Mülheim. Wie viele Frauen, die in Mülheim leben, Genitalverstümmelung erlitten haben, ist unbekannt. Am Samstag findet ein Fachtag zum Thema statt.
Genitalbeschneidung von Mädchen und Frauen, passender Verstümmelung genannt, wird immer noch in vielen Ländern weltweit praktiziert, besonders in Ägypten, Indonesien, Äthiopien und anderen afrikanischen Staaten. Aber auch in Mülheim ist sie ein Thema, „das aufgrund der steigenden Zuwanderung vermutlich sogar aktueller wird“, wie Cäcilia Tiemann, Mitarbeiterin der städtischen Gleichstellungsstelle, vermutet.
Gemeinsam mit anderen Aktiven des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt organisiert sie am 26. November einen Fachtag, bei dem Experten über die Gründe, Formen und Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung aufklären. Bislang hätten sich rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet, berichten die Initiatoren. Der Fachtag soll aber ausdrücklich keine Expertenrunde sein, sondern offen für alle Interessierten, auch spontane Besucher.
„Niederschwellig“, sagt Vahide Tığ, langjährig erfahrene Diplom- Sozialpädagogin vom Jugendzentrum Stadtmitte, in dem die Tagung stattfindet. Dort hätten sie schon zwei Veranstaltungen zum selben Thema durchgeführt, „es kamen auch Mütter, die selber betroffen sind“, berichtet Vahide Tığ.
In Deutschland leben nach Schätzungen der Organisation Terre des Femmes, die sich auf 2015 beziehen, etwa 35 700 Frauen, die Opfer von Beschneidung wurden. Wie viele es in Mülheim sind, weiß man nicht, wohl aber, dass es sie gibt. Und: Mädchen sind auch hierzulande gefährdet, es geschieht etwa, dass sie in den Ferien im Ausland verstümmelt werden. Nicht ohne Grund wurde das Strafgesetzbuch in Deutschland vor einigen Jahren um einen eigenen Tatbestand ergänzt: Laut 226 a StGB gilt die Verstümmelung weiblicher Genitalien als Verbrechen.
Dass sie lebensgefährlich ist und mit massiven Schmerzen an Körper und Seele verbunden, wissen nicht nur diejenigen, die den Bestseller „Wüstenblume“ von Waris Dirie gelesen oder den gleichnamigen Film gesehen haben. Mit einem anderen, preisgekrönten Film, der Dokumentation „The Cut“ von Beryl Magoko, beginnt um 11 Uhr der Fachtag in Mülheim. Laut Ankündigung wird auch die aus Kenia stammende Regisseurin anwesend sein, selber eine Betroffene.
Im Anschluss informieren zwei Referenten, die beide schon seit langem gegen Genitalverstümmelung kämpfen: zunächst Jawahir Cumar, Geschäftsführerin der Organisation Stop Mutilation, nach der Mittagspause ab 15 Uhr der Gynäkologe Dr. Christoph Zerm. Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist: Mehr Unterstützung für Betroffene, auch in Mülheim.
Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt
Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt in Mülheim wird koordiniert von der städtischen Gleichstellungsstelle. Er kommt etwa alle drei Monate zusammen, organisiert Kampagnen, Veranstaltungen oder Fortbildungen.
Zu den etwa 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehören eine Ärztin, eine Rechtsanwältin, Vertreter von Amtsgericht, Arbeitsagentur, Frauenhaus, Frauenberatungsstelle, Gesundheitsamt, Kommunalem Sozialen Dienst, Opferschutz der Polizei, Schwangeren- und Konfliktberatung, der politischen Parteien und des Weißen Ringes.
Der Runde Tisch hat auch einen zehnsprachigen Flyer gegen häusliche Gewalt erstellt, zum Download gibt es ihn unter www.muelheim-ruhr.de.