Mülheim. . Jahr für Jahr verzichten mehr Mülheimer auf den Piks. Dabei, so warnen Ärzte, sei er nötiger denn je. Schließlich werde die Gesellschaft immer älter.
- Vogel- und Schweinegrippe versetzten die Menschen vor Jahren in Angst
- Mittlerweile macht sich eine Impfmüdigkeit breit
- Dabei sterben an der Influenza noch immer mehrere tausend Menschen
H1N1, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Pandemie: Es waren diese Begriffe, die etliche Menschen vor einigen Jahren in Angst und Schrecken versetzten. Zu spüren war das vor allem bei den Ärzten vor Ort: Grippeschutzimpfungen wurden häufiger nachgefragt. „Mittlerweile aber macht sich eine gewisse Impfmüdigkeit breit“, bedauert Uwe Brock. Der hausärztliche Internist verzeichnete 2015 einen Rückgang der Grippeschutzimpfungen um bis zu 20 Prozent gegenüber den Jahren 2008 bis 2010, in denen die Panik besonders groß war. Brock missfällt der aktuelle Trend: „Die Mülheimer werden immer älter – sie sollten eher mehr geimpft werden als weniger.“
Die ersten Chargen des diesjährigen Influenza-Impfstoffes sind ausgeliefert; bis dato impfen Brock und seine Kollegen vom Hausarztzentrum im Ruhrquartier trotzdem höchstens zwei Dutzend Patienten pro Tag. Damit sei der Höhepunkt zwar noch nicht erreicht, glaubt der Mediziner – „die meisten kommen im vierten Quartal“ –, aber es bleibe wohl dabei: Die Zahlen sind rückläufig. Das habe vor allem damit zu tun, dass es in den Jahren der Angst – anders als von vielen erwartet – eben nicht zum großen Gau gekommen war. „Es gab keine Pandemie, nichts, was ganz Europa in Mitleidenschaft gezogen hätte“, so Brock, der Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Ärztekammer Nordrhein ist. In der Folge habe es „eine Desensibilisierung“ gegeben, sei die Aufmerksamkeit gegenüber den Erkrankungen deutlich zurückgegangen.
Nur noch wenige Patienten kommen aus eigenem Antrieb zur Impfung
Heute kämen nur noch wenige Patienten aus eigenem Antrieb zur Impfung, die meisten müssten speziell darauf hingewiesen werden, dass sie „zur Gruppe gehören, die davon profitiert“. Das seien vor allem über 60-Jährige sowie chronisch Kranke. Laut Brock eine durchaus große Gruppe – „Mülheim ist nach Jena die zweitälteste Stadt im Bundesgebiet“.
Der 54-Jährige empfiehlt die Grippeimpfung, die nicht länger als zwei Minuten dauere, übrigens gern in Kombination mit einer nur alle sechs Jahre aufzufrischenden Pneumokokken-Impfung, die bakteriell hervorgerufene Lungenentzündungen verhindern könne. Gespritzt werde längst nicht mehr in den Po, „das ist mega-out“, sondern in den Oberarm, was deutlich effektiver sei.
Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein belegen Brocks Einschätzung
Die offiziellen Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein belegen Brocks persönliche Einschätzung zum Thema: Danach haben sich vor Ort 2015 insgesamt 24 269 Menschen gegen Influenza impfen lassen, 2014 waren es noch 25 039 und 2013 sogar 26 527. Weiter zurückliegende Daten könne man nicht rekonstruieren, so ein Sprecher.
Man gehe davon aus, dass wechselnde Faktoren für den Rückgang ursächlich sind, unter anderem die Erwartung eines milden Winters. Da die Grippe in Deutschland jährlich mehrere tausend Opfer fordere, rate man dringend zum Piks. Die beste Zeit dafür seien die Monate Oktober und November. In der Regel dauere es zwei Wochen, bis der Körper genügend Antikörper produziert hat, um gegen eine Infektion gewappnet zu sein.