In der Friedenskirche Heißen, deren Altarraum gerade renoviert wird, findet am Sonntag um 10.30 Uhr ein Baustellengottesdienst statt. Der Geistliche wird das unordentliche Ambiente genießen, wird Blaumann tragen und zu den Gläubigen von einem Gerüst aus sprechen.

Wer Michael Manz nicht kennt, mag diesen Auftritt erstaunlich finden. Die Gemeindemitglieder dagegen wundern sich kaum. Sie haben ihren Pfarrer, der seit 16 Jahren in Amt und Würden ist, schon öfter als Showtalent erlebt.

Im WM-Sommer 2006 und ebenso später bei der Europameisterschaft ließ Manz mitten im Gotteshaus eine Leinwand herab, lud zum gemeinschaftlichen Fußballgucken, Public Viewing. Dabei trat der Mann, dessen Herz für Schalke schlägt, im Trikot an. Nebenbei: Die S04-Dauerkarte und möglichst regelmäßige Arena-Besuche sind eines der wenigen Hobbys, für die die knappe Freizeit des fünffachen Vaters reicht.

Schon Tradition in der Friedenskirche ist das Weihnachtsspiel: eine Familiensaga mit Manz in der Hauptrolle. Alle Jahre wieder gibt es eine neue Episode. Zur Konfirmation 2009 trat der Pfarrer im Reggae-Look auf, barfuß und rhythmisch bewegt.

„Manche sagen, ich könnte auch Entertainer im Fernsehen werden.” Es scheint ihm zu schmeicheln. Manz weiß, dass sein Stil nicht jedermanns Sache ist, doch: „Die Kritiker gehen in andere Kirchen.” Mit dem Besuch seiner Gottesdienste ist er sehr zufrieden, sowohl was die Zahlen betrifft als auch den Generationen-Mix. Der 46-Jährige gibt zu, dass er Show-Effekte mag. „Man muss die Leute locken, einen Eye-Catcher bieten. Und dann versuche ich, meine Botschaft rüberzubringen.”

Zugleich verfolgt er eine andere Richtung, „spirituell” nennt er sie. Davon zeugt eine Kette am rechten Handgelenk, die er ständig trägt: „Perlen des Glaubens” nach einer Idee des schwedischen Bischofs Martin Lönnebo, zu der Manz demnächst auch einen Workshop anbietet.„Für mich ist es wichtig, mich mit spirituellen Dingen zu beschäftigen, und es gibt eine Anzahl von Leuten, die so etwas vermisst haben.”

Die Friedenskirche ist klein und äußerlich unscheinbar, hat aber einiges zu bieten. Den integrierten Eine-Welt-Laden etwa. Gleich am Eingang kann man fair gehandelte Schreibwaren oder Schokolade kaufen. Hier geschieht alles unter einem Dach: ein Konzept, das Manz mit der örtlichen Tradition begründet. Zu dem vor hundert Jahren gebauten Gotteshaus gehörte anfangs kein Gemeindezentrum. Schon damals probte der Chor im Kirchenraum und turnten an selber Stelle die CVJM-Jungs.

Neuerdings findet hier auch der Tanz-Tee statt, mit Alleinunterhalter. 65 Leute seien letztens gekommen, freut sich Manz. „Einen oder zwei muss es gegeben haben, die meinten: ,Muss das sein, vor dem Altar zu tanzen?” Ihm persönlich sagten sie es nicht.

Einen neuen – nicht Tanzboden, aber Untergrund bekommt der Altarraum gerade. Wo Teppich war, wird Stein gelegt („für die Ewigkeit”). Der Anstrich wird aufgefrischt, neue Beleuchtung angebracht, welche die Fenster ins rechte Licht rückt. Die Hälfte der Kosten, 18 500 Euro, muss durch Spenden zusammenkommen. Etwas mehr als 2 420 Euro fehlen noch. Hier, hofft der Pfarrer, hilft eine Art Auktion im morgigen Sonntagsgottesdienst weiter: Höher und höher auf dem Handwerkergerüst will er steigen, sobald jemand Geld bietet.

Was er mit der Inszenierung ausdrücken möchte, leuchtet ein: „Kirche ist eine Baustelle. Nicht nur der Pfarrer, sondern alle zusammen müssen Hand anlegen bei diesem großen Projekt.” Gleichwohl wird Pfarrer Manz die blaue Latzhose im Verlauf der Veranstaltung durch ein Gewand ersetzen, denn „es finden ja auch Taufen statt, und das sähe auf den Fotos etwas blöd aus”. Klingt wie ein Mann, der seine Grenzen kennt.