Gerade die Jugend bereitet der Polizei und dem Gericht Sorgen. Die Täter werden jünger und rücksichtsloser. Manche verlassen die Wache und begehen direkt wieder eine Tat
TEESTUNDE - DAS THEMA: SICHERHEIT IN MÜLHEIM Mülheim - sichere Stadt, unsichere Stadt? Nach der Statistik, sagt Erster Hauptkommissar Jürgen Achterfeld, und auch im Vergleich kann Mülheim als sicher bezeichnet werden. Doch das Sicherheitsgefühl der Menschen sagt oft etwas anderes. Gerade nach den vermehrten brutalen Überfällen in den vergangenen Monaten. Senioren wurden Opfer, wie Jugendliche und Menschen im mittleren Alter.
Mit Sorge beobachtet die Kripo und das Gericht, dass die Täter immer jünger, immer brutaler werden. "Selbst ältere Menschen, die schon am Boden liegen, werden getreten und geschlagen. "Es ist massive Respektlosigkeit festzustellen", beklagen Achterfeld und Richter Bernd Fronhoffs. Und: Der Respekt vor Autoritäten habe spürbar abgenommen.
Im Rahmen der "Teestunde" im Leserladen berichtete der Kommissar sogar von 13-Jährigen, die nach Überfällen keinerlei Schuldbewusstsein zeigten. Im Gegenteil: Mit Verweis auf ihr Alter und die Strafunmündigkeit kündigten sie manchmal gar weitere Taten an. Im Vergleich zu 2004 spricht Fronhoffs von einer Zunahme an gefährlicher Körperverletzung um 20 Prozent.
In vielen Fällen, so der Richter, liege bei den Tätern eine geringe Bildung vor und ein Elternhaus, das sich wenig kümmere. Selbst zur Anhörung bei der Polizei kämen viele Eltern nicht mit. Nach Konflikten tauchten Jugendliche eher mit einem Anwalt auf, als mit einem Elternteil. "Für einige gleicht der Gang zur Polizei wie der zu einem Bäcker", beklagt Achterfeld und vermisst die soziale Kontrolle des Elternhauses.
Vor allem die so genannten Intensivtäter halten Polizei und Gericht in Atem. "Wir versuchen zunächst ermahnend und erzieherisch zu wirken", sagt Fronhoffs und betont zugleich: Kein Gericht könne Eltern ersetzen.
Zusammen mit Jugendamt, Jugendeinrichtungen, sozialen Diensten gibt es ein Netzwerk, das sich mit Polizei und Gericht um straffällige Jugendliche kümmert. Letztlich, so Fronhoffs, verfüge die Justiz über ein ausreichendes Maß an Möglichkeiten, um auf junge Täter einzuwirken - bis hin zu mehrjährigen Strafen. Wichtig, so Fronhoffs, sei eine möglichst schnelle Bestrafung. Gewährleistet sei die nicht immer. Bis zu einem Jahr läge manchmal zwischen Tat und Strafe.
Kann man sich gegen Überfälle schützen? Vorsicht beim Abholen von Geld, warnt Achterfeld. Vorsicht vor dem Enkeltrick: Immer wieder fielen Senioren daruf rein. Vorsicht überall dort, wo Gedränge herrscht. Taschen werden aufgeschlitzt!
Brauchen wir mehr Polizeipräsenz auf den Straßen? Eine ältere Dame fordert dies. "Ich gehe nicht mehr abends allein zur Stadthalle." Die Polizei sei vor Ort, könne aber nicht überall sein, betont der Kommissar und macht Hoffnung: Nach der Fusion mit der Polizei Essen sei die Präsenz nach Straftaten am Ort höher als früher. Jüngstes Beispiel: der Überfall auf die Sparkasse.