Wer mit seiner Biografie Eingang in eine Fachenzyklopädie findet, muss in seinem Leben schon Außergewöhnliches geleistet haben. Der vor 100 Jahren in Bochum geborene und später in Dortmund und Berlin ausgebildete Kirchenmusiker und Komponist Siegfried Reda gehört zu diesen Menschen. Das Klangerlebnis von Bachs Matthäuspassion wies dem Neunjährigen den Weg zu seiner Berufung. Zwischen 1952 und 1968 wirkte er als Kirchenmusiker an der Petrikirche, lehrte aber auch als Hochschullehrer an der Folkwangschule, gab in ganz Europa Orgelkonzerte und komponierte Orgel- und Chorwerke. Auch als Dozent von Meisterkursen und Orgelsachverständiger war Reda gefragt. Als Musiker der Kriegsgeneration, der Diktatur und Krieg erlebt und erlitten hatte, wusste er aus den christlichen Quellen zu schöpfen.
„Anders als die Generation seiner Lehrer versuchte Reda, engen Kontakt mit der allgemeinen Entwicklung der Neuen Musik zu halten. Später übernahm er Elemente der Zwölftontechnik und in seinen letzten Werken Cluster- und Glissando-Techniken. Er blieb aber seinen Lehrern im Wunsch nach größtmöglicher Eindringlichkeit der Textaussage verbunden, die er durch Mittel der Tonmalerei, gestische Wendungen und musikalische Symbole zu steigern suchte.“ So beschreibt der Berliner Musikwissenschaftler Burkhard Meischein in der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ das von Bach und Strawinsky inspirierte Werk Redas.
Johannes Mundry vom Bärenreiter-Verlag, der alle Kompositionen Redas veröffentlich hat, nennt den vor 48 Jahren verstorbenen Kirchenmusiker „unseren Säulenheiligen“. Da Reda nur 52 Jahre alt wurde, blieb sein letztes Werk, Chorsätze zu allen Sonntagen des Kirchenjahres, unvollendet. Heute hören Gottesdienstbesucher Redas Musik, wenn sie unter der Nummer 64 des Evangelischen Gesangbuchs die Verse des von den Nazis in den Tod getriebenen Dichters Jochen Klepper, „Der du die Zeit in Händen hast“, singen.
Bis heute klingt Reda an seinem einstigen Arbeitsplatz nach. Denn die dort 1959 von seinem Freund, dem Orgelbauer Karl Schuke, mit 57 Registern und 4 Manualen installierte Orgel, wurde von Reda geplant. Seit 1996 haben alle Mülheimer, die sich unterhalb der Petrikirche vor dem Fasskeller oder am öffentlichen Bücherschrank niederlassen, seinen Namen vor Augen. Denn seine Wahlheimat Mülheim, die ihn 1964 mit dem Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft auszeichnete, würdigte sein Lebenswerk posthum mit dem Namenspatronat für einen Platz, an dem Reda selbst täglich vorbeikam, wenn er von seiner Wohnung an der Wertgasse zur Petrikirche hinaufging.
Dort war es der von Hans Bril geleitete Mülheimer Singkreis, der immer wieder Redas Chorwerke aufführte. Zweifellos würde Reda die heutige Musik an der Petrikirche, die von seinem engagierten mittelbaren Nachfolger Gijs Burger inspiriert und ermöglicht wird, mit Freude sehen und vor allem hören.