Ulrich Schallwig wagt den Seitensprung vom RWW-Schreibtisch hinter den Tresen der Teestube. Er hat sich die Arbeit mit Obdachtlosen selbst ausgesucht und will seine Achtung zeigen vor Betreuten und Betreuern

Die öffentliche Meinung ist zweigeteilt, weiß Ulrich Schallwig: "Entweder man sieht Obdachlose als arbeitslose Penner, die das Stadtbild verschandeln oder man hat Mitleid mit ihnen." Beides hält der Pressesprecher der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) für falsch: "Diese Menschen brauchen kein Mitleid, sondern Hilfe - fundierte, professionelle und respektvolle." Dabei selbst aushelfen wird er in der kommenden Woche, dann wagt er den Seitensprung vom RWW-Schreibtisch hinter die Theke der Teestube des Diakonischen Werks.

Zum dritten Mal organisiert das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) einen Seitensprung. Ein Freiwilliger, der eigentlich in der Wirtschaft zu Hause ist, hat bei dieser Aktion die Möglichkeit, eine Woche lang in einer sozialen Einrichtung auszuhelfen und damit "einen Blick in eine andere soziale Welt zu werfen", wie CBE-Leiterin Andrea Hankeln erläutert. Dass diese fremde Welt diesmal die Lebenswelt von Nicht-Sesshaften ist, hat sich der dritte Seitenspringer Ulrich Schallwig selbst ausgesucht. Er kennt Menschen, die "ohne eigenes Verschulden aus der Bahn geworfen" wurden. "Nahtlose Grenzen" gäbe es heute zwischen gut situiert und verschuldet: "Man sieht immer wieder, wie schnell man abrutschen kann." Vielleicht, räumt Schallwig ein, spricht da sein Soziologie-Studium aus ihm, doch er möchte sich die Arbeit des Teestuben-Teams gerne aus der Nähe ansehen und seine Achtung zeigen vor den Menschen, die betreut werden und vor denen, die betreuen.

Als etwas "ur-diakonisches" bezeichnet Hartwig Kistner, Geschäftsführer des Diakonischen Werks, Schallwigs Einsatz. "Vor dem Angesicht Gottes ist niemand besser als der andere." Soziale Kompetenz und Solidarität vorzuleben, sei gerade heute wichtig. Da kann Jürgen Brachat, Leiter der Ambulanten Gefährdetenhilfe des Diakonischen Werks, zu dem auch die Teestube gehört, nur zustimmen: "Viele Menschen gucken weg, wenn sie jemanden auf der Straße sitzen sehen. Doch das Wichtige ist, hinzusehen und die Leute so zu nehmen, wie sie sind." Eine Woche lang möchte der RWW-Sprecher das tun, wird in der Teestube gemeinsam mit Ein-Euro-Jobbern hinter dem Tresen stehen, aber auch mit Streetworkern im Einsatz sein. Am Freitag nach fünf Tagen Seitensprung erhofft er sich dann einen "erweiterten Erfahrungshorizont" und ein paar abgebaute Vorurteile.