Mülheim. . Klajdi Duzha (17) wurde morgens zur Abschiebung nach Albanien abgeholt. Ein Mülheimer, der ihn gefördert hat, beklagt die Härte der Behörden.

  • Ein Mülheimer beklagt die Abschiebung eines albanischen Jungen (17), den er unterstützt hat
  • Er wollte dem Schüler trotz schlechter Bleibeperspektive zumindest ermöglichen, seinen Abschluss zu machen
  • Jetzt sagt Fischer: „Ich werde alles tun, damit er zurück nach Deutschland kann – und wenn es das letzte ist, was ich tue.“

Der Notizblock liegt noch aufgeschlagen, die neue Trainingsjacke hängt über dem Stuhl. Selbst das Armband mit der Gravur – „Klajdi“ in geschwungener Schrift – ist zurückgeblieben. „Er hat es vor Schreck liegen lassen“, sagt Matthias Fischer, den Tränen nahe. Für den 58-Jährigen ist es wie eine Trennung zwischen Vater und Sohn, als am Mittwoch plötzlich Ordnungsamt und Polizei vor der Tür stehen, um Klajdi Duzha (17) mitzunehmen. Es war Zeit für die Abschiebung nach Albanien. „Er wurde abgeführt wie ein Krimineller, wie ein Terrorist.“

Rückblende ins Jahr 2015: Matthias Fischer, Fußballtrainer beim Sportverein TuSpo Saarn, sieht einen Jungen am Spielfeldrand stehen, der aussieht, als sei er von Sorgen zerfressen. „Ich wusste, dass da etwas nicht stimmt“, erzählt der gebürtige Dresdner. Also geht Fischer auf ihn zu – und lernt schnell viel über Klajdi: dass er aus Albanien kommt und sich Sorgen macht, dass er nicht in Deutschland bleiben kann. Und Fischer merkt schnell: Dieser Junge ist etwas Besonderes. Er sieht Mathematik-Sendungen im TV statt Comics oder Klatsch, er lernt im rasenden Tempo Deutsch, selbst seine Hemden bügelt er akkurat selbst.

Klajdi ist das vierte „Pflegekind“ von Matthias Fischer

Aber als Fischer die 25 Quadratmeter sieht, auf denen Klajdi mit seinen Eltern und seinem 24-jährigen Bruder leben muss, ist er erschrocken. Fischer erinnert sich: „Ich dachte: Hier kann man doch unmöglich Ruhe zum Lernen bekommen.“ Der Großgrundbesitzer und Seton-Angestellte Fischer, der seit über 20 Jahren auf dem Werksgelände der inzwischen geschlossenen Lederfabrik Lindgens wohnt, hat genug Platz. Also richtet er auf dem Lindgens-Gelände ein Zimmer für Klajdi ein – mit Bett, Schreibtisch, Fernsehen und Dartscheibe. Hier kann er hinkommen, wann immer er möchte. Klajdi kommt fast täglich.

Für Fischer ist es nicht das erste Mal, dass er einem Jungen aus schweren Verhältnissen hilft. „Durch den Fußball habe ich immer mitbekommen, bei welchen Jungs es zu Hause nicht gut läuft“, erzählt der zweifache Vater. Drei Jungen nimmt Fischer in rund 20 Jahren bei sich auf, heute stehen seine drei früheren „Pflegekinder“, wie Fischer sie nennt, mitten im Leben, haben eine eigene Firma oder eine gute Ausbildung. Dasselbe wollte er auch für Klajdi.

Eltern sahen für Jungen keine Chancen in Albanien

Dass die Bleibechancen für Asylbewerber aus dem „sicheren Herkunftsland“ Albanien gegen null tendieren, ist Fischer bewusst. „Die Eltern waren sogar bereit, wieder freiwillig auszureisen“, auch ohne Klajdi, damit er sein neuntes Schuljahr in Deutschland hätte abschließen können. „Wenn die Eltern dazu bereit sind, sagt das doch eine Menge über die Chancen in Albanien aus“, findet Fischer. Das Land sei unglaublich korrupt, habe er von Klajdis Familie gehört. Dort müsse man sich einen Job kaufen, statt sich für einen zu bewerben. Ein talentierter, aber armer Junge wie Klajdi hätte dort keine Zukunft, sind sich Familie Duzha und Fischer sicher.

Deswegen warten die Duzhas darauf, dass Fischer einen Weg findet, um Klajdi in Deutschland zu behalten. Aber Fischers Antrag auf Vormundschaft wird abgelehnt, da Klajdi zwei sorgeberechtigte Elternteile hat. Fischer spricht bei der Ausländerbehörde, bei der Diakonie, beim Jugendamt vor. Dann ist es zu spät.

Abschiebung unter Tränen, Geschrei und Gezerre

Am Mittwochmorgen, 18. Januar, wird Klajdi von acht Beamten abgeholt, darunter Ordnungsamt, Migrationsbehörde, Polizei. Es kommt zu dramatischen Szenen. In den Augen von Fischer wird Klajdi unnötig „gezogen und gezerrt“. Fischer und Klajdi weinen, schreien. Es hilft nicht.

Fischer hört erst am nächsten Tag wieder etwas von Klajdi. Am Telefon sagt er, er sei sicher in Albanien angekommen. „Ich werde kämpfen“, sagt Fischer, „Ich werde alles tun, damit er zurück nach Deutschland kann – und wenn es das letzte ist, was ich tue.“

Stadtsprecher Wiebels verteidigt Abschiebung der Duzhas 

Stadtsprecher Wiebels verteidigt Abschiebung der Duzhas

Albanien und der Kosovo sind seit Oktober 2015 als sichere Herkunftsländer eingestuft. Seitdem werden Asylanträge aus beiden Ländern noch rigider abgelehnt. Stadtsprecher Volker Wiebels argumentiert deswegen: Im Fall Duzha seien der Stadt die Hände gebunden gewesen.

Warum wurde Familie Duzha, trotz aller Bemühungen von Matthias Fischer, abgeschoben?

Alle rechtlichen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Es handelt sich um ein klares, abgeschlossenes Asylverfahren und die Familie kommt aus einem sicheren Herkunftsland. Im Einzelfall tut es uns für die Ehrenamtlichen sehr leid, die sich um die Flüchtlinge kümmern, aber das ist eben unserer Rechtsstaat. Wir hatten gar keine andere Möglichkeit als abzuschieben.

Das Ordnungsamt kam in Begleitung von Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und der Polizei um 6 Uhr morgens. Ist so ein Einsatz mit acht Beamten verhältnismäßig?

Wir arbeiten auf Weisung des Bundesamtes, dazu gehört auch, dass die Abschiebung nicht angekündigt werden darf, wenn sie nicht freiwillig erfolgt. Es gab die Möglichkeit, es geräuschloser zu machen, aber die Familie hat ihre Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht wahrgenommen. Dass eine Abschiebung drohte, wusste sie. Wie groß der Einsatz ist, hängt davon ab, wie das Objekt aussieht, von dem wir die Menschen abholen. Es muss sichergestellt sein, dass sie sich unserem Einsatz nicht entziehen können. Diese Chance bestand auf dem Lindgens-Gelände.