Weihnachten – das ist auch das Fest der Geschenke: Schenken und beschenkt zu werden kann manchmal gar nicht so einfach sein. Es kommt auf die gute Absicht an, weiß die Mülheimer Diplompsychologin Brigitte Vahsen.

Wenn man jetzt durch die Stadt geht, bekommt man den Eindruck, dass die Männer Stress beim Aussuchen der Geschenke haben . . .Vahsen: Ganz viele Menschen machen sich sehr großen Stress damit. Besonders bei den Männern hört man oft: Ich weiß einfach nicht, was ich meiner Frau schenken soll. Vielleicht liegt es daran, dass sie nicht so gut zuhören können? Ich denke, dass viele Männer Angst haben, das Falsche oder womöglich nicht genügend zu schenken. Aber das ist ja völlig unbegründet. Allein die Tatsache, dass sich jemand Gedanken um den anderen macht, ist doch schon etwas Schönes. Frauen merken sich übrigens eher mal eine Bemerkung, die jemand das Jahr über macht, und zaubern dann eine Überraschung hervor.

Seneca soll einst gesagt haben „Das wahre Geschenk besteht nicht in dem, was gegeben oder getan wird, sondern in der Absicht des Gebenden oder Handelnden.”Vahsen: Genau! Dieses Zitat sagt aus, dass allein die Absicht schon zählt! Und das ist schon zu würdigen. Denn es geht ja in erster Linie darum, dem anderen eine Freude zu machen. Kinder finden das noch ganz normal: Die schenken anderen immer genau das, was ihnen selbst am besten gefällt.

Sollte das nicht überhaupt der Sinn des Schenkens sein?Vahsen: Klar, die Tatsache, dass ich mich intensiv damit beschäftigt habe, womit ich dem anderen eine Freude machen kann, ist doch eigentlich das Wichtigste!

Und wenn die Absicht nicht ankommt, das Geschenk einfach nicht gefällt? Was wäre dann die angemessene Reaktion, damit keiner, weder der Schenkende noch der Beschenkte, sein Gesicht verliert?Vahsen: Dann muss man ehrlich darüber reden: Du hast es gut gemeint und dir so viel Mühe gegeben – aber ganz ehrlich, etwas anderes wäre mir lieber. Könnten wir das vielleicht umtauschen? Überhaupt nichts zu sagen ist doch einfach unehrlich – und man kann sich ja auch gar nicht richtig freuen.

Es gibt ja auch Familien, in denen schenkt man sich nichts mehr. Kann man sich nicht auch mal etwas Immaterielles schenken?Vahsen: Durchaus. Wenn es etwa im Jahr 2007 einen ganz bestimmten Streitpunkt innerhalb der Familie gegeben hat, und dann beschließt man zu Weihnachten: Ich will diesen Streit in Zukunft vermeiden, das schenke ich euch. Das finde ich wirklich eine ganz tolle Idee. Oder man schenkt sich Zeit: Man könnte planen, vielleicht einen schönen Tag miteinander zu verbringen. Zeit ist für viele Menschen heute etwas ganz Kostbares.

Oft wird ja auch etwas verpackt und verschenkt, damit man eine Pflicht erledigt hat. . .Vahsen: Das ist nicht der wirkliche Sinn eines Geschenks.

Was ist der Sinn? Die Wertschätzung für den anderen damit auszudrücken?Vahsen: Wenn jemand einen teuren Ring verschenken will, wird er natürlich auf die Frage, ob das der Ausdruck seiner Wertschätzung für den anderen ist, ja sagen. Und es ist ja auch ein schönes Geschenk. Aber was macht denn derjenige, der das Geld nicht hat? Der muss doch auch die Möglichkeit haben, zu zeigen: Du bist für mich der wichtigste Mensch auf Erden. Das kann doch nicht vom Geld abhängig sein. Sondern allein davon, wie ich mit diesem Menschen umgehe, ihn eben wertschätze und gut behandle. Und das sollte nicht nur zu Weihnachten so sein, sondern an jedem Tag im Jahr. (Interview: Bettina Kutzner)