Mülheim. . Zwei Jahrzehnte lang haben Kinder nach dem Krieg in den Ruinen neben der Schützenstraße einen Abenteuerspielplatz. Eltern wussten mehr über den Ort.

Auf dem Gelände neben der Schützenstraße, wo auch Bauer Rohland seine Felder hatte, entstand während des Krieges ein Lager für Russen. „Abenteuerspielplatz Schützenstraße in der Nachkriegszeit“ hat Inge Merz ihre Erinnerungen überschrieben. Hier sind Auszüge:

„Das ehemalige Russenlager an der Schützenstraße war in den 1960er Jahren ein idealer Spielplatz für Kinder. ,Geh’ rüber ins Lager, spielen! Aber nicht so weit reinlaufen!’. Meine Mutter hob mahnend den Zeigefinger. Ja, im ,Lager’ spielen, das war nicht ganz ungefährlich. Da gab es alte Mauerreste, Scherben, riesige Pfützen, allerlei Unrat, umgestürzte Bäume, kleine Tümpel mit Pulpetten (so nannten wir Froschlaich), wilde Brombeerranken und ganz viele Brennnesseln. Man konnte sich auch verlaufen. Kurti Kocks ist mal ganz weit reingelaufen und bis zu den Knien in einem Sumpfstück eingesackt. Das hat Ärger zu Hause gegeben.

Ich war ja nicht allein, meine ,Jungens’ von der Schützenstraße passten ja auf mich auf. Dachte meine Mutter jedenfalls. Das waren meine Freunde, mit denen spielte ich im Sommer den lieben langen Tag – am liebsten draußen im ,Lager’. Das Lager war ein Begriff, den ich als Sechsjährige ganz selbstverständlich gebrauchte, als Name für wilder Spielplatz.

Ich dachte, wie Kinder so folgern, in jeder Stadt gäbe es so ein Lager zum Spielen. Manchmal sagten die Erwachsenen auch ,Russenlager’. Was das genau war, wusste ich nicht. Da haben mal Leute gewohnt, hieß es. Niemand kam auf die Idee, mich über die wahre Bedeutung des Wortes aufzuklären. Erst viel später wurde mir klar, was dahinter steckte: Krieg und menschliches Leid.

Es gab viele Lager in Mülheim, in denen tausende Zwangsarbeiter und auch Kriegsgefangene bis 1945 interniert waren. Für das kleine Mädchen, das im Sommer fast täglich von Eppinghofen aus mit dem Roller seine Oma Guss auf der Schützenstraße 117 besuchte, war es fünfzehn Jahre später der schönste Spielplatz der Welt. Hier spielte ich mit meiner ,Bande’ den ganzen Tag draußen, bis uns die Mutter abends beim Dunkelwerden hineinrief oder wir – im Winter – total durchfroren waren.

Was spielten wir damals in Styrum in den frühen 60er Jahren? Verstecken (1-2-3-4 Eckstein, alles muss versteckt sein, vor mir und hinter mir gildet nich, ich komme…) und Fangen (An dem Baum da ist Wupp); Stand inne Luft (ein Ballspiel), Ochs am Berge 1-2-3; Knicker (Murmeln); Räuber und Schanditt; Ivanhoe-Bilder-Zirbeln. Die Bilder hatten wir aus Tüten, die wir vorher bei Oma Guss „anne Bude“ gekauft hatten.

Selbstgebaute Drachen ließen wir im Lager steigen. Schneemänner mit Kohlenaugen bauten wir im Winter und legten lange Schlinderbahnen an. Wenn genug Kinder da waren, spielten wir auch Völkerball oder Fußball, aber das doch lieber auf der Schützenstraße, weil im Lager der Boden uneben war.“

Familie Rohland bleibt der Geflügelzucht treu

Bauer Rohland ist vielen Mülheimern noch in Erinnerung geblieben. Inzwischen ist es auch ebenso belegt, dass dieser Familienname sich mit „h“ in der Mitte schreibt. Wir erhielten auch Post, wo das „h“ fehlte.

Martin Menke vom Mülheimer Rassegeflügelzuchtverein 1869/1895 schreibt dazu: „In dem Beitrag über die Familie Rohland, die übrigens mit „h“ geschrieben wird, wie ein Blick in historische Adressbücher und auf das beigelegte Foto verrät, wird der Hühnerstall erwähnt. Das Geflügel diente auf dem Hof nicht nur als Eier- und Fleischlieferant, sondern auch als attraktive Freizeitbeschäftigung“, erinnert sich Martin Menke.

„Mehrere Familienangehörige der Rohlands waren Mitglied im Mülheimer Rassegeflügelzuchtverein von 1869, der als erster Verein seiner Art im Ruhrgebiet gegründet wurde. Er organisiert seine Werbeschau zusammen mit den Kaninchenzüchtern am 19. und 20. November in der Alten Dreherei“, lädt Menke Besucher ein.

Auf dem Gruppenfoto von 1949 seien daher nicht nur die Mitglieder abgebildet, sondern auch die Hühner. „Wer allerdings Georg Rohland ist, konnten wir bisher nicht feststellen, eventuell kann dabei ein Leser helfen. Nach dem Abbruch des Hofes blieb die Familie der Geflügelzucht bis heute verbunden“, fügt Martin Menke hinzu.