Mülheim. . Am 20. August öffnen revierweit 50 Buden zum „Tag der Trinkhallen“. Drei Mülheimer Kioske sind vertreten. Bei ihnen gibt es Konzerte und Poetry Slam.
- Tag der Trinkhallen soll die Budenkultur des Ruhrgebiets würdigen
- Drei Mülheimer Kioske laden zu kulturellem Programm ein
- Poetry Slam, Hip-Hop- und Jazz-Konzerte am 20. August von 16 bis 22 Uhr
Andreas Kontny hat stets ein offenes Fenster für seine Kunden und deren Geschichten. Der Budenbetreiber weiß, was die Menschen in seinem Speldorfer Sprengel beschäftigt – sein Kiosk an der Duisburger Straße 411 ist Begegnungsort für kurze Quätschchen und längere Gespräche. „Hier wird mehr geschnattert als beim Frisör“, lacht der 51-Jährige. Am Samstag, 20. August, wird weniger geredet, dafür mehr Musik gelauscht: Dann öffnet Andreas Kontny seine Trinkhalle für eine besondere Aktion: Den „Ersten Tag der Trinkhallen“.
So viel Rummel hat Andreas Kontny selten vor seinem Büdchenfenster. Da kämpft sich eine Stammkundin durch die Meute der Medienmenschen vor, ein Blick reicht und Andreas Kontny schiebt der Frau unaufgefordert eine Schachtel Zigaretten über den Tresen. „Der weiß schon was ich will“, lacht die Dame und bahnt sich den Weg zur Straße zurück. Die Ruhr Tourismus GmbH hat an diesem Tag zur Pressekonferenz an den Kiosk eingeladen. Schließlich werden am 20. August zwischen 16 und 22 Uhr insgesamt 50 Buden aus vielen Städten des Reviers mit Kultur bespielt: Es gibt Poetry Slams, Literarisches, Kabarett, Gesang, Theater und jede Menge Live-Musik.
Jazz und Klassik
An Kontny’s Kiosk wird es Jazz und Klassik zu hören geben. Die Formation „Wire Wagna“ kommt mit elektroakustischen Klangmalereien und das Projekt „Chogori“ bringt elektronische Minimalmusik mit. Auch wenn das eigentlich nicht Kontnys bevorzugte Musikrichtungen sind. „Es könnte neue Zielgruppen anlocken, die sonst eher nicht an der Bude kaufen“, hofft er.
Zwei weitere Buden aus Mülheim sind am Tag der Trinkhallen dabei: Heiko’s Büdchen am Kesselbruchweg 49 in Speldorf und das Nachtkiosk an der Duisburger Straße 67 in Broich. Heiko’s Büdchen besteht seit 1963 und hat sogar einen kleinen Biergarten. Der Poet Sebastian 23 moderiert den Poetry Slam an der Trinkhalle, bei dem u.a. Sulaiman Masomi und 2Seiten auftreten.
Basar der Stile
Auch der Nachtkiosk in Broich mischt mit: Seit 1997 gibt es den Kiosk, der samstags bis 1 Uhr früh geöffnet hat. Dort legen die DJs des Kalakuta Soul Systems eine Mischung aus Elektro, Soul, Disco und Afropop auf. So soll der Platz vor dem Nachtkiosk in einen Basar der Stile verwandelt werden. Mit dem Kulturprogramm zollt die Ruhr Tourismus den Ruhrgebiets-Büdchen Tribut, stadtübergreifend soll das Publikum zwischen den Spielorten pendeln.
Denn die Trinkhallen haben es wirtschaftlich schwer. Einfach hat es Kontny, der seine Bude nun seit vier Jahren betreibt, auch nicht immer an diesem Standort. „Nebenan gibt es zwei Supermärkte mit langen Öffnungszeiten, hinzu kommen die Tankstellen mit ihren Shops, die 24 Stunden geöffnet haben.“ Eine Veranstaltung wie der Tag der Trinkhallen sei daher eine gute Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.
Selbst Stammkunde am Kiosk
Immerhin war Kontny in seinem früheren Job als Dachdecker selbst Stammkunde an der Trinkhalle. Die damalige Betreiberin gab den Laden auf, danach stand er lange leer. „Das war die Gelegenheit, etwas Neues anzufangen. Dachdecker kannste ja nicht lange machen.“ Auch heute sei sein Kiosk „eine reine Handwerkerbude.“ Mit Angeboten wie frischen Brötchen, gemischten Tüten oder der „Hunde-Tanke“ will sich Kontny von der Konkurrenz abheben. Und am Ende kommen viele vor allem wegen ihm selbst. „Das Geschäft lebt halt von den Menschen“, weiß Kontny. Stammkunde Dieter Naumann nickt zustimmend. Täglich kauft der Nachbar „anne Bude“ seine Zeitung, bleibt ab und an noch auf ein Getränk. „Wir sind auf einer Wellenlänge, das passt“, sagt der Kunde, schlürft seinen Kaffee und beobachtet die Medienmeute beim Rückzug. Morgen klönen beide wieder hier am Fenster – auch ohne Musik.
Programmheft mit Sammelbildern
Auch in Essen, Oberhausen, Duisburg oder Bottrop bieten die Buden volles Programm, darunter sind Kabarett und Kleinkunst, Weltmusik oder Rock- und Pop-Konzerte.
Das gesamte Programm ist abrufbar unter www.tagdertrinkhallen.ruhr. Dort gibt es auch Infos zu Radrouten zwischen den Buden sowie ein Heft mit Sammelbildern mit allen Trinkhallen.