Mülheim. . Die 18. Herbstblätter bieten eine breite Palette von Liebeslyrik über gereimte Erziehungstipps bis hin zum finsteren Zukunftsroman. Eine Lesung wird als multimediales Spektakel inszeniert.

  • Alexander „Lex“ Wohnhaas, Frontmann der Band Megaherz, lies aus dem Buch Blutzoll
  • Susanne Fröhlich stellt ihr neues Werk „Feuerprobe“ vor
  • In „Zeltstadt Zeche Zollverein“ zeichnet Bernd Desinger eine düstere Version des Ruhrgebiets im Jahr 2032

Der Sparzwang ist auch an den literarischen Herbstblättern nicht vorbei gegangen. Waren es früher zehn Veranstaltungen, mit denen Claudia vom Felde und ihr Team Bücherfreunde in die Bibliothek locken konnte, so sind es in der 18. Auflage nur noch acht und mit größeren Namen konnte die Reihe auch schon mal aufwarten. Aber mit interessanten Themen von Wein über Frauen (dem ohnehin lesefreudigeren Geschlecht) bis zum Gesang funktioniert es dennoch ganz gut. In den sieben Jahren, in denen die Reihe im Medienhaus läuft, habe es noch keinen einzigen Flop gegeben, freut sich Bibliotheksleiterin vom Felde, weist auf den ersten ausverkauften Termin hin und erklärt auf Nachfrage, dass es für diese Literaturreihe gar keinen Etatposten geht. „Man geht davon aus, dass sich das selbst trägt.“ Tut es natürlich nicht und so ist die Bibliothek auf Kooperationspartner wie die Sparkasse und Sponsoren angewiesen.

Feuerprobe

Prominentester Name ist der der Bestsellerautorin und Journalistin Susanne Fröhlich, die bereits vor zwölf Jahren mit ihrem bislang größten Erfolg „Moppel ich“ damals noch am alten Standort an der Ruhrstraße zu Gast war. Vom Felde hat die 54-Jährige als unkompliziert, angenehm und humorvoll in Erinnerung. In „Feuerprobe“, dem erst vor 14 Tagen erschienenen Roman, gibt es ein Wiedersehen mit Andrea Schmidt, die seit „Frisch Gepresst“, als Schmidt erstmals Mutter wurde, alle Freuden und Probleme der Frauen durchleben muss. Inzwischen ist sie 50 und ihr aktueller Lebensabschnittspartner hat ihr eine Kreuzfahrt geschenkt. Aber alles ist nicht so einfach: Die Mutter leidet unter Demenz, der Sohn hängt nach knapp bestandenem Abitur in den Seilen, die beste Freundin hat Liebeskummer und bei der Arbeit ist es öde, aber okay. Wie würde sie ihr Leben bewerten? Drei von fünf Punkten. Zu wenig, um sich zufrieden zu geben. Wie sie ihr Leben in die Hand nimmt, ist am Freitag, 28. Oktober zu erleben (10 Euro Vorverkauf, 12 Euro Abendkasse).

Ausverkauft ist bereits die Deutsche Weinlesung mit Stephan Dierichs (14. Oktober), der bereits im Vorjahr nach Sizilien führte und wohl recht frivole Texte gelesen hat.

Finstere Zukunftsvision

„Blutzoll“ - der Name des Romans klingt eher nach einer Mittelalterband. Alexander „Lex“ Wohnhaas spielt tatsächlich in einer Rockband und ist Frontmann bei Megaherz, die in diesem Jahr beim Burg-Folk-Festival aufgetreten ist. Das Gesicht war kunstvoll geschminkt, die Krawatte mit einem Kreuz versehen und als Mikrofonständer nutzte er einen Baseballschläger. Den Diplom-Politologen lud vom Felde auf Empfehlung des Kollegen Michael Bohnes ein, der die Festivals auf Schloß Broich verantwortet – auch mit der Hoffnung auf ein anderes Publikum. Blutzoll ist ein böser Thriller, der mit Rechtsradikalismus, Ghettoisierung und Islamismus aktuelle Themen aufgreift. Erzählt wird die Geschichte des Söldners Edgar, den jetzt seine eigenen Dämonen einholen. Die Sparkasse ermöglicht diese Lesung und ist am Montag, 7. November, auch Gastgeber am Berliner Platz. Die Zuschauer erwartet in der vierten Etage ein eindrucksvolles Multimedial-Spektakel für alle Sinne (Karten auch in der Sparkasse).

Aktuelle Themen greift auch Bernd Desinger auf und spitzt sie in einer Zukunftsvision zu: Die drei Z stehen für „Zeltstadt Zeche Zollverein“. Das Ruhrgebiet im Jahr 2032: Die EU ist zerbrochen, die D-Mark wieder Zahlungsmittel, aber die Armut grassiert. Zollverein ist zu einem Lager für Tausende mittelloser Alte verkommen, die sich Mieten nicht mehr leisten könne und mit Glücksspiel, Drogen und Senioren-Prostitution etwas dazu verdienen. Sein Held Milan Dragovich, Kommissar für Altenkriminalität, ermittelt in einem brutalen Mord an einem Flaschensammler. Als Leiter des Düsseldorfer Filmmuseums weiß der 54-jährige gebürtige Oberhausener wie man spannend erzählt. Zu erleben am Donnerstag, 27. Oktober.

Gedichte der Liebe

Erst kürzlich hat Joachim Opp im Backsteintheater Süskinds Kontrabass gepriesen und verdammt, am Dienstag, 8. November, greift der Chefarzt des Sozialpädiatrischen Zentrums am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen tief in die pädagogische Bücherkiste und gibt Erziehungsratschläge in Reimform von Goethe über Struwwelpeter bis Wilhelm Busch zum Besten. Der Eintritt ist frei, um Spenden für Unicef, die über ihr Projekt „Letzte Chance für eine Kindheit“ informieren, wird gebeten.

Die Mezzo-Sopranistin Isabelle Kusari hat schon einmal mit Chansons die Besucher der Herbstblätter verzaubert, jetzt singt sie, begleitet von Eunok So (Bratsche) und Max Philip Klüser (Piano), Liebeslieder aus 1000 Jahren. Französisches Flair wird am Freitag, 21. Oktober, die Stadtbibliothek durchwehen. Und bei einigen Liedern darf auch mitgesungen werden.

Ganz ähnlich wird es, wenn zum bundesweiten Tag des Vorlesens am Freitag, 18. November, Schauspielerin Eva-Maria Coenen einen Streifzug durch die Literaturgeschichte unternimmt und „Lyrikfrauen aus drei Jahrhunderten“ präsentiert. Dabei entfaltet sich ein breites Kaleidoskop der Gefühle von der Liebe bis zur Angst. Auch sie dürfte dem Publikum noch mit ihren Rezitationen von Gedichten Pablo Nerudas in Erinnerung bleiben. Violeta Koshevatskaja umrahmt den Vortrag mit Klaviermusik von Prokofjew und Maurice Ravel.

Am 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht, wird im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37, nach der Eröffnung der Ausstellung über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Joseph Heid von der Uni Duisburg-Essen auf die Nürnberger Rassegesetze „zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ eingehen. Es erwies sich als Beginn der europäischen Judenverfolgung und sie sind auch eng mit der Person Hans Globke verbunden, der später Kanzleramtschef von Konrad Adenauer werden sollte. Der Eintritt der Veranstaltung, die um 17 Uhr beginnt, ist frei.

Ermittlungen in der Provinz

Nicht zu den Herbstblättern, aber in den Zeitrahmen fällt eine weitere Lesung im Medienhaus: Martin Walker liest aus „Eskapaden“, dem achten Fall seines Provinzkommissars Bruno, der im Périgord, dem gastronomischen Herzland Frankreichs ermittelt. Es ist eine Lesung der Buchhandlung am Löhberg 4 von Michael Fehst, der Reservierungen entgegennimmt: 740 493 80. Es ist schon ein Fingerzeig in die Zukunft. Im kommenden Jahr will vom Felde intensiver mit den lokalen Buchhändlern kooperieren. Schon jetzt stellt die Buchhandlung Roeder zu den Herbstblättern einen Büchertisch zusammen.