Mülheim.. Das Meducation-Center hat Syrer mit medizinischer Vorbildung zu einem Anatomie-Kursus eingeladen. So sollen geflohene Ärzte praktisch arbeiten können.
Im „Meducation“-Center, dem medizinischen Fortbildungszentrum in der ehemaligen Mintarder Dorfschule, bilden sich seit 2011 Ärzte, Schwestern oder Gesundheitsberater auf verschiedenen Gebieten weiter. Nun findet dort erstmals ein Anatomie-Intensivkurs statt. Die Teilnehmer können am vollständigen Präparat – also an einer intakten Leiche – arbeiten und Erkenntnisse sammeln.
„Die Möglichkeiten für Medizinstudenten und Ärzte, selbst zu präparieren und nicht nur zuzuschauen, sind in vielen Ländern, aber mittlerweise auch in Deutschland nicht mehr so gegeben. Das hat uns veranlasst, dieses vierwöchige Seminar in Kooperation mit den Universitäten Essen, Düsseldorf und Rostock zu konzipieren und anzubieten“, sagt Yvonne Schoppe, Gründerin/Leiterin der Akademie.
Praktische Übungen und Erfahrungen
Ihre Idee verband sie aber auch noch mit einem anderen Anliegen. Sie wollte Flüchtlingen, die medizinisch vorgebildet sind, die Gelegenheit bieten, praktische Übungen und Erfahrungen zu machen. Fünf der zehn Kursteilnehmer stammen aus Österreich, der Schweiz oder Kroatien, die anderen sind Geflüchtete (vorwiegend) aus Syrien, die seit Monaten in Mülheim leben. Zwei Mediziner, ein Zahnarzt, ein Medizinstudent und eine Schülerin, die einmal Ärztin werden will, machen mit. Martina Kleinewegen vom Kommunalen Integrationszentrum hat sie an „Meducation“ vermittelt.
Ali Aldali (33) ist einer von ihnen, er ist Allgemeinmediziner und hat zehn Jahre lang an einem Krankenhaus im Iran gearbeitet. „Super“ findet er es, dass er bei der Fortbildung mitmachen kann, obwohl er noch nicht ganz so gut Deutsch kann. Von den Dozenten – Prof. Dr. Timm J. Filler vom Uniklinikum Düsseldorf (Klinische Anatomie I) und Dr. Hans-Peter Hohn vom Uniklinikum Essen (Institut für Anatomie) – könne er noch einiges lernen. „Anatomische Kenntnisse sind gut für jeden Arzt“, sagt er. Außerdem gefällt es ihm, einmal nicht untätig sein zu müssen.
Kenntnisse auffrischen
Auch Shiar Sheikhi (30) ist fertiger Arzt, hat sogar eine Facharztausbildung zum Chirurgen begonnen, bevor er aus Syrien floh. Er hat in der Ukraine (auf Russisch) Medizin studiert, jetzt lernt er seit Monaten engagiert Deutsch. „Ich möchte irgendwann gerne mal als Arzt in Deutschland arbeiten“, wünscht er sich. Anatomie habe er schon während des Studiums gemacht – das war im Jahr 2007.
Im Präparations-Kurs hier bei „Meducation“ können er und seine Mitstreiter Kenntnisse auffrischen und selbst am Präparat arbeiten. In der letzten Woche haben sie das Herz herausoperiert und sich das Gehirn des Toten genau angeschaut. Ganz nebenbei lernen die Teilnehmer auch die deutschen medizinischen Fachausdrücke.
Zwei Jahre Sprachunterricht
„Bis ein Arzt, der nach Deutschland geflüchtet ist, hier arbeiten kann, das dauert“, weiß Yvonne Schoppe. Zwei Jahre Sprachunterricht (bis zum Niveau B2) und danach monate- bis jahrelanges Warten auf die Approbation. Wenn die wegen fehlender Nachweise nicht erteilt werde, bekommen man ein Arbeitsausübungserlaubnis für ein Jahr und müsse dann eine schwierige Kenntnisprüfung ablegen. „Wir möchten den Leuten anbieten, hier praktisch etwas zu machen, dranzubleiben“, so die Institusleiterin.
Im nächsten Jahr will sie zwei Kurse anbieten – einen für praktizierende Mediziner und einen für Flüchtlinge – und die Fortbildung auch von der Ärztekammer zertifizieren lassen. „Wir wollen das Programm auch erweitern, zum Beispiel die Themen Klinikalltag und Gerätetechnik mit aufnehmen. Wir könnten zum Beispiel demonstrieren, wie man ein modernes Röntgen-, Ultraschall- oder Endoskopiegerät bedient.“
Die Flüchtlinge, die diesmal das Seminar besuchen, zeigen laut Yvonne Hoppe großes Engagement. „Nach ein paar Tagen haben sie sich geöffnet. Man erfährt, was sie gelernt haben, erkennt, was sie können. Es ist schön zu sehen, dass sie mit einem Funkeln in den Augen bei der Sache sind.“