Mülheim. . Eine Mumie in Mülheim: Wie kam sie nur zum Karl-Ziegler-Gymnasium? Und wer war der Spender? Vieles spricht für einen großen Ruhrindustriellen.

  • Im Rätselraten um die 2700 Jahre alte Mumie aus Ägypten melden sich viele Zeitzeugen
  • Viele glauben, dass Hugo Stinnes die Mumie dem Ziegler-Gymnasium geschenkt hat
  • Mumie soll in den 1930er-Jahren im „Aquarium“ der Familie Stinnes ausgestellt gewesen sein

Lässt sich erhärten, dass die Mülheimer Unternehmer-Ikone Hugo Stinnes (1870-1924) höchstselbst dem Karl-Ziegler-Gymnasium jene ägyptische Mumie samt Sarkophag gespendet hat, die nun im Zentrum der Ausstellung „Tod und Ewigkeit“ im Archäologischen Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster steht? Weitere Zeitzeugen, darunter ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Stinnes, halten diese Version für realistisch.

Nach unserem Aufruf haben sich zahlreiche ehemalige Ziegler-Schüler gemeldet, um ihre Erinnerungen an die 2700 Jahre alte Mumie zu schildern, die bis 1978 als Asservat der Biologie in der Schule lagerte.

„Der Mumiensarg galt bei uns als Geschenk einer begüterten Unternehmerfamilie“

Karlheinz Noy, Jahrgang 1945, hat Erinnerungen daran, „dass die Mumie als Geschenk eines Mitglieds der Familie Stinnes, es dürfte sich um Hugo Stinnes gehandelt haben, in die Exponatesammlung des städtischen Gymnasiums kam“. Auch Willi Richard, der 1950 Abitur an dem damaligen Städtischen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium gemacht hat, stützt die Version, dass Hugo Stinnes der Mumien-Spender gewesen sein könnte: „Der Mumiensarg galt bei uns als Geschenk einer begüterten Unternehmerfamilie.“

Hugo Stinnes – das sei realistisch, sagt auch ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Stinnes-Konzerns, heute 91 Jahre alt. Der Speldorfer besuchte von 1935 bis 1943 selbst die Städtische Oberrealschule, wie das Ziegler-Gymnasium seinerzeit hieß. Selbst frühzeitig von der Biologie in den Bann gezogen, sei er einer der auserwählten Schüler mit Schlüsselgewalt für den Aufbewahrungsraum der Schulbiologie gewesen, schildert der 91-Jährige. „Die Mumie war meiner Meinung nach 1935 schon da.“

Stinnes selbst hat 1888 an der Ziegler-Schule Abitur gemacht

Der ehemalige Stinnes-Vorstand sieht viele Indizien für eine Mumien-Spende von Hugo Stinnes. Stinnes selbst habe an der Schule Abitur gemacht (1888). Seine Familie habe bis zur verheerenden Bombennacht im Juni 1943 nur unweit an der Delle gewohnt, in direkter Nachbarschaft: das „Aquarium“ – in dem die Familie Stinnes neben allerlei exotischen Pflanzen gar lebendige Alligatoren präsentiert habe. Oberrealschüler seien immer wieder dort gewesen für einen Extra-Unterricht Biologie.

Hugos Frau Cläre, in Uruguay geboren, habe selbst ein Faible für Exotisches gehabt, erzählt das Ex-Vorstandsmitglied. Man erinnere sich nur an den Rhododendron-Wald, den sie nach dem Umzug ins Haus Rott an der Großenbaumer Straße angelegt habe. Die vielfältigen internationalen Beziehungen hätten es mit sich gebracht, dass immer wieder landesspezifisch Geschenke ausgetauscht worden seien. Stinnes habe in Ägypten Vertretungen in Alexandria und Suez unterhalten. Möglicherweise habe er dort die Mumie geschenkt bekommen, vermutlich in den 20er-Jahren, und sie an die Schule weitergegeben.

Mumie soll im ehemaligen „Aquarium“ an der Delle ausgestellt gewesen sein

Gerd Oeckinghaus (78) aus Speldorf hat eine ähnliche Geschichte zu bieten. Von 1949 bis 1951 hat er das Staatliche Gymnasium besucht, das auch am heutigen Ziegler-Standort untergebracht war. Auch er war von seinem Biologielehrer Rühlmann mit anderen beauftragt, Exponate aus der Sammlung zu holen und wieder reinzubringen. Rühlmann habe seinerzeit erzählt, dass die Mumie von der Familie Stinnes stamme. „Sie hätten sie jahrelang in ihrem Wohnhaus gehabt, das sei ihnen aber nicht geheuer gewesen.“

Dr. Wilhelm Rauen (90) erinnert sich daran, dass die Mumie in den 1930er-Jahren gar im „Aquarium“ der Stinnes, im ehemals für kulturelle Veranstaltungen genutzten alten Wintergarten, ausgestellt gewesen sei.

„Von einem Nebenraum aus führte bei dämmriger Beleuchtung eine steile Treppe zum Keller hinunter. Auf einem länglichen Tisch lag in einem Glaskasten die Mumie. Das war für uns Jungen natürlich abenteuerlich, die Mädchen gingen uns gar nicht hinterher. Denen war das zu gruselig.“

Lehrer Lehfeldt („Bambus“) war wohl nicht der Spender 

Die Vermutung, dass der redselige und bei den Schülern wegen seiner unzähligen exotischen Anekdoten beliebte Biologie-Hilfslehrer Lehfeldt die Mumie von einer seiner Fernreisen mit nach Mülheim gebracht haben könnte, halten ehemalige Schüler für fragwürdig bis unrealistisch.

Vor seiner Mülheimer Zeit (1946-1949), so schreibt Hermann Mühlenbeck nach Gesprächen mit einigen Mit-Abiturienten des Jahres 1952, habe Lehfeldt wohl 20 bis 25 Jahre an einer deutschen Schule im damaligen Niederländisch-Indien, möglicherweise auf Sumatra oder Borneo, unterrichtet. Da rühre auch sein Spitzname „Bambus“ her. „Mit Ägypten“, so Mühlenbeck, „können wir ihn überhaupt nicht in Verbindung bringen.“

Werner Lehfeldt soll „eine echte Type“ gewesen sein

Doch jener Lehrer Lehfeldt ist vielen nachhaltig in Erinnerung geblieben. Sehr lebhaft, gutmütig sei er gewesen, so Volker Sperlich über den Mann, der so gut habe erzählen können. „Sehr beliebt, unkonventionell, knorrig, voller Geschichten und Sprüche“, schreibt Hermann Mühlenbeck. „Kurz: eine echte Type.“ Die Saarner Aue sei bei Lehfeldt auf besonderes Interesse gestoßen.

Fortschrittlich sei Lehfeldt gewesen, erinnert sich Sperlich, dass der Bio-Lehrer gar sexuelle Aufklärung betrieben habe – „zu dieser Zeit nicht selbstverständlich“.