, bedient haben könnte.

„Die Kooperation freut mich sehr, weil es hier ja keinen Kollegen mehr gibt, der noch was zur Mumie berichten könnte“, so Schulleiter Teuber, der hofft, über die Zusammenarbeit mit Archäologen und Ägyptologen aus Münster „das Thema wieder mit der Schule zu verknüpfen“. Für März haben sich Museumsdirektor Prof. Achim Lichtenberger und Ägyptologin Prof. Angelika Lohwasser für einen Unterrichtsbesuch angekündigt.

Wie sind die Zeitzeugenberichte einzuschätzen?

„Vielleicht gibt es noch weitere Zeitzeugen“, sagt Teuber. Es gebe ein großes Interesse zu stillen, „wie die Mumie hierher gelangt ist“. Welche Vermutungen der Ausstellungsmacher lassen sich durch Zeitzeugenberichte stützen, wie sind die Erinnerungen der Zeitzeugen selbst einzuschätzen?

Teuber hält es gerade in heutiger Zeit, wo viel über Fake News diskutiert wird, für spannend, Berichte von Zeitzeugen im Diskurs kritisch zu hinterfragen. Was sind seriöse Informationen? Wissenschaftspropädeutisches Lernen mit der spannenden Mumien-Episode der Schulgeschichte verbinden zu können, sei ein glücklicher Umstand. „Wir können mit dem Oral-History-Projekt erlebbar machen, wie sich Geschichte erklärt.“

Fünftklässler lesen aus Zeitzeugenberichten

Die Fünftklässler lauschen derweil aufmerksam dem Zeitzeugenbericht, mit dem sich Willi Richard nach dem Aufruf dieser Zeitung an das Jahr 1950 erinnert: „Während unserer Aufsicht kam ein Klassenkamerad hinzu und öffnete den Sarg einen Spalt. Der Kopf der Mumie geriet ins Rutschen. . .“

Gruselig. Aber wo ist der Kopf abgeblieben? In Münster angekommen ist er jedenfalls nicht.