Wir müssen uns Feridun Zaimoglu als einen disziplinierten, sehr strukturiert arbeitenden, aber auch altmodischen Schriftsteller vorstellen. Der 51-Jährige tippt seine Texte noch auf einer Schreibmaschine, verfügt weder über einen Computer, noch googelt er Informationen, wie er bei einer Lesung im Ringlokschuppen erzählte. Wie er bei dieser klassischen Arbeitsweise einen 800 Seiten umfassenden Roman wie das Siebentürmeviertel schreiben kann, ist da schon sehr beachtlich. „Ich muss mir alles durch Gewaltmärsche erlaufen“, sagte der in Kiel lebende Autor. Über fünf Jahre habe er an diesem Buch gearbeitet, davon etwa ein Viertel mit Recherche verbracht.
Sein Tagessoll lag dann bei etwas über vier Seiten. An der Wand habe er einen viele Blätter umfassendenden Schlachtplan gepinnt, auf dem er festhält, wer wann in welcher Szene auftaucht. „Das ist wichtig, um logische Fehler zu vermeiden.“ Man kennt das aus Kinofilmen, in der Literatur ist es noch türkischer. Da darf keiner eine Jacke anziehen und Seiten später einen Mantel ausziehen, nennt er als einfaches Beispiel.
Angesiedelt ist die Romanhandlung in dem titelgebenden Istanbuler Siebentürmeviertel der späten 30er Jahre, als es noch ein kultureller und ethnischer Schmelztiegel war: „ein gärendes Milieu“. Zaimoglus Vater ist dort aufgewachsen und hat ihm viel über die alten Zeiten erzählt, aber das war für ihn nur eine Einstimmung. Mit Angaben aus Archiven habe er versucht, die Atmosphäre des alten Viertels wieder aufleben zu lassen. Er selbst hat keine Erinnerung an die Türkei, die er im Alter von fünf Monaten verlassen hat. Die Geschichte um den sechsjährigen deutschen Bub Wolf, der mit seinem sozialdemokratischen Vater aus Hitler-Deutschland liehen musste, sei bis auf den Rahmen rein fiktiv.
Die Rolle des sechsjährigen Jungen müsse er sich anverwandeln, als Autor dürfe er sich da nicht im Weg stehen, müsse sich der Geschichte unterordnen und sich nicht zu ernst nehmen. „Ich muss dafür brennen!“ Das sei ein anstrengender Prozess zwischen Rausch und Vernunft.