Mülheim. . Straßenbahnen sollen über 2017 hinaus alle zehn Minuten fahren, fordern SPD und Grüne für Mülheim. Das schmeckt den städtischen Verkehrsplanern gar nicht.

  • Stadt Mülheim schaltet erneut Gutachter für die Nahverkehrsplanung ein
  • Gewünschte Direktvergabe macht enormen Zeitdruck
  • SPD und Grüne wollen alte Beschlüsse kippen

Der jahrelang diskutierte und schließlich mit großem Gezerre und Gemurre verabschiedete Mülheimer Nahverkehrsplan wird noch eine gutachterliche Extrarunde drehen. Die Vergabe eines Gutachterauftrags erteilte der Mobilitätsausschuss des Rates nun in nicht-öffentlicher Sitzung. Die Diskussionen um das Nahverkehrsangebot werden aber den neuen Gutachter überdauern.

Die Fortschreibung des nicht einmal voll umgesetzten Nahverkehrsplans – er legt fest, welches ÖPNV-Angebot die Stadt ihren Bürgern machen will – ist dringend nötig: Es gilt abzusichern, den Nahverkehrsauftrag ab 2019 in einem Gesamtpaket an die MVG beziehungsweise die geplante Fusion aus MVG und Essener Verkehrs AG vergeben zu können. Die Stadt will verhindern, dass sich private Anbieter ab 2019 den Betrieb lukrativer ÖPNV-Linien sichern – und die Stadt auf den unwirtschaftlicheren Linien sitzen bleibt.

Verkehrsplaner wollen zunächst nur Direktvergabe absichern

„Wir streben an, nur die für die Direktvergabe nötigen Dinge abzuarbeiten“, suchte der städtische Verkehrsplaner Roland Jansen den politischen Vorstoß von SPD und Grünen zu bremsen, weitere Änderungen im Nahverkehrsplan vorzunehmen, die unmittelbar das Angebot für die Fahrgäste betreffen.

SPD und Grüne hatten nur gut zwei Stunden vor Sitzungsbeginn einen Antrag eingebracht, mit dem sie unter anderem den Beschluss kippen wollen, mit den Straßenbahnen ab kommenden Jahr nur noch im 15- statt 10-Minuten-Takt zu verkehren. Sie wollen dies auf Eis legen, um diese Entscheidung in die Zeit zu verlegen, wenn Evag und MVG fusioniert sind. Eine unterschiedliche Taktstruktur in beiden Städten sei aktuell ein „kaum erklärbares Zeichen kommunaler Eigenbrötlerei“.

SPD und Grüne wollen nochmalige Prüfung zum Kahlenberg-Ast

Auch in der Frage des Straßenbahn-Liniennetzes haben SPD und Grüne gemeinsame Ziele. So wollen sie die Stilllegung des Kahlenberg-Astes der Linie 104 nicht von vornherein vorherbestimmen – sondern abhängig davon machen, wie Verhandlungen mit Bezirksregierung und VRR zur Causa verlaufen. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob die Summe der dort gebundenen und möglicherweise rückzahlungspflichtigen Fördermittel die Kosten dessen übersteige, wenn man den Betrieb aufrechterhalte.

Neuer Gutachter: Stadt nennt keine Kosten

Was die externe Beauftragung für die Fortschreibung des Nahverkehrsplans kosten wird, wollte Stadtsprecher Volker Wiebels am Freitag mit Verweis auf den nicht-öffentlichen Beschluss nicht sagen.

Er wies auch die Kritik von Insidern zurück, die Fachverwaltung habe es versäumt, die nötigen Festlegungen zur Direktvergabe schon im Nahverkehrsplan 2013 einzuarbeiten.

Für einen Prüfauftrag zum gutachterlich empfohlenen Weiterbau der Linie 102 von Broich nach Saarn formuliert Rot-Grün Ansprüche. Insbesondere vier Trassenführungen sollen demnach auf Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit geprüft werden: Beginnend jeweils über Saarner und Alte Straße weiter über a) Frombergsfeld, Langenfeldstraße, Brüsseler Allee bis zur Kuppe, b) Straßburger Allee, Lehnerstraße bis Schulzentrum Saarn, c) noch weiter über die Lehnerstraße hinaus zur Kuppe sowie d) ab Straßburger Allee weiter über die Kölner Straße (B 1), Luxemburger Allee und möglicherweise gar über die Kuppe hinaus bis zur Brüsseler Allee.

Auch die MBI und CDU haben bekanntermaßen noch inhaltliche Änderungswünsche zum Nahverkehrsplan. Das treibt der städtischen Verkehrsplanung die Schweißperlen auf die Stirn, weil laut Jansen nun große Eile geboten ist, um die Direktvergabe der ÖPNV-Leistungen nicht zu gefährden. Im Mobilitätsausschuss verzichteten SPD und Grüne auf die Abstimmung über ihr Papier, SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering kündigte aber an, ein Votum Ende des Monats im Rat einholen zu wollen. „So hat auch die Verwaltung 14 Tage Zeit, qualifiziert dazu zu antworten.“

Den Einwand von Verkehrsdezernent Peter Vermeulen, die Rücknahme des Beschlusses zum 15-Minuten-Takt bei den Bahnen erfordere einen Deckungsvorschlag im Etat und konterkariere die Sparziele, konterte Wiechering: Negative Auswirkungen möge die Verwaltung dann mal aufzeigen, „wir werden dann die politische Verantwortung dafür übernehmen.“