Psychische Erkrankung - das klingt zunächst einmal ziemlich abstrakt. Depression, eine Krankheit? Da winkt mancher immer noch ab und denkt insgeheim: „Der soll sich nicht so anstellen.“ Am besten helfen gegen solche Vorurteile die Erfahrungsberichte von Menschen, die selbst einmal krank waren. Diesen Ansatz verfolgt die Caritas. Deswegen führt sie vor Ort ein Schulprojekt durch: „Verrückt? Na und?“, heißt es. Nun werden weitere Betroffene gesucht, die bereit sind, von ihrer Erkrankung zu berichten. Aktuell sind schon vier Personen aktiv. Sie sind mittlerweile gesundheitlich stabil und werden in Workshops auf ihre Auftritte in den Klassen vorbereitet.
Schüler sollen sensibilisiert werden
„Während der Berichte kann man eine Stecknadel fallen hören“, berichtet Nicole Meyer von der Caritas. Sie hat schon mehrere Vormittage in Schulklassen zu diesem Thema gestaltet. Besonders beliebt: die neunte Jahrgangsstufe. Dann sind die Schüler zum Einen schon erwachsen genug, um die nötige Aufmerksamkeit aufzubringen. Sie haben aber auch schon selbst Krisenerfahrungen gemacht. Meyer informiert an solchen Tagen allgemein über psychische Erkrankungen, die Berichte der Betroffenen sind aber besonders wichtig. „Das ist dann ein konkretes Beispiel. Und wenn dann jemand etwa von seiner Suchterkrankung erzählt, dann sind oft viele richtig angerührt“, berichtet sie. Ein Lernziel ist denn auch, dass die Schüler aufmerksamer auf ihre Freunde oder ihre Familie achten. Denn gerade solche engen Bezugspersonen spielen eine wichtige Rolle. „ Je größer die persönliche Abwehrkraft ist, die in Krisensituationen aktiviert werden kann, um so geringer ist die Gefahr, psychisch zu erkranken“, erläutert Meyer. Und solche Kräfte könnten eben besser in einem stabilen Umfeld mobilisiert werden.
Ein zweites Ziel: Den Schülern wird erklärt, wo man professionelle Hilfe bekommt. Etwa bei der Stadt oder bei Fachberatungen wie Ginko. Sie lernen: Lieber einmal zu viel Hilfe suchen als einmal zu wenig. Es ist keine Schande, Beratung in Anspruch zu nehmen, auch wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die Sorge unbegründet war.
Diese Haltung ist noch nicht überall selbstverständlich. Allerdings wächst das Netzwerk der Städte, in denen eine ähnliche Beratungsstruktur besteht. In Mülheim kommen schon seit 2014 regelmäßig alle Anbieter aus diesem Bereich zusammen, um gemeinsam abzusprechen, welcher Wohlfahrtsverband etwa in welchen Beratungsbereichen Schwerpunkte setzt. Diese Struktur wurde bisher durch die Aktion Mensch finanziert. Nun wird sie durch die MEG unterstützt.
Auf die Frage, ob die Zahl der psychischen Erkrankungen zunehme, will Nicole Meyer nicht eindeutig mit Ja antworten. Zwar sei es schon so. dass die Belastung im Beruf teilweise steige. Aber insgesamt habe eben auch die Sensibilität für solche Krankheiten zugenommen. Und dies sei eine positive Entwicklung, auch dank der Schulprojekte.