Mülheim. Seit 1976 schweben Zeppeline unter der Flagge der WDL-Luftschiffgesellschaft durch die Lüfte. Der Himmel ist die Spielwiese für Theodor Wüllenkemper.

Theodor Wüllenkemper ist ein Luftfahrtpionier mit Leib und Seele. Er probiert viele Dinge am Himmel aus, gründet die passenden Firmen und behält mit ihnen in den meisten Fällen die Lufthoheit. Daher ist es für ihn konsequent, im Juli 1976 die WDL-Luftschiffgesellschaft am Mülheimer Flughafen zu gründen. In jenem Jahr besteht im In- und Ausland eine enorme Nachfrage nach Luftschiffen. Ein besonderer Einsatz in Burkina Faso und Ghana für das Deutsche Entwicklungshilfe-Ministerium bestärkt Wüllenkemper darin, den Luftschiffbau und die Vermarktung von Luftschiffwerbung selbst zu übernehmen. Seit 40 Jahren werben seine Blimps nun am Himmel – nicht nur über dem Ruhrgebiet, sondern fast überall rund um den Globus.

Zeppeline sind ein Hingucker am Himmel

Diese Luftschiffe flogen von Mülheim in die Welt hinaus

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Weltunternehmen aus Amerika vertrauen auf die Werbewirksamkeit der Luftschiffe.
Weltunternehmen aus Amerika vertrauen auf die Werbewirksamkeit der Luftschiffe. © Frank Peylo | Frank Peylo
Diese beiden Zeppeline gingen über den japanischen Inseln in die Luft.
Diese beiden Zeppeline gingen über den japanischen Inseln in die Luft. © Frank Peylo | Frank Peylo
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Diese "Zigarre" trägt den Schriftzug eines Erdöl-Riesen aus den USA. © Frank Peylo | Frank Peylo
Das neueste Luftschiff der WDL wird von innen beleuchtet.
Das neueste Luftschiff der WDL wird von innen beleuchtet. © Frank Peylo | Frank Peylo
1990 überflog ein WDL-Luftschift erstmals die innerdeutsche Grenze. Hier nimmt es Kurs auf Erfurt.
1990 überflog ein WDL-Luftschift erstmals die innerdeutsche Grenze. Hier nimmt es Kurs auf Erfurt. © Frank-Rainer Hesselmann | Frank-Rainer Hesselmann
Vor 26 Jahren waren gleich zwei Luftschiffe in Mülheim stationiert.
Vor 26 Jahren waren gleich zwei Luftschiffe in Mülheim stationiert. © Frank Peylo | Frank Peylo
Dieser Zeppelim hebt für einen Werbeflug über den Vereinigten Staaten ab.
Dieser Zeppelim hebt für einen Werbeflug über den Vereinigten Staaten ab. © Frank Peylo | Frank Peylo
Die WDL macht mit ihren Blimps auch Werbung in eigener Sache.
Die WDL macht mit ihren Blimps auch Werbung in eigener Sache. © H. W. Rieck / FUNKE Foto Services | H. W. Rieck / FUNKE Foto Services
Über dem Ruhrgebiet warb ein Zeppelin auch für die WAZ und das Portal derwesten.de.
Über dem Ruhrgebiet warb ein Zeppelin auch für die WAZ und das Portal derwesten.de. © Oliver Müller / FUNKE Foto Services | Oliver Müller / FUNKE Foto Services
Mit NRZ-Aufschrift ging es ebenfall auf Werbetour.
Mit NRZ-Aufschrift ging es ebenfall auf Werbetour. © Oliver Müller / FUNKE Foto Services | Oliver Müller / FUNKE Foto Services
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Die Werbung auf den „Zigarren“, wie Luftschiffe oder Zeppeline auch genannt werden, ist seit Mitte der 1950er ein Hingucker am Himmel. Theodor Wüllenkemper hängt Werbebanner zuerst an Kleinflugzeuge der WDL – die Westdeutsche Luftwerbung hebt ab. „Aber Luftschiffe sind etwas Besonderes, sie fahren ruhig und majestätisch im Glanz der Sonne dahin. Ich habe schon Helium im Blut“, beschreibt er einmal, warum ihn die Blimps nicht losgelassen haben. „Die Werbewirksamkeit eines Luftschiffs in der Öffentlichkeit ist stärker– für unsere Kunden und für die WDL.“ Daher stellt Wüllenkemper bereits am 12. August 1972 sein erstes, in seiner Firma gebautes Luftschiff – den „Fliegenden Musketier“ –  der Öffentlichkeit am Flughafen Essen/Mülheim vor.

Zuvor sammeln Wüllenkemper und seine Mannschaft ab 1969 Erfahrungen mit einem von der Deutschen Luftschifffahrtsgesellschaft gecharterten Blimp. Dieser ist noch mit Wasserstoff gefüllt und kehrt erfolgreich von einer großen Frankreich-Tournee auf die Heimatbasis an der Lilienthalstraße zurück. Die folgende internationale Pressekonferenz  am 1. August 1969 bindet alle Kräfte. Daran erinnert sich Barbara Majerus, heute Geschäftsführerin der WDL, noch ganz genau. Sie soll an diesem Tag bei Wüllenkemper ihre Lehre beginnen: „Sie haben mich aber erst für den 3. August bestellt, mit der Begründung, sie könnten mich am 1. August hier schlichtweg noch nicht gebrauchen.“

1976 fährt eine Mülheimer Zigarre im Auftrag des Entwicklungshilfe-Ministeriums nach Afrika. Dort soll die Mannschaft unter tropischen Bedingungen herausfinden, ob sich große Luftschiffe eignen, Waren und Lebensmittel aus dem Landesinneren zu den Häfen zu transportieren. Für den Aufbau einer Luftschifftransportlinie fehlt dann die Anschubfinanzierung.

Fuji-Luftschiff flog bei Fußball-Weltmeisterschaften

Die WDL-Luftschiffe sind nahezu weltweit unterwegs. Zu Japan entwickelt das WDL-Team eine intensive Beziehung. 1972 verkaufen die Mülheimer das erste Luftschiff dorthin, weitere folgen. Das Unternehmen Fuji  startet 1980 einen vierwöchigen Werbetestlauf. Daraus erwachsen 25 Jahre partnerschaftliche Geschäftsverbundenheit. In den USA, Frankreich, England, Belgien, Italien, Spanien, Holland oder Dänemark setzt Fuji das Luftschiff ein. Es wirbt am Himmel häufig zu besonderen Anlässen: wie Fußball-Welt- und Europameisterschaften, Gran Prix, Golfturnieren, der „Photokina“  und Sportfesten. Dabei ist die Kabine vollgestopft mit Kameras und Bildübertragungstechnik. Die Reaktionen:  Begeisterungsstürme und ein Empfang von vielen Tausend Menschen.

Rückschläge muss die WDL-Mannschaft auch hinnehmen. Stürme zerstören 1972 ein Luftschiff und die Traglufthalle, ein Jahr später zerfetzt ein Orkan die Halle erneut. 2014 schleudert Orkan „Ela“ das Luftschiff um den Haltemast – bis  wieder die Fetzen fliegen.

Spezialfirma stellte 2014 jüngstes Luftschiff her

Trotz der Rückschläge gibt das Team um Theo Wüllenkemper nicht auf. Entschlossen und ausdauernd bauen sie wieder ein neues Luftschiff. Das jüngste, mit einer durchscheinenden Hülle, lassen die Luftwerber ab August 2014 bei einer Spezialfirma in Süddeutschland herstellen. „Wir haben nie daran gezweifelt, ein neues Luftschiff an den Himmel zu schicken“, sagt Barbara Majerus, nach dem Tod Wüllenkempers Geschäftsführerin der WDL-Luftschiffgesellschaft. „Das Luftschiff ist sehr beliebt und ein Sympathieträger für die Region.“

Werbetour im Himmel über der DDR

Der Zeppelin nimmt bei seinem Flug über die DDR Kurs auf Erfurt
Der Zeppelin nimmt bei seinem Flug über die DDR Kurs auf Erfurt © Frank-Rainer Hesselmann | Frank-Rainer Hesselmann

Zu einem Verbindungsträger wird das Mülheimer Luftschiff im Sommer 1990. Als die deutsch-deutsche Grenze noch Mauern und Sperrzäune hat, mietet die damalige Krankenversicherung „Vereinte“ die Zigarre zu einer sechswöchigen Werbetour über die ehemalige DDR. Auf die Anfrage sagt Wüllenkemper ohne Zögern: „Wir machen mit.“ Wieder ist er Pionier.

Wochenlang verhandeln er und bundesdeutsche Luftfahrtstellen mit sowjetischen Luftwaffengenerälen über die Überflugrechte, die damals noch bei der Sowjetunion liegen. Ende Juli stehen die Routen fest, landet der gestempelte Stapel mit Genehmigungen im WDL-Gebäude. Der mit Reklame dekorierte Blimp startet Richtung Nürnberg. Vom nahen Flughafen in Speichersdorf steigt das Luftschiff am Samstag, 11. April, gegen 9 Uhr, auf – und dreht ab Richtung Osten. An Bord sitzen zwei Piloten und der als „Bordtechniker“ getarnte Redakteur Frank-Rainer Hesselmann. Der fotografierte entlang der heutigen Autobahn 4 alles, was unter der Linse vorbeizieht, obwohl das verboten ist. 50 Kilometer vor Erfurt eskortieren zwei Militärhubschrauber, mit Raketen bestückt, das Luftschiff. „Die sind nur neugierig“, beruhigt der Pilot, der Russisch spricht. „Die begleiten uns zum Flugplatz.“

Eine Stunde später ist der Blimp in Erfurt am Haltemast verankert. Tausende strömen auf die Wiesen an der Landebahn. Das Luftschiff ist auf „neuem Boden“ zur Besichtigung freigegeben, Fragen und Staunen nehmen kaum ein Ende.

Tierische Gefahr in Afrika

Jedes Land hat seine Reize und bietet den Luftschiffbauern und -betreuern einzigartige Erlebnisse. Dazu gehören beispielsweise die morgendlichen Kontrollen in Afrika, weil sich Schlangen unter der ausgebreiteten Hülle befinden könnten. In der Gondel suchten die örtlichen Helfer ebenfalls nach den Reptilien. Nach dem Testbesuch hat sich für die WDL keine weitere Zusammenarbeit in Sachen Warentransport ergeben. „Wir hätten mehr Anlaufzeit benötigt“, sagt Wüllenkemper am Ende.

Kräftemessen über der japanischen Hauptstadt

In ewiger Erinnerung bleibt den Beteiligten auch die „Luftschlacht“ über Tokio zwischen dem Lightship von Kodak und dem WDL-Giganten von Fuji. Als der Filmehersteller Kodak ankündigte, sein Luftschiff über dem Football-Stadion in Tokio kreisen zu lassen, entschieden die Verantwortlichen bei Fuji, sofort den Europa-Einsatz abzubrechen und das Mülheimer Luftschiff nach Tokio zu verschiffen, um dem Konkurrenten nicht allein die Lufthoheit am Werbehimmel über der japanischen Hauptstadt zu überlassen.

Luftschiffe umkreisen Wolkenkratzer in New York

 Als das erste WDL-Luftschiff die Vereinigten Staaten von Amerika erreicht, sind die Fahrten über und durch New York für Amerikaner und Mannschaft gleichermaßen spannend. Theodor Wüllenkemper gelingt 1985 mit dem McDonald’s-Luftschiff eine Überraschung: Per Funk mit dem Piloten verbunden, dirigiert er aus den damals noch stehenden Twin Towers heraus das Luftschiff und lässt es die Wolkenkratzer umkreisen. „Es herrschte fast Windstille. Die Gelegenheit war günstig“, freut sich Wüllenkemper später über diese gelungene Aktion – heute unvorstellbar. Zeitlebens bleibt er Junge, der gern seine großen Spielzeuge bewegt.

Saison in Mülheim dauert sechs Monate

80 bis 100 Stunden pro Monat ist der Blimp, getauft auf den Namen Theo, am Himmel. Sechs Monate dauert die Saison für Fahrten mit dem Luftschiff über Mülheim, Essen, das Ruhrgebiet oder Düsseldorf. Dabei befördert die WDL 2500 bis 3000 Passagiere. „Die Begeisterung ist nach wie vor groß. Die Menschen mögen das Luftschiff Theo. Wir haben Wartelisten für unsere Touren“, sagt Frank Peylo, bei der WDL-Luftschiffgesellschaft zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie den Vertrieb. 

Wer eine Tour über die Nachbarschaft erleben möchte, kann sich informieren und anmelden unter: 0208/37 80 817