Mülheim. . Die Herzdruckmassage bei einer leblosen Person kann auch ohne begleitende Beatmung helfen. Nur jeder sechste Deutsche ergreift Wiederbelebungsmaßnahmen.
- Europäischer Tag der Wiederbelebung am 16. Oktober
- Mülheimer Chefarzt bekräftigt, man könne nichts falsch machen
- Mit jeder Minute, die tatenlos verstreicht, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent
All jene, die einmal in die Situation kommen sollten, einen Menschen mittels Herzdruckmassage wiederbeleben zu müssen, kann Dr. Ingmar Gröning beruhigen: „Man kann in einer solchen Situation nichts falsch machen“, sagt der Chefarzt der Notaufnahme des Evangelischen Krankenhauses Mülheim. Mit einer Einschränkung: „Falsch ist nur, nichts zu machen.“ Der erste in der Rettungskette sei eben nicht der Notarzt oder Sanitäter, sondern der, „der auch die 112 anruft“. Darauf will auch der Europäische Wiederbelebungs-Rat (ERC) am 16. Oktober, dem „Europäischen Tag der Wiederbelebung“, aufmerksam machen. Gröning: „Es ist wichtig, den blinden Fleck in der Rettungskette zu beseitigen.“
Selbstredend stresst eine Situation, in der es um Leben und Tod geht, Ersthelfer nicht selten enorm. In Panik und aus Angst, weiteren Schaden anzurichten, kommt es immer wieder vor, dass einfach auf den Rettungsdienst gewartet wird – mit oft fatalen Folgen für die Person in Not. Dabei sind gebrochene Rippen das kleinste Problem bei der Herzdruckmassage – gesundheitlich wie rechtlich. Die Stiftung Deutsche Anästhesiologie weist darauf hin, dass mit jeder Minute, die bis zum Beginn der Reanimation verstreicht, die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent sinkt, bei sofortiger Herzmassage aber in fast jedem zweiten Fall der Spontankreislauf zurückkehrt.
Ob die Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung zwingend Teil der Erste-Hilfe-Maßnahmen sein sollte, ist unter Medizinern seit einigen Jahren umstritten. Die einen sagen: Bloß keine Zeit verlieren durch die Beatmung. Die Massage erfordert Kraft und Konzentration, richtig angewandt erhält sie den Kreislauf und somit die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff erst einmal aufrecht. Dazu kommt, dass die Vorstellung, einer fremden Person den Mund auf Mund oder Nase pressen zu müssen, unangenehm bis eklig sei und Laien oft nicht wissen, wie man korrekt Atem spendet.
Gröning vertritt eine klare Position: Wer weiß, wie die Atemspende funktioniert, sollte dies auch tun. Er stützt sich dabei auch auf Ergebnisse, die der Europäische Wiederbelebungs-Rat (ERC) in seinen aktuellen Leitlinien präsentiert. Traut sich jemand eine Beatmung aber nicht zu, rät er ausdrücklich zur alleinigen Herzdruckmassage als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ bei der Reanimation von Menschen.
Denn wer nach einem Herzstillstand nicht innerhalb von fünf Minuten eingreift, riskiert, dass das Opfer stirbt oder zumindest irreparable Hirnschäden erleidet. Denn so schnell können Rettungsdienste in der Regel nicht am Ort des Geschehens sein. Eine Auswertung von Daten des Deutschen Reanimationsregisters hat ergeben, dass bundesweit in nur 15 Prozent der Fälle Ersthelfer mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Im europaweiten Vergleich ist Deutschland Schlusslicht, in Schweden oder Norwegen etwa liegt die Quote bei 60 Prozent.
Nach Möglichkeit Defibrillator nutzen
Prüfen, Rufen, Drücken – mehr müssen Ersthelfer für die Wiederbelebung nicht verinnerlichen. Das heißt konkret: Die leblose Person ansprechen, gegebenenfalls an den Schultern rütteln, in jedem Fall die Atmung prüfen. Dann den Notruf 112 wählen und, atmet die Person nicht, mit der Herzdruckmassage beginnen. Dafür drückt man mit übereinander gelegten Händen mittig auf den Brustkorb, 100 Mal pro Minute, etwa fünf Zentimeter tief, auch wenn Rippen brechen. Da das sehr kräftezehrend ist, sollte man schauen, dass jemand in der Nähe ist, der einen ablösen kann, wenn es nicht mehr geht. Denn ganz wichtig: Die Herzdruckmassage darf erst enden, wenn der Rettungsdienst eintrifft und übernimmt.
Immer mehr öffentliche Plätze sind inzwischen mit Defibrillatoren ausgestattet. Kann gewährleistet werden, dass jemand die Herzdruckmassage ohne Unterbrechung durchführen kann, sollte der AED (Automatisierte externe Defibrillator) auch zum Einsatz kommen. Das ist kein Hexenwerk, wie Dr. Ingmar Gröning bestätigt. Die elektronischen Lebensretter sind so konzipiert, dass sie jedermann bedienen kann. Das hat ein Versuch mit Studienanfängern an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen gezeigt. Ein Piktogramm zeigt, wie der Defibrillator auf die Brust aufgesetzt und bedient wird, die Geräte sind mit Sensoren ausgestattet und sprechen bei Inbetriebnahme oder etwa, wenn nicht kräftig genug gedrückt wird. Was ein Ersthelfer braucht, so Gröning, sind „Mut und Wille und Vertrauen in die eigene Stärke“.