Die Antwort des MVG-Mitarbeiters bringt es knapp auf den Punkt: „Um 10 Uhr machen wir hier alles dicht.”

Die Tür vom Hauptbahnhof zur Hauptpost meint er konkret. Doch auch sonst ging ab Hans-Böckler-Platz Richtung Heißen nichts mehr, Vollsperrung, Evakuierung. Die Mülheimer nahmen's meist gelassen, suchten sich andere Wege oder kamen in die RWE Rhein-Ruhr Sporthalle. Noch 15 Minuten, dann beginnt die Sperrung, eine Stunde bevor um 11 Uhr die Bombe am unteren Hingberg entschärft wird. Zeit für eine letzte Lagebesprechung bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft. „Die Leute können rein, aber nicht raus. Auch, wenn sie meckern”, lautet die Order. Natürlich wird gemeckert, als um Punkt 10 die Türen Richtung Post abgeschlossen werden. Und diskutiert. „Ich muss zur Arbeit”, versucht Markus, den Mann in der blauen Uniform zu überreden. Der bleibt hart: „Da wird eine Bombe entschärft.” Markus muss sich fügen: „Eine Bombe, was soll man dagegen sagen? Das ist ein Totschlag-Argument.” Sozusagen . . . Auch an den Abgängen zu den Bahnsteigen positionieren sich MVG-Mitarbeiter, denn da fährt nichts mehr. Eine Ersatzhaltestelle ist am Dieter-aus-dem-Siepen-Platz eingerichtet. Dort bringt die Bombe Menschen zusammen und ins Gespräch. „Fährt hier die U18 nach Heißen?” will ein Mädchen wissen und startet eine Diskussion über mögliche Fahrtwege. „Der Dickswall ist zu”, weiß eine Frau. „Da stehen die Autos dicht an dicht.” Tun sie. Denn in der Stadtmitte geht es nur noch Richtung Kaiserstraße. Von der Leineweberstraße, der Adolfstraße, dem Dickswall – alle werden sie gen Oppspring geleitet. Die Seitenstraßen sind gesperrt. Polizisten und Helfer von THW und DLRG stehen dort, klären auf, zeigen, wo es noch langgeht. Überall stehen gestikulierende Menschen. „Die meisten sind nett”, weiß THW-Helfer Sascha Siegel. „Aber die, die sich aufregen, tun das richtig.” Marianne und Franz-Josef Ahler gehören zu den Netten: „Wir gehen jetzt einfach mit unserem Enkel zurück in die Stadt.” Die Alternative ist die RWE Rhein-Ruhr Sporthalle. Eine Betreuungsstelle hat das DRK dort eingerichtet: In fünf Umkleideräumen bauen Ehrenamtler je vier Betten auf, „falls sich jemand zurückziehen möchte”, stellen oben Festzeltbänke und Stühle auf, kochen Kaffee und schmieren Brötchen. Auch, wenn die Feldbetten leer bleiben, die Tische sind gut belegt. „Überrascht”, ist Gesamteinsatzleiter Herman-Josef Hüßelbeck über die Resonanz. Aber: „Wir haben noch nie einen so dicht besiedelten Bereich evakuiert.” 100 Menschen sind da, plaudern draußen bei einer Zigarette, sitzen drinnen an den Tischen, lesen, hören Musik, reden. So wie Frau Lüstemeyer, Frau Holtmann, Frau Keuntje und Herr Henkel. Nachbarn sind die Senioren und hatten Donnerstag einen roten Zettel im Briefkasten: „Da stand drauf, wir werden hier hin evakuiert – was soll man da machen?” Sie machen das Beste daraus, loben die gute Verpflegung und die „wirklich höflichen Jugendlichen, die hier helfen”. Da wird die Evakuierung zum Nachbarschaftstreffen. Zum Firmenausflug wird sie für Rene Busch. Mit Kollegen steht er am Kicker und hat noch weitere Betätigungsvorschläge: „Ein Ball wäre gut oder wenn die Tischtennisplatten aufstellen würden”, findet er. „Immerhin sind wir in einer Sporthalle.” Mülheim macht das Beste aus der Bombe.