Mülheim. Zum siebten Mal laden die Shiny Toys zu einem internationalen Festival ein.Am Samstag wird der komplette Ringlokschuppen fantasievoll bespielt
Wenn das Kollektiv Shiny Toys sein internationales Festival präsentiert, gibt es wieder Anregungen für alle Sinne. Humor, Technik und Kreativität gehen eine gelungene Liaison ein. Mit auditiven, visuellen und audiovisuellen Formen untersuchen die Künstler zum siebten Mal in ihren Arbeiten den Takt und Rhythmus unserer Zeit, wie es Mit-Initiator Jan Ehlen beschreibt. „Sie transformieren den Ort in das Epizentrum der Experimentalkultur.“ Bespielt wird wieder der gesamte Ringlokschuppen, wobei die Präsentationen eng getaktet sind.
Jeder Besucher soll die Möglichkeit erhalten, alles zu sehen. Und das ist nicht wenig. Am Samstag geht es um 18 Uhr draußen auf der Drehscheibe mit einem Seifenblasen-Projektor von Ingo Wendt los. Später sind auf den unterschiedlichen Bühnen noch neun weitere Künstler zu erleben. Sie kommen aus Norwegen, Frankreich, Portugal und Tunesien. Ehlen selbst war in diesem Jahr in Portugal und Tunesien. Zehn Tage hat er im September mit dem dreiköpfigen Kollektiv Raumzeitpiraten in Tunis verbracht und in der Medina, der verwinkelten Altstadt, gemeinsam mit dem Künstler, Architekten und Kulturproduzenten Aymen Gharbi, der zum Gegenbesuch beim Festival auftritt, ein partizipatives Projekt mit den Bewohnern realisiert.
Zehn Tage in Tunis
Bei einem Stadtrundgang wurden Bewohner mit Lichtprojektoren ausgestattet, die an die Hauswände in den Gassen fantastische und abstrakte Collagen zauberten. Die Zeit war für Ehlen äußerst spannend und ergiebig. „Ich habe bei den jungen Leuten eine sehr hungrige Stimmung nach künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten erlebt“, erzählt er. Nach dem Ende des autokratischen Ben-Ali-Regimes hätten sich in Tunesien die Liberalisierungen des arabischen Frühlings am nachhaltigsten gehalten. Allerdings sei die Situation sehr ambivalent. Einerseits sei das Recht auf Redefreiheit relativ weitgehend gewahrt, gleichzeitig machten islamistische Kräfte mobil, nachdem die Religion unter dem alten Regime lange unterdrückt worden seien.
Beim Festival treten die Piraten mit der Riesenband „The Dorf“ auf, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges feierte und beim Moers Festival bei drei aufeinander folgenden Gastspiele gefeiert wurde, was wohl ausreichend viel über die Qualität aussagt. Die aus 25 bis 30 Musikern bestehende, schillernde Band, die bereits mehrere Tonträger eingespielt hat, besteht aus zwei Schlagzeugern, drei Gitarristen, zahlreichen Bläsern und jeder Menge Live-Elektronik. Die Klänge setzen die Raumzeitpiraten in visuelle Bilder um. Dazu dienen allerlei Kofferinstrumente, die so skurril aussehen wie sie heißen: DrachenEi oder LeuchtKofferGarnele.
Wegbereiterin des Krautrocks
„The Sculptur“ aus England ist eine weitere Gruppe, die sich mit modernen Tonband-Loops, Samples und Synthesizerklängen auf den Zoetrope beziehen. Die historische Apparatur, die durch die Rotation 24 Einzelbilder pro Sekunde wie einen Film erscheinen ließ, wird hier durch einen Plattenspieler und Projektor nachgebildet. Auch das Erscheinen einer bedruckten Schallplatte wird an dem Abend gefeiert.
Älteste Teilnehmerin ist Limpe Fuchs (*1941), die in den 60er Jahren mit Improvisationen bekannt wurde. Sie ist Wegbereiterin des Krautrocks. Sicher ein Erlebnis.