Mülheim. . Jugendliche stiften den Stein zum 5. Jahrestag des Mauerbaus. 27 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung verblassen die Erinnerungen an schwierige Zeit der Geschichte.
- Gedenken an den Bau der Berliner Mauer.
- Zwei Stücke der ehemaligen Berliner Mauer stehen seit 1992 im Müga-Park.
- Mülheimer erinnert sich an seine Fahrt ins geteilte Berlin 1961.
Als sich am Vormittag des 13. August 1966 einige junge Männer mit Oberbürgermeister Heinrich Thöne und weiteren Repräsentanten der Stadt am Ruhufer treffen, ist die deutsche Landesteilung mit Mauer und Sperranlagen schmerzlich zementiert. Vor allem die Teilung der Deutschen Hauptstadt mit der eingemauerten Insel West-Berlin ist für Bewohner der Bundesrepublik Deutschland ein Greul. Daher ist es vor 50 Jahren selbstverständlich, mit einem „Berliner Stein“ die Verbundenheit der Mülheimer mit den „Eingeschlossenen“ zu zeigen.
Diesen Berliner Stein mit seiner schlichten Aufschrift „Berlin“ stiften die Mitglieder vom „Ring der politischen Jugend“ der Stadt zum 5. Jahrestag des Mauerbaus. In den Ostruhranlagen (heute Promenade) wird er aufgestellt. „Dieser Stein soll uns alle mahnend an den 13. August 1961 erinnern. Diese Mauer teilt unser Land, besonders Berlin. Sie hat viele Familien und freundschaftliche Kontakte zerrissen“, spricht damals Heinrich Thöne über traurige Schicksale und Wahrheiten.
Keine Blumen mehr vor dem Berliner Stein
Danach treffen sich stets am 13. August Delegationen im kleinen Park zwischen Ruhrstraße und Wasser, um Mauerbau und deutsche Teilung anzuprangern. Nach 23 Jahren ist damit Schluss. Am 9. November öffnet Günther Schabowski mit einem Versprecher auf einer Pressekonferenz der Restregierung der scheiternden DDR die Mauer mit ihrem Todesstreifen. Bereits im August 1990 liegen keine Blumen mehr vor dem Berliner Stein.
Bei Franz Firla, ehemaliger Lehrer und jetzt Mundartpfleger, weckt der Stein noch andere Erinnerungen – er traf dort mehrmals den Obdachlosen Erwin Weiss und schrieb dessen Geschichte auf. Firla erhielt bei diesen Treffen völlig neue Sichtweisen auf das Leben.
Einer der erfolgreichsten Steine Mülheims
„Die Mahnung dieses Steins an die Existenz der Berliner Mauer scheint heute sinnlos geworden“, sagt Firla. „Dennoch ist er in gewissem Sinne einer der erfolgreichsten Steine Mülheims und könnte weiterhin ein Zeichen bleiben, uns an die Konfrontation mit dem Osten erinnern und uns aktuell dazu anhalten, in der Ostpolitik den Ausgleich zu suchen. Erinnert er uns doch daran, dass Teilung überwunden werden kann“, meint Firla.
Der Findling muss im Stadtjubiläumsjahr 2008 seinen prominenten Platz verlassen. Die Stadt will die Grünanlage abbauen. „Der Berliner Stein steht gesichert an einem neuen, geeigneten Standort (ab 26. September) im Müga-Gelände, in unmittelbarer Nähe des Tourainer Pavillons“, heißt damals im Rathaus.
Zwei Stücke der ehemaligen Berliner Mauer stehen seit 1992 im Müga-Park hinter dem Europapavillon. Berliner Stein und Mauerteile erscheinen jungen Leuten wie Relikte einer längst vergangenen Zeit, an deren Folgen sich auch immer weniger Menschen erinnern.
Herbert Leibold fährt 1961 nach Berlin,erlebt die geteilte Stadt und hält seine Eindrücke für die Schülerzeitung fest
Seine Eindrücke vom Berliner Mauerbau hat der Mülheimer Herbert Leibold für die Schülerzeitung „die zündkerze“ festgehalten. Die Überschrift zu seinem Artikel lautete im Herbst 1961 „Pankows Propagandapresse“.
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten! Walter Ulbricht, Staatsratsvorsitzender der DDR (Deutsche Demokratische Republik) am 15. Juni 1961 auf einer internationalen Pressekonferenz. Die Interpretation dieses Satzes darf ich mir bei einer Fahrt nach West-Berlin einige Wochen nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 ansehen.
Ich gehöre zur Redaktion der ,Schülerzeitschrift der berufsbildenden Schulen der Stadt Mülheim a. d. Ruhr’, die auch Mitglied der Landesjugendpresse Nordrhein-Westfalen ist und diese Fahrt organisiert hat. Die Ausweiskontrolle bei der Einreise in die DDR durch die Vopos (Volkspolizisten) ist gründlich und auch etwas beklemmend. Jemand aus unserer Gruppe hat eine nicht passende Bemerkung während der Kontrolle gemacht; die Konsequenz, vier Stunden schmoren wir im Bus, bevor die Fahrt weitergeht.
Die Berliner Mauer zu sehen übersteigt alle Vorstellungen und Befürchtungen, die in den letzten Wochen in der Presse in Deutschland und der Welt erzeugt worden waren. Wir sind jung und unbekümmert, wir wollen uns in West-Berlin vergnügen, und wir haben die Möglichkeit, die ,Mauer’ zu überwinden. Als Bundesbürger müssen wir nur den Zwangsumtausch vornehmen und sind in Ost-Berlin (25 Mark im Verhältnis eins zu eins, fünf Mark der DDR entsprechen real einer westlichen Deutschen Mark).
Der Weg führt uns am Samstagnachmittag zum Alexanderplatz. Es sind kaum Leute hier unterwegs, ein krasser Gegensatz zum pulsierenden West-Berlin.
Den aufkommenden Hunger wollen wir in einem HO-Schnellimbiss (HO steht für Handelsorganisation) stillen, doch das wird uns mit den Worten: Unsere westdeutschen Freunde werden im ,Bukarest’ bedient, verwehrt. Gut so, so können wir ein paar ,Ostmark’ mehr ausgeben. Es bleiben nach dem Zwangsumtausch viele ,Ostmark’ übrig, eine Möglichkeit mehr auszugeben besteht nicht“, schrieb Leibold.
„Einige Jahre nach dem Fall der Mauer habe ich Gelegenheit, Berlin zu besuchen, auch den Alexanderplatz. Nichts erinnert an 1961, allerdings auch nicht an das Berlin der 1920er Jahre. Heute“, fügt Herbert Leibold hinzu, „habe ich das Gefühl, dass mich der schiere Gigantismus erdrückt, der eindrucksvoll dokumentieren will, dass ein System über das andere gesiegt hat.“