mülheim. . Axel Smend sprach in der Otto-Pankok-Schule über seinen Vater, Widerstandskämpfer Günther Smend, und appellierte an die kollektive Verantwortung.
- Dr. Axel Smend erinnerte in der Otto-Pankok-Schule an seinen Vater, Widerstandskämpfer Günther Smend
- Auch Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges war er in den Augen vieler kein Held, sondern ein Verräter
- Sein Sohn appellierte an die Verantwortung in einer Zeit, „in der es an extremistischen Verführern nicht fehlt“
Die Fakten um den 1944 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Günther Smend, der 1932 sein Abitur an der heutigen Otto-Pankok-Schule gemacht hat, sind bekannt seit ein Stolperstein vor seinem letzten Mülheimer Wohnsitz im Luisental 11 an ihn erinnert und der Arbeitskreis Stolpersteine seine Biografie erforscht hat.
Und doch hat es eine ganz neue, weil persönliche Dimension für die 250 Schüler, Lehrer und Eltern des Otto-Pankok-Gymnasiums, wenn Günther Smends Sohn Axel ihnen am 84. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers vom Schicksal seines Vaters und seiner Familie berichtet.
Die 17- und 18-jährigen Zuhörer sind ihrem ehemaligen Mitschüler ganz nahe, wenn der 72-jährige Smend aus der Abiturrede zitiert, die sein Vater am 27. Februar 1932 gehalten hat: „Ich schließe nicht mit einem Hoch. Denn mit Pathos ist niemandem geholfen. Wir können uns nur durch die Tat dankbar erweisen. Doch wir können keine Tat versprechen, aber wir können tapfer sein!“
Eine schwierige Kindheit in den 50ern
Zwölf Jahre nach diesen Worten musste der Generalstabsoffizier und dreifache Familienvater seinen Mut zum Widerstand gegen Hitler mit dem Leben bezahlen. „Ich war damals erst vier Monate alt und meine Mutter fütterte mich gerade, als sie die Nachricht von der Hinrichtung meines Vaters bekam“, erzählt Smend, der heute als Rechtsanwalt in Berlin lebt und arbeitet. Bis heute, so Smend, sei es seinen 1940 und 1941 geborenen Geschwistern Henriette und Rudolf ein Rätsel, „wie unsere Mutter uns durchgebracht hat“.
Smend berichtet von seiner Kindheit und Jugend in den frühen Fünfzigerjahren, als sein Vater in den Augen vieler Deutscher kein Held, sondern ein Verräter war. „Es ist ja kein Wunder, dass der Sohn eines Verräters in der Schule versagt“, musste sich die Mutter 1954 vom Klassenlehrer anhören, als Axel Smend schlechte Noten hatte.
Erst Jahre später bekam seine Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes Wohnung und Vermögen verloren hatte, die ihr zustehende Witwen- und Waisenrente. Und Sohn Axel, der sich heute in der Stiftung 20. Juli 1944 engagiert, besuchte zum ersten Mal die Hinrichtungsstätte seines am 8. September 1944 in Berlin-Plötzensee ermordeten Vaters.
„Gedanken sind Kraft“
„Wer einmal in diesem kalten Raum unter dem Stahlträger mit den fünf Fleischerhaken gestanden hat, an denen mein Vater und seine Gefährten aufgehängt wurden, wird dieses Gefühl nie vergessen“, sagt Axel Smend. Und er zitiert eine Zeile, die sein Vater als 31-jähriger Todeskandidat in der Gefängniszelle mit Bleistift in einen theologisch-philosophischen Gedichtband „Gedanken sind Kraft“ notiert hat: „Ich habe einen gerechten Kampf gekämpft. Ich habe meinen Weg vollendet. Und ich habe den Glauben gehalten.“
Bis heute, so Axel Smend, gebe der Gedichtband und die darin enthaltenen Anmerkungen seines Vaters ihm und seiner ganzen Familie Kraft und Orientierung.
Und so hat Axel Smend nicht nur traurige Geschichten zu erzählen, wenn er zum Beispiel über das 1947 gegründete Hilfswerk 20. Juli 1944 berichtet, das den viel zu lange gesellschaftlich ausgegrenzten Hinterbliebenen der Widerstandskämpfer um Claus von Stauffenberg und Henning von Treskow seelischen und materiellen Beistand leistete und heute als Stiftung 20. Juli 1944 die Erinnerung an die todesmutigen Männer und Frauen lebendig erhält.
Jeder Einzelne muss etwas tun
Er berichtet aber auch dankbar von amerikanischen und britischen Care-Paketen, die den Smends und anderen Familien aus dem Widerstand nach 1945 das Überleben ebenso erleichterte wie ein dreimonatiger Ferienaufenthalt im Berner Oberland, der vom Schweizer Arzt Albrecht von Erlach finanziert wurde.
Am Ende seiner Rede ermutigt Smend die jungen Zuhörer zu Mut und Verantwortung in einer Zeit, „in der es an extremistischen Verführern nicht fehlt“, indem er den 1943 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Hans Scholl zitiert: „Nicht wir müssen etwas tun, sondern ich muss etwas tun.“
Max Stimpel (18): „Der Vortrag und seine Gedanken waren für mich eine Inspiration, die mein Handeln beeinflussen werden. Auch heute stehen wir vor ähnlich schwierigen Fragen und müssen handeln.“
Lucca Aschmann (17): „Dieser Vortrag hatte für mich eine große Aussagekraft und uns Jugendliche direkt angesprochen. Ich habe begriffen, dass so etwas nie wieder vorkommen darf und dass jeder dafür mit verantwortlich ist. Der Judenhass in der Nazizeit mahnt uns, dass auch in heutigen Krisenzeiten niemand ausgegrenzt werden darf, weil er zum Beispiel Flüchtling oder ein Muslim ist.“
Geschichtslehrer Gerald Wandrey: „Liebe Schülerinnen und Schüler. Meinen Respekt für Ihren Respekt. So ruhig und aufmerksam habe ich Sie noch nie erlebt.“
Schulleiter Ulrich Stockem: „Dieser Zeitzeuge und sein Vortrag sind für unsere Schulgemeinschaft ein Geschenk.“