Sieger schütteln Hände in allen Richtungen, erhalten Küsse. Sieger lächeln, atmen auf. Dagmar Mühlenfeld ist die Erleichterung anzusehen, vorbei die Ungewissheit, vorbei der Druck des Wahlkampfes: Mit 43,1 Prozent wird sie deutliche Siegerin des Abends. Sie bleibt Oberbürgermeisterin in Mülheim.

Keine Spur von Kopf-an-Kopf-Rennen: In Mülheim ist Dagmar Mühlenfeld die Gewinnerin. Sie bleibt im Amt und lächelt.

Viel gekämpft und wenig gewonnen

Dagmar Mühlenfeld und íhre Schwester Ulrike Haase.
Dagmar Mühlenfeld und íhre Schwester Ulrike Haase. © Waz Foto Pool

Verlierer haben es schwerer, ringen nach Worten, nach Erklärungen, müssen Enttäuschungen verkraften. Stefan Zowislo hat viel gekämpft und wenig gewonnen. 23,9 Prozent: für ihn ein niederschmetterndes Resultat. Wechselstimmung? Davon gibt es am Wahlabend keine Spur. Zowislo dankt seinen Helfern, die über ein Jahr mit ihm im Einsatz waren. Er gratuliert der Oberbürgermeisterin, wünscht ihr eine gute Hand für diese Stadt.

Die CDU ist der große Verlierer. Nicht nur bei der OB-Wahl, auch bei der Ratswahl bricht sie ein. Mit gerade mal 25 Prozent verliert sie massiv. Traurige Gesichter im Saal der Union, die sich wie die anderen Parteien in der VHS eingefunden hat. Von einem Tag der Niederlage spricht Parteichef Andreas Schmidt und kann sich das Votum der Wähler nicht erklären.

Rummel bei der SPD

Überfüllt, überhitzt der Raum, überdreht die Stimmung: Bei der SPD ist von Beginn an Rummel. Immer wieder werden die neuesten Ergebnisdiagramme, per Beamer an die Wand geworfen, mit Applaus begrüßt. Um 19.17 Uhr setzt rhythmisches Klatschen ein, „42 Prozent für Dagmar!” melden Parteifreunde Mund-zu-Mund in den Flur. Gratulanten herzen Mühlenfeld, die Umarmung eines hünenhaften Genossen lässt die zierliche Person abheben. Um 19.25 entledigt sich die bleibende Oberbürgermeisterin ihres nadelgestreiften, dunkelblauen Blazers.

"Gute Arbeit geleistet"

Es werden schließlich 43,1 Prozent der Stimmen, fast ebenso viele, wie der erste Wahlgang 2003 erbrachte. „Wir haben gute Arbeit geleistet”, erklärt die OB, „außerdem bin ich bekannt in der Stadt. Die Leute wissen, dass sie sich auf mich verlassen können.” Nervosität, gar Lampenfieber habe sie am Wahltag nicht empfunden: „Ich bin nicht kaltblütig, aber ich war mir sehr, sehr sicher, dass es so ausgehen würde...”

Gellender Jubel unterbricht sie. Mit Sprechchören und Hüpfen im Pulk wird Heino Passmann gefeiert, der in Broich-Süd 33,53 Prozent holt und damit dem CDU-Mann Heiko Hendriks (30,16 %) den Wahlbezirk 23 entreißt. Hendriks rettet sein Ratsmandat nur noch über den Listenplatz: Nummer elf.

Als Peter Beitz, stellvertretender Parteivorsitzender der FDP, und einige Mitstreiter mit dem Pokal für den dritten Platz beim Drachenboot-Rennen in die VHS einziehen, ahnen sie noch nicht, dass die Liberalen bei der Kommunalwahl die Nase vorn haben. Als eigentlicher Gewinner geht die FDP hervor. Bereits am Anfang des Wahlabends hofft OB-Kandidat Christian Mangen zwischen zwei Bissen in sein Salami-Brötchen auf „zehn plus x” für seine Partei. Für sich selbst könne er es nur schwer einschätzen.

Dann fährt Mangen als OB-Kandidat für die Liberalen eine Traumquote von 11,45 Prozent ein. Auch das gewünschte Ergebnis für die Partei kann getoppt werden: 11,2 Prozent. Die Sitze im Rat werden von drei auf sechs verdoppelt. Richtig gezittert hat Brigitte Mangen, FDP-Ratsfraktionsvorsitzende: „Als Mutter ist man schon emotional dabei.”

Schwül ist es im Raum, wo sich die FDP drängelt. Kreisvorsitzende Ulrike Flach ordert neue Getränke. Die Spannung steigt. Als der OB-Kandidat die Zehn-Prozent-Hürde genommen hat, bricht Jubel aus. Allein in seinem Wahlbezirk Stadtmitte hievt Mangen seine Partei von fünf auf über 14 Prozent. „Wir hatten noch nie einen Kandidaten, der sich derart in den Wahlkampf hineingeworfen hat”, lobt Ulrike Flach. Gepunktet habe er bei der Jugend, meint Christian Mangen: „Jugendliche wollen nicht irgendwelche Versprechungen hören, sondern eine direkte Ansprache.”

Verhalten optimistisch gehen die Mülheimer Bürger-Initiativen ins Finale. Sie möchten wenigstens ihre 10,3 Prozent aus dem Jahr 2004 halten. Doch dann, als draußen Dunkelheit einsetzt, verkündet Fraktionssprecher Lothar Reinhardt: „Jetzt wird's ernst.” Ernst mit dem Feiern, denn die Wahlparty soll im Handelshof fortgesetzt werden. Über 11,6 Prozent der Stimmen freuen sich die MBI, was schließlich für sieben Sitze im Stadtrat reicht – zwei mehr als bisher.

Dagmar Mühlenfeld und Barbara Steffens.
Dagmar Mühlenfeld und Barbara Steffens. © Waz Foto Pool

„Wir fühlen uns bestätigt”, sagt Reinhardt, „und wir gehen gestärkt in die nächste Legislaturperiode.” Friedel Lemke, der als OB-Kandidat für die MBI auf 8,3 Prozent kommt und sich damit recht zufrieden zeigt, meint: „Die Leute haben unsere Thematik angenommen.” Ausschlaggebend für die Ergebnissteigerung sei ihre „bürgernahe” Politik.

Bei den Grünen steht zumindest auch eine geöffnete Sektflasche auf dem Tisch. Die Partei gewinnt 1,7 % hinzu, ist zufrieden und sieht in dem Gesamtergebnis der Stadt eine Menge an Unzufriedenheit. „Ein ,Weiter so wie bisher' will der Wähler sicherlich nicht”, sagt die OB-Kandidatin Barbara Steffens.

Linke wollen Ideen für die Stadt einbringen

Eine andere Dame, silbern gelockt, trägt einen rosa Halsreif mit Glitzersteinchen. Sie hat sich für eine besondere Premiere fein gemacht: Das Maskottchen der Linken ist ein Pudel namens Nancy. „Wenn sie wählen könnte, würde sie links wählen”, ist sich Hans-Wilhelm Ehlers sicher. Der OB-Kandidat lächelt. Er ist mit dem Ergebnis – für sich 3,49 % und 4,4 % für seine Partei – mehr als zufrieden. „Unser Ziel, als Fraktion mit drei Sitzen im Rat vertreten zu sein, hat sich erfüllt.” Man sei schließlich aus dem Nichts gekommen. „Jetzt können wir unsere Ideen für die Stadt einbringen.”

Alle 30 Kandidaten der Linken für den Rat und die Bezirksvertretungen sind gekommen und sitzen am Rand im Foyer. Der Einzug in den Rat gibt Ansporn, die eigene Geschäftsstelle voranzutreiben. „Ich denke, dass wir zu Beginn der neuen Legislaturperiode im Oktober eine Geschäftsstelle haben werden”, sagt Ehlers. Eine große Wahlparty gibt es bei den Linken nicht. „Einige werden mit Oppositionspolitikern zusammensitzen.” Mit denen der MBI beispielsweise, wo man Berührungspunkte sieht.