Mülheim. . Die Anfang wurde am Löhberg gemacht. Nach einer Zwischenetappe an der Schloßstraße ging es 1953 an der Friedrich-Ebert-Straße weiter. Das Ende kam vor über sechs Jahren.

Das 90-jährige Bestehen erleben der Kaufhof und seine Vorgängerbauten in Mülheim nicht mehr. Gerade läuft der Abriss des dritten Gebäudekomplexes an der Friedrich-Ebert-Straße. Das Kaufhaus Tietz und der Kaufhof haben trotzdem eines geschafft: Sie haben alle Kaufhausmitbewerber – Neckermann und Hertie – in der Ruhrstadt überdauert. Erst am 29. Mai 2010 verabschiedetet sich die Belegschaft von den Mülheimern. Hätten diese in den Jahren zuvor so im Kauhof gekauft wie in den Monaten vor der Schließung – vielleicht gäbe es den Kaufhof in Mülheim noch.

Am Löhberg eröffnet am 17. Oktober 1928 das erste Kaufhaus Tietz (später Kaufhof) seine Türen und wird ein Jahr später erweitert.
Am Löhberg eröffnet am 17. Oktober 1928 das erste Kaufhaus Tietz (später Kaufhof) seine Türen und wird ein Jahr später erweitert. © WAZ-Archivbild

Am 17. Oktober 1928 eröffnet Tietz am Kohlenkamp/Löhberg. „Ein Jahr zuvor hat die Leonhard Tietz AG das ehemalige Kaufhaus „Hammonia“ übernommen und mehrere Monate lang umgebaut“, schreibt Stadtarchivar Jens Roepstorff. „Begleitet wird die Neueröffnung von einer beispiellosen Werbekampagne in den Zeitungen: großformatige, teilweise ganzseitige Anzeigen priesen das umfangreiche Sortiment des neuen Warenhauses.“ Die Mülheimer staunen über das neue Prunkstück ihrer Stadt, über Rolltreppen auf fünf Etagen und Delikatessen aus aller Welt.

Die Nationalsozialisten setzen die jüdische Familie Tietz unter Druck. Mitte der 1930er Jahre wechselt sie den Namen von Leonhard Tietz AG in Westdeutsche Kaufhof AG (kurz: Kaufhof), um die Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern. 1936 enteignen die Nazis die Familie, arisieren das Unternehmen und tauschen die Leitung aus. Die Familie emigriert ins Ausland.

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Ein Bombenangriff zerstörte 1943 die Filiale so stark, dass der Verkauf in zwei behelfsmäßige Notverkaufsstätten an der Schlossstraße – in das Woolworth-Haus sowie in das Eisenwarengeschäft Höfmann – ausgelagert werden muss. Am heutigen Standort des Hotels Noy an der unteren Schlossstraße eröffnete der Kaufhof am 30. November 1948 seinen ersten Neubau nach dem Krieg.

Das ist nur eine Übergangslösung. Fünf Jahre später, im November 1953, bezieht der Kaufhof einen modernen und nach damals geltenden technischen Standards ausgerüsteten, viergeschossigen Neubau an der Friedrich-Ebert-Straße. Der Umzug in dieses Gebäude bringt eine Ausweitung der Verkaufsfläche auf 6000 Quadratmeter. Das neue Haus wird 1962-63 auf 20 000 Quadratmeter Verkaufsfläche erweitert, die aber nie komplett genutzt werden, sowie um ein Parkhaus ergänzt. Am Berliner Platz errichtet der Konkurrent Neckermann ein zehnstöckiges Kaufhaus.

Beide existieren zehn Jahre nebeneinander, weil die Bevölkerung wächst. Auch die Eröffnung des City-Centers mit einer Hertie-Filiale, erschüttert den Kaufhof kaum. Er ist nach wie vor erstes Kaufhaus in der Stadt. Dann ziehen Einkaufszentren wie das Rhein-Ruhr-Zentrum die Kundenströme an.

Die Familie Stinnes besitzt früher neben der Schloßstraße einen Reitplatz. Bebauungswünsche sind damals untergeordnet, nur einige Kleinbauten geduldet.
Die Familie Stinnes besitzt früher neben der Schloßstraße einen Reitplatz. Bebauungswünsche sind damals untergeordnet, nur einige Kleinbauten geduldet. © Stadtarchiv

Den Bedeutungsverlust illustriert ein Zahlenvergleich. Zur Spitzenzeit arbeiteten hier 1300 Mitarbeiter, am Ende waren es 81, die weitgehend Anschlusslösungen fanden. Es gab für die 53 Schaufenster alleine 30 Dekorateure, 30 weitere für den Laden und dazu 10 Plakatmaler. 15 Jahre lang schwebte die Schließung wie ein Damoklesschwert über dem Standort, der am Ende so viel Umsatz wie ein gut laufender Lebensmittelmarkt macht. Die eigene Lebensmittelabteilung stand schon einige Jahre vor der Schließung leer. Sie mit neuem Leben zu füllen, scheiterte schließlich an den gestiegenen Auflagen.

Bis zum großen Bombenangriff hat Wilhelm Rieken jun. sein Gardinen- und Teppichgeschäft zwischen Schollen- und Schloßstraße. Das neue Hochhaus entsteht 1955 einige Meter weiter.
Bis zum großen Bombenangriff hat Wilhelm Rieken jun. sein Gardinen- und Teppichgeschäft zwischen Schollen- und Schloßstraße. Das neue Hochhaus entsteht 1955 einige Meter weiter. © Stadtarchiv

Gegen den Bedeutungsverlust arbeiten die Geschäftsführer mit kontinuierlichen Qualitätsverbesserungen und einer Sortimentsausdehnung. Sie versuchten, das Galeria-Konzept, das die Zentrale verweigert, durch die Hintertür einzuführen. „Wir erzielen einen Anteil des Umsatzes mit Artikeln, die wir vor drei Jahren noch gar nicht hatten“, so Frank Quirll und wähnt sich auf dem richtigen Weg. Wäre eine Bestandsgarantie aus Köln gekommen, Jochen Hoffmeister und Bodo Scheibel, die die Immobilie zwischenzeitlich erworben hatten, hätten einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. 2009 wird die Zentrale Haltestelle eingeweiht, für die sich schon Geschäftsführer in den 90ern eingesetzt hatte. Fast gleichzeitig kommt der Schließungsbeschluss.