Mülheim. . Wir haben zurückgeblickt darauf, wie sich das Nichtrauchergesetz auf Mülheim ausgewirkt hat. Etwa bekamen die Grünen in der Altstadt Lokalverbot.
Vor zehn Jahren ist bundesweit das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft getreten. Peu à peu hat es zum absoluten Rauchverbot nicht nur in Restaurants und Kneipen geführt. Wir haben zurückgeblickt.
2007: Die erste Aufregung
Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld erlässt im Vorgriff auf das zu erwartende Bundesgesetz ab dem 30. März ein generelles Rauchverbot in allen städtischen Dienststellen. Für Raucherpausen müssen Mitarbeiter fortan vor die Tür. Jene Pausen gölten natürlich nicht als Arbeitszeit, stellt die Verwaltungsspitze klar.
Während im Einkaufszentrum Forum Raucher schon seit neun Jahren vor der Tür bleiben müssen, kündigt im März auch das Rhein-Ruhr-Zentrum an, den Zigaretten-Konsum auf der kompletten Ladenstraße zu verbieten.
Dehoga kämpfte vergeblich für eine Wahlfreiheit
Anfang August präsentiert der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga-Bezirk Nordrhein) das Ergebnis einer Unterschriften-Aktion in Mülheimer Gaststätten: Demnach fordern 450 Kneipengäste im Gegensatz zu Plänen des Landes eine Wahlfreiheit für Kneipiers. Sie sollen selbst entscheiden, ob bei ihnen gequalmt werden darf. „Ein eindeutiges Votum unserer Gäste“, stellt der örtliche Dehoga-Vorsitzende Norbert Bellenbaum fest.
In der Stadt macht man sich derweil schon Gedanken, wie das massenhafte Aufstellen von klimaunfreundlichen Heizpilzen vor Gastronomiebetrieben verhindert werden könnte.
2008: Das Gesetz kommt
Das Evangelische Krankenhaus erklärt zu Jahresbeginn ein striktes Rauchverbot im Gebäude und in der gesamten Stiftung. Für Patienten kann es Ausnahmen geben, aber nur bei Zustimmung des Arztes.
Erneut macht die Dehoga Wind gegen die Pläne der Landesregierung, für Kneipen ein generelles Rauchverbot einzuführen. Mehr als jede zehnte Einraum-Kneipe werde dann dichtmachen, verweist der Verband auf eine landesweite Umfrage unter Wirten. Mehr als die Hälfte der Wirte befürchte Umsatzrückgänge bei einem Rauchverbot.
„Wenn ab dem 1. Juli striktes Rauchverbot gilt, würde ich sicherlich 50 Prozent meiner Gäste verlieren“, sagt Wirt Jürgen Göttelmann vom „Treff-Punkt“ am Muhrenkamp. „Eine Unverschämtheit sei das Nichtraucherschutzgesetz, sagt Nicole Peltzinger, Wirtin der Gaststätte „Zum Landsknecht“. Schließlich seien 90 Prozent der Gäste Raucher.
Ab 1. Juli tritt der Nichtraucherschutz in NRW in Kraft. Mülheims Gastronomen reagieren unterschiedlich. Manche trennen Raucherräume durch Trennwände ab oder weisen Raucherräume aus. Nicht wenige andere wiederum nutzen eine Gesetzeslücke und erklären sich zu Raucherclubs, so etwa der Rauchfang in der Innenstadt. „Die Mitgliedsgebühr von 9,95 Euro übernehme ich für unsere Stammgäste“, so Besitzerin Petra Glass.
Im Dezember zieht die Dehoga eine erste Zwischenbilanz: Zwar hätten nur wenige der stadtweit 220 Betriebe geschlossen, doch gebe es teils Umsatzrückgänge.
2012: Kneipiers in Sorge
2012 branden die Diskussionen wieder neu auf, in NRW wird ein generelles Rauchverbot diskutiert. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hält das für „zu starken Tobak“. Zur Eckkneipe gehörten das Bier und die Frikadelle genauso wie die Zigarette, prognostiziert Bezirksgeschäftsführerin Yvonne Sachtje ein Kneipensterben.
Der Dehoga-Kreisvorsitzende Jörg Thon (Ratskeller) sieht das auch so. Die bisherige Regelung, die abgetrennte Raucherräume und Ausnahmen für Einraumkneipen vorsehe, habe sich bewährt. Viele Kneipiers hätte auch tief in die Tasche gegriffen, um der bisherigen Rechtslage zu entsprechen.
2013: Das Komplettverbot
Der 1. Mai bringt das uneingeschränkte Rauchverbot, nur noch bei geschlossenen Gesellschaften darf davon abgewichen werden.
Der Wirt im Uerige-Treff, Uwe Mühlenfeld, sorgt in der Folge für Aufsehen, weil er Mitgliedern der Grünen, die er verantwortlich macht, mit einem Schild an seiner Eingangstür Lokalverbot erteilt. „Ich will die Menschen mit meiner Aktion zum Denken bewegen“, erklärt Mühlenfeld, dass er die Bevormundung inakzeptabel findet.
In den ersten dreieinhalb Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes kontrolliert das Ordnungsamt 100 Mal in Kneipen. Sieben Verstöße werden aktenkundig.
Ende September stellt die Dehoga starke Umsatzeinbußen fest. Jede dritte Kneipe habe mehr als 35 Prozent weniger Umsatz gemacht. 20 Betriebe hätten im vergangenen halben Jahr wegen des Rauchverbots dichtgemacht. Dass dies mit dem Rauchverbot zu tun hat, hält Grünen-Ratsfrau Eva Weber für „ein Märchen“. Ein starker Rückgang von Schankwirtschaften sei in NRW seit Jahren zu verzeichnen.
Ordnungsamt sieht Gesetz überwiegend akzeptiert
„Im Großen und Ganzen ist das Nichtraucherschutzgesetz von den Gastronomen angenommen worden“, stellt Christa Bargatzky als Abteilungsleiterin für Gewerbeangelegenheiten im städtischen Ordnungsamt fest. Ein Kneipensterben sei mit dem Rauchverbot nicht einhergegangen.
Freilich: Die Feststellung, dass kaum Verstöße gegen das Rauchverbot in Gaststätten zu ahnden seien, trifft das Ordnungsamt mit dem Verweis darauf, dass für regelmäßige Kontrollen das Personal fehle. Trotzdem hat Bargatzky wahrgenommen, dass nach einer etwas schwieriger Anfangszeit, „als sich längst nicht jeder an die Regeln gehalten hat“, mittlerweile Ruhe eingekehrt sei.
Ordnungsamt kontrolliert nurm, wenn es Hinweise gibt
Die Ordnungshüter werden nur auf Anzeige aktiv und suchen Kneipen zu Kontrollen auf. Wenn mal ein Hinweis auf Verstöße eintrudele, so Bargatzky, komme dieser häufig von der Konkurrenz, nach dem Motto: Der Kneipier nebenan verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil.
Stellt das Ordnungsamt Verstöße fest, greift der Bußgeldkatalog: 200 Euro werden beim ersten Verstoß fällig, 400 beim zweiten, 800 beim dritten, 1600 beim vierten. . . Nach drei Vergehen kann das Amt eine Ordnungsverfügung mit Zwangsgeld von 5000 Euro in Betracht ziehen. Bei vorsätzlichem Handeln könne eine Konsequenz gar der Entzug der Konzession sein, so Bargatzky. Das aber habe es in Mülheim noch nicht gegeben.
„Wir müssten eigentlich häufiger kontrollieren“, sagt sie. Denn wohl jeder Raucher kennt noch eine Kneipe, wo schnell Aschenbecher hervorgezaubert werden, wenn danach verlangt wird. „Die Kontrolleure kommen doch eh’ nur morgens“, sagte jüngst eine Wirtin, deren Wirtsstube am späteren Abend von Rauchschwaden durchzogen war.
Eine andere Möglichkeit: Wirte insbesondere von Eckkneipen weisen eine geschlossene Gesellschaft aus. Dann dürfte geraucht werden, weiß Bargatzky, kennt aber Fälle, wo dann plötzlich ein Gast im Beisein der Kontrolleure seinen Deckel bezahlen will. Ob ein Verstoß vorliege, sei oft schwer nachzuweisen.
Wirte sehen das Gesetz mittlerweile entspannt
„Ich bin sehr begeistert, es soll so bleiben“, freut sich Kellner Marian Lica von der Kortumstube in der Altstadt über rauchfreie Gasträume und weiße Wände. „Die Gäste sind so auch besser drauf, sie haben mehr Lust am Leben“, hat er festgestellt. Wer rauchen wolle, gehe halt raus auf die Terrasse.
Manuela Meyer, die seit 14 Jahren Chefin in der Altstadtkneipe „Zum Ührchen“ ist, sagt, die Gäste hätten sich mit dem Rauchverbot arrangiert und nutzten zum Rauchen das Zelt vor der Tür. Da habe sie sich vor Jahren mehr Sorgen gemacht. „Es gab nur ein bisschen Einbußen“, schätzt sie.
Dehoga-Kreisvorsitzender Jörg Thon sagt: Klar merkten Restaurants, dass Raucher nur noch kürzer verweilen, und kleine Kneipen hätten weniger Umsatz oder geschlossen. Aber: „Keiner redet mehr über das Gesetz, es hat sich etabliert.“