Mülheim. . Cheryl Meller und Barbara Mila arbeiteten für das britische Militär in Mülheim. Als die Soldaten gingen, blieben sie. Die Stadt ist ihre Heimat.
In diesem Jahr feiert Nordrhein-Westfalen seinen 70. Geburtstag. Cheryl Meller und Barbara Mila haben die Feierlichkeiten im August genau verfolgt. Denn die beiden Freundinnen kamen vor über 45 Jahren nach Deutschland, um in der Mülheimer Kaserne, den Wrexham Barracks, des britischen Militärs zu arbeiten. Gerne erinnern sie sich zurück an diese Zeit, schließlich ist NRW längst zu ihrer zweiten Heimat geworden.
Am 20. September jährt sich ein persönlicher Höhepunkt aus ihrer Zeit beim Militär: 1985 verlieh die damalige Oberbürgermeisterin Eleonore Güllenstern Cheryl Meller, Barbara Mila und ihren Kollegen des britischen Militärs die Auszeichnung „Freedom of the City“, eine der bedeutendsten Ehrungen, die britische Bürger oder Militäreinheiten erhalten können. „Das war etwas ganz Besonderes für uns“, berichten die Frauen. „Im Schloß Broich gab es eine Zeremonie, bei der die Militärkapelle gespielt hat“, sagt Cheryl Meller (68) und zeigt Schwarz-Weiß-Aufnahmen, wie sich die Offiziere in das Goldene Buch der Stadt eintragen. „Wenn wir zurückblicken, war das sicher einer der Höhepunkte.“
Über 20 Jahre arbeiteten sie als zwei von nur wenigen Frauen in der Kaserne an der Zeppelinstraße. Barbara als Sekretärin im Offizierscasino, Cheryl im Weiterbildungszentrum. Dort lernten sich die Freundinnen kennen – und sind bis heute befreundet. „Wir konnten damals kein Wort Deutsch“, erinnern sie sich an die Anfänge zurück. Beide waren knapp 20 Jahre jung, als sie 1969 und 1971 aus dem walisischen Örtchen Llanelli und Yorkshire in Nordengland nach Mülheim kamen. Die eine der Liebe wegen, die andere, um ihre deutsche Mutter in Mülheim zu besuchen.
Aus einem Urlaub werden 45 Jahre
Beim britischen Militär bewarben sie sich damals auf gut Glück und bekamen sofort eine Anstellung. „Eigentlich wollte ich nur zwei Wochen Urlaub machen, daraus sind dann 45 Jahre geworden“, lacht die 65-jährige Barbara Mila. Auch Cheryl blieb. Heute lebt die 68-Jährige wieder nahe der Kaserne an der Zeppelinstraße, Freundin Barbara in Speldorf. Und wenn die beiden über das ehemalige Militärsgelände spazieren, fallen ihnen jede Menge Geschichten von damals ein – wie die Soldaten in ihren Uniformen stramm standen oder mit Gasmasken über den Platz marschierten, weil sie während des Golfkriegs für den Ernstfall üben mussten.
Von Mülheim aus ging es für die Soldaten ins Kriegsgebiet Richtung Irak. „Es war sehr bewegend, wie wir die jungen Männer verabschiedet haben“, sagt Barbara. Und Cheryl erinnert sich: „Einer der Soldaten war so groß, dass es keinen passenden Gasschutzanzug für ihn gab. Er wurde daher für den Transport eingesetzt.“ Er verunglückte mit dem Lkw und kam als einziger der Truppe nicht mehr zurück. Auch an die ständigen Gefahrenlagen erinnern sich die Frauen, der Terror der irischen Untergrundorganisation IRA wirkte bis nach Mülheim. „Die Ehefrauen der Soldaten sollten immer eine Plastiktüte in ihrer Handtasche haben“, erklärt sie. „Damit knieten sie sich auf den Boden und untersuchten die Unterseite ihrer Autos nach Bomben.“
Fröhliche Momente
Jedoch prägten auch fröhliche Momente den Alltag der Sekretärinnen, die stets gut vernetzt in der Stadt waren und den Alltag für die Offiziere managten. „Wir buchten Werkstatttermine für ihre Autos oder kauften Möbel für ihre Wohnungen“, sagt Cheryl und muss kichern als sie den Funkmast auf dem Gelände entdeckt. „Der wurde damals errichtet, damit die Offiziere BFBS reinbekommen. Eines Morgens wehte auf der obersten Spitze ein Büstenhalter im Wind – wir wissen bis heute nicht, wem der gehörte.“ Partys feierten die Soldaten jedenfalls ebenso gerne.
Als das Militär 1994 „Good bye, Mülheim“ sagte, blieben Cheryl und Barbara. Auch wenn sie ihre alte Heimat regelmäßig besuchen, zurück nach Großbritannien zu gehen, können sie sich kaum vorstellen. „Ich war in Mülheim immer glücklich“, sagt Cheryl und beschreibt es mit den Worten Herbert Grönemeyers: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“