Saarn . Rechtzeitig zur Saarner Kirmes kann Schausteller Albert Ritter mit einer 1906 von den Gebrüdern Wellershaus gebauten Kirmes- und Konzertorgel glänzen.
Von Saarn nach England und wieder zurück. So lässt sich die Geschichte der Kirmesorgel zusammenfassen, die die Gebrüder Wellershaus anno 1906 in ihrer Orgelwerkstatt an der Düsseldorfer Straße gebaut haben und die Schausteller Albert Ritter bei der Saarner Kirmes der interessierten Öffentlichkeit vorstellen wird.
Schon vor 30 Jahren, so lange gehört Ritter auch schon zur Gemeinschaft der Saarner Schausteller, erstand er bei einem historischen Jahrmarkt einen Orgelwagen, Baujahr 1919. Nur eine entsprechende Kirmesorgel fehlte ihm. Auf sie wurde er durch einen Schaustellerkollegen gestoßen, der sich, ebenso wie Ritter, „für das Kulturgut Kirmesorgel“ begeistern kann.
Das Angebot, dem Ritter nicht widerstehen konnte, führte ihn im Juni 2015 in den Stall eines englischen Geflügelzüchters, der ihm dort auf der Wellershausorgel „Das ist die Berliner Luft“ und „Puppchen, du bist mein Augenstern“ intonieren konnte.
48 weitere Liederbücher
Inzwischen hat sich Ritter 48 weitere Liederbücher besorgt, die wie eine Lochpappe aussehen und von der Orgelwalze wie von einem Orchester in 56 Tonstufen zum Klingen gebracht werden. „Radetzky-Marsch“ oder „Schneewalzer“ gefällig?
„Die bis zum Ende der 50er Jahre in Saarn gebauten Wellerhaus-Orgel wurden nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch nach USA verkauft“, weiß Ritter vom englischen Vorbesitzer und von seinem historisch bewanderten Schausteller- und Kirmes-Orgel-Fan Henning Ballmann. Die Firma Wellerhaus war zuletzt, noch bis in die frühen 80er Jahre, als Musikalien- Instrumentengeschäft in Saarn ansässig.
Der englische Vorbesitzer der Saarner Wellerhaus-Orgel – der dort lebt, wo Fernseh-Inspector Barnaby seine Mordfälle löste, nämlich in Wallingford in der Grafschaft Oxfordshire – erzählte Ritter auch, dass die Kirmesorgel früher als Konzert- und Tanzorgel auf einem Grachtenschiff in Amsterdam für Musik sorgte.
Erst von der Ruhr an den Rhein
Davor, so lässt ein altes, verwaschenes Foto aus den 20er Jahren vermuten, muss das gute Stück einem rheinischen Schausteller gehört haben. Er war wohl auch ihr erster Besitzer, der die Orgel 1906 in Saarn erworben haben dürfte.
Dass sich Albert Ritter für die alte Kirmesorgel aus Saarn begeistert, überrascht nicht, da er bereits die fünfte Schausteller-Generation seiner Familie repräsentiert. Und die sechste Generation ist bereits in der fahrenden Familienfirma aktiv. Heute wird bei Ritters gut gegessen und getrunken. Die Vorfahren waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst mit einer Schaubude und später auch mit einem mobilen Kino unterwegs.
Doch Mitte der 70er Jahre war die Zeit den Kinematographen sowie des stärksten Mannes der Welt und der Frau ohne Unterleib abgelaufen. Ritters Eltern wechselten deshalb vom traditionellen Schaustellergewerbe in die zünftige Kirmes-Gastronomie, mit der Familie Ritter heute an jährlich 120 Kirmestagen in ganz Nordrhein-Westfalen für Gemütlichkeit auf dem Jahrmarkt sorgt.
Mit Blick auf seine Wellerhaus-Orgel ist Albert Ritter davon überzeugt: „Kirmes- und Konzertorgeln sind ein Kulturgut, dessen Erhaltung absolut förderungsbedürftig und förderungswürdig wäre. Deshalb hat der 62-jährige Schausteller und Orgelbesitzer für den 9. Juli andere Schausteller und Orgelbesitzer aus ganz Deutschland zu einem Orgeltreffen zur Saarner Kirmes eingeladen, die diesmal nicht auf dem Saarner Kirmesplatz, sondern vom 8. bis zum 11. Juli auf dem Stadthallen-Parkplatz über die Bühne gehen wird. Albert Ritter, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Essen-Mülheim, rechnet dort mit insgesamt rund 80 Kollgen, die alle zusammen auf sonniges Kirmes-Wetter hoffen.